Lentiviren

  • Der für den Menschen wichtigste Vertreter der Lentiviren ist das sogenannte HI-Virus (= human immunodeficiency virus), oft auch einfach als AIDS-Virus bezeichnet (AIDS = acquired immunodeficiency syndrome). Früher bezeichnete man dieses Virus auch als Typ LAv/HTLVIII.
  • 1981 wurde man in den USA erstmals auf ein bis dahin unbekanntes Krankheitsbild aufmerksam, das epidemieartig insbesondere bei Homosexuellen auftrat. Aufgrund der beobachteten Krankheitssymptomatik nannte man diese Infektion AIDS. Montagnier u. Mitarb. gelang es 1983, dieses Virus zu isolieren, dessen Erregernatur und Zugehörigkeit zu den Retroviren 1984 von Gallo u. Mitarb. aufgezeigt werden konnten. AIDS ist eine erworbene zelluläre Immunschwäche, bedingt durch den Befall und die Zerstörung der T-Helferzellen (TH-Lymphozyten).
  • HIV ist ein relativ kleines kugeliges Partikelchen mit einem zylindrischen Kern, Es besitzt eine lipidhaltige äußere Hülle, welche weitgehend identisch ist mit der Plasmamembran der befallenen TH-Lymphozyten. Das Ausschleusen der Viren geschieht hier in Form eines Knospungsprozesses, dabei nehmen die neu gebildeten Viruspartikelchen Teile der Plasmamembran als Hülle mit. Die Adsorption des HIV erfolgt über spezifische Rezeptoren der Wirtszelloberfläche. Die Spezifität dieser Rezeptoren ist sicherlich die Erklärung dafür, dass das AIDS-Virus selektiv TH-Lymphozyten befällt. TS- Lymphozyten werden offensichtlich nicht infiziert, wohl dagegen scheint eine Adsorption und Infektion von Makrophagen, Endothelzellen und einigen anderen Gewebszellen möglich zu sein. Folgende Effekte werden den AIDS-Viren zugeschrieben:
    • TH-Lymphozyten werden direkt befallen und zerstört.
    • In einigen überlebenden TH-Zellen kann das HI-Virus als Provirus chromosomal integriert werden, dies bedingt eine Persistenz.
    • Zerstörung und Ausfall der TH-Zellen führen sekundär zu schweren Störungen der Immunabwehr; Interleukin2 (IL2) und γ-Interferon (γ-IF) werden nicht mehr ausreichend produziert-, damit unterbleibt eine Aktivierung der Makrophagen, der TK-Zellen und der NK-Zellen; B-Lymphozyten ebenso wie auch T-Lymphozyten werden nicht weiter differenziert.
  • Das AIDS-Virus wird von Mensch zu Mensch über Blut und Sperma übertragen, weitere Übertragungsmöglichkeiten sind bislang unbewiesen geblieben.
  • Nach einer variabel langen Inkubationszeit zwischen 6 Monaten und 6 Jahren, während der der infizierte Mensch bereits infektiös ist, kommt es vorerst meist zu uncharakteristischen Influenza-ähnlichen klinischen Erscheinungen. Erst allmählich treten typische AIDS-Symptome auf, besonders in Form einer generalisierten Lymphknotenschwellung (LAS = Lymphadenopathie-Syndrom). Aufgrund des Zusammenbruches der zellvermittelten Immunität kommt es dann zum vollen AIDS-Krankheitsbild (LAS plus 2 zusätzliche Leitsymptome wie opportunistische Infektionen und/oder Kaposi-Sarkom resp. andere Tumoren).
  • 95 % aller AIDS-Patienten starben bislang innerhalb von 3 Jahren nach Auftreten der ersten opportunistischen Infektionen bzw. des Kaposi-Sarkoms; die mittlere Überlebenszeit wird mit 18 Monaten angegeben.
  • Als Opportunisten von AIDS-Infektionen findet man vorwiegend Candida-albicans (orale Kandidiasis), Pneumocystis carinii (Pneumonie) und Kryptosporidien (Durchfälle).
  • AIDS ist weltweit verbreitet, die Erkrankungszahlen nehmen noch laufend epidemieartig zu.
  • Nicht nur Mitglieder von sogenannten Risikogruppen sind betroffen (z. B. Homosexuelle mit häufig wechselnden Partnern, Rauschgiftsüchtige, früher auch Hämophile).
  • Der Ursprung der HI-Viren ist nicht geklärt. Viele Fakten sprechen dafür, dass HIV in Zentralafrika in einem geschlossenen Endemiegebiet vorhanden war (ob nur beim Menschen oder in bestimmten Tieren, ist ebenfalls nicht eindeutig geklärt). Aus diesem Endemiegebiet wurde HIV auf nicht geklärtem Weg nach Haiti und weiter in die USA eingeschleppt, von dort und auch aus Afrika direkt kam es zur weltweiten Verbreitung von AIDS. In manchen Teilen Afrikas ist AIDS aufgrund der dort üblichen Lebensgewohnheiten (hohe Promiskuität) weit verbreitet, Prostituierte sollen bis zu 80 % HIV-infiziert sein. Genaue epidemiologische Daten fehlen jedoch, da es in diesen Ländern keine Meldepflicht bzw. Seuchenüberwachung gibt.
  • Da die epidemieartige Verbreitung von AIDS praktisch ausschließlich über Geschlechtsverkehr geht (AIDS ist eine Geschlechtskrankheit), ist AIDS als seuchenhafte Bedrohung der Menschheit nicht vergleichbar mit den großen Seuchen der vergangenen Jahrhunderte wie Pocken, Pest, Cholera.
  • Die Krankheitsdiagnose kann durch direkten, leider aufwendigen Virus-Nachweis in den Lymphozyten des Menschen erfolgen (Kultur, direkter Erregernachweis mit Hilfe der Immunofluoreszenz u. a.). Praktikabler für Routinebedingungen sind serologische Nachweistests von Antikörpern gegen das HI-Virus. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass sowohl falsch-positive als auch falsch-negative Testergebnisse möglich sind. Insbesondere ein positiver Test muss stets durch weitere Untersuchungen überprüft werden.
  • Eine erfolgreiche Chemotherapie von AIDS ist bislang nicht bekannt. Ebenso ist es bislang noch nicht gelungen, einen wirksamen Impfstoff herzustellen. Allerdings lässt sich die Vermehrung der Viren durch spezielle Kombinationstherapien deutlich verlangsamen. Infizierte Personen bleiben jedoch infiziert und können die Krankheit weiter übertragen.
  • AIDS gehört nicht zu den meldepflichtigen Krankheiten

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