Hyaluronan
Synonyme
- Hyaluronat, Hyaluronsäure
Übersicht
Medizin
Typ
Pharmakologie
Typ
Chemie
Strukturformel
Summenformel
[C6H10O7-C8H15NO6]n
Molekülmasse
IUPAC
Eigenschaften
Bemerkungen
- Hyaluronan ist ein aus Disaccharideinheiten aufgebautes Biopolymer. Die
einzelnen Disaccharideinheiten bestehen aus d-Glucuronsäure und
N-Acetyl-d-glucosamin,
wobei die d-Glucuronsäureeinheit β(1→3)-glykosidisch
mit N-Acetyl-d-glucosamin
verbunden ist, das wiederum β(1→4)-glykosidisch mit der nächsten d-Glucuronsäure
verbunden ist.
- Die Kettenlänge von natürlichem Hyaluronan variiert recht stark und
reicht von etwa 250 - 50.000 Disaccharideinheiten.
- In neutraler wässriger Lösung bilden sich Wasserstoffbrückenbindungen hauptsächlich
zwischen den Carboxyl- und den N-Acetylgruppen.
Analytik
IR-Spektrum
Biologie
Vorkommen
- Hyaluronan ist ein im Tierreich weit verbreitetes langkettiges
unverzweigtes Glykosaminoglykan mit Molekülmassen von bis zu einigen
Millionen Dalton.
- Bei Wirbeltieren ist Hyaluronsäure wichtiger Bestandteil der
extrazellulären Matrix. Beim Menschen findet es sich vor allem im Bindegewebes,
in der Gelenkschmiere und im Glaskörper des Auges.
Aufgaben
- Hyaluronan kann im Verhältnis zu ihrer Masse sehr große Mengen Wassermengen binden (bis
ca. 6 Liter Wasser pro Gramm Hyaluronan). Die Viskosität des gebildeten
Gels ist abhängig von der Menge der als Gerüstbildner auftretenden
Hyaluronsäure. Im Glaskörper des Auges beträgt die
Hyaluronsäurekonzentration etwa 2 %.
Stabilisierung von Körperstrukturen
- Hyaluronan dient auch im Bindegewebe als wasserbindende Substanz. Hier
nimmt sie darüber vor allem Stützfunktionen wahr (die gebildeten Gele sind
relativ formstabil und nicht komprimierbar). Insbesondere während der
Embryonalentwicklung, vor der Ausbildung von Knochengeweben, treten
Hyaluronsäure enthaltende Gewebe als formgebende Strukturen in Erscheinung.
- Im adulten Körper übernimmt Hyaluronan bzw. das durch Hyaluronan gebildeten
Gel z.B. im Gallertkern der Bandscheiben Dämpfungs- und Stützfunktionen.
Erleichterung der Gelenkbewegung
- Hyaluronsäuregele zeigen viskoelastische Eigenschaften. Diese Eigenschaft
ist besonders hinsichtlich ihrer Verwendung als Gelenkflüssigkeit sehr
vorteilhaft. Ohne Last ist sie gelartig, mit zunehmender Scherbeanspruchung
wird sie jedoch zunehmend flüssig. Sie wird aufgrund ihrer Viskosität
dennoch auch bei höheren Lasten nicht vollständig aus dem Gelenk gepresst.
- Durch chemische Wechselwirkungen haftet Hyaluronan zudem an der
Oberfläche des Gelenkknorpels und verbessert so die schmierenden
Eigenschaften weiter. Da sich die Hyaluronan-Moleküle bei starkem Druck
kurzfristig rasch verknäulen, wirken sie bei plötzlichen Druckbelastungen
(etwa bei Langungen nach Sprüngen), wie kleine Kugellager auf der
Knorperoberfläche.
Platzhalter für Migrationsprozesse
- Hyaluronan dient als Teil der extrazellulären Matrix auch dazu Raum
zwischen einzelnen Zellen zu füllen. Dieser Raum kann von migrierenden
Zellen genutzt werden oder das Einwachsen neuer Zellen erleichtern.
Synthesebaustein für Proteaglykane
- Hyaluronsäure ist ein Synthesebaustein von Proteoglykanen, z.B. Aggrecan
im hyalinen Knorpel.
Förderung der Zellproliferation und -migration durch Interaktion mit Rezeptoren
- Hyaluronan übt auch direkte Wirkungen auf Zellen aus, die z.B. zur
Proliferation oder Migration bestimmter Zellen führen können. Während
dies in der Embryonalentwicklung erwünscht ist, kann es später die
Entstehung und Ausbreitung von Tumoren fördern.
Biosynthese
- Hyaluronan wird, anders als alle anderen Glykosaminoglykane, nicht im endoplasmatischen Retikulum oder
im Golgi-Apparat zusammengesetzt. Vielmehr wird die Substanz von
spezialisierten integralen Membranproteinen, sogenannten HA-Synthasen
hergestellt.
- Wirbeltiere besitzen drei Typen dieser Enzyme: HAS1, HAS2 und HAS3.
- Nach Ende der Synthese wird das fertige Hyaluronan mit Hilfe von ABC-Transportern
durch die Zellmembran aus der Zelle herausgeschleust.
Technologie
Einsatz in der Humanmedizin [Bearbeiten]
Medizinisch verwendet wird das Natrium-Salz der Hyaluronsäure (Natriumhyaluronat). Hyaluronsäure wird aus tierischem Ausgangsmaterial (z. B. Hahnenkamm) oder biotechnologisch aus Streptokokken-Kulturen gewonnen. Eine spezielle Modifikation stellen stabilisierte Hyaluronsäuren - beispielsweise mittels der sogenannten NASHA-Technologie (NASHA steht für "Nicht animalische stabilisierte Hyaluronsäure") - dar, die je nach Hersteller zwischen weniger als 1 % und bis zu ca. 20–30 % verändert werden. Für die Haltbarkeit der Produkte spielt der Prozentsatz der Stabilisierung keine große Rolle, wichtig ist die Art der Stabilisierung. Bei aus Hahnenkämmen gewonnenen Hyaluronsäureprodukten kann es zu allergischen Reaktionen kommen, wenn eine Allergie gegen Vogelproteine besteht.
Hyaluronsäurepräparate werden in arthrosegeschädigte Gelenke gespritzt, um das Gelenk zu schmieren und als "Stoßdämpfer" zu wirken (sogenannte Viscosupplementation). Die Halbwertszeit von Hyaluronsäure-Produkten liegt bei maximal 1,5 Tagen.[1]
Sie wirken vergleichbar wie NSAR-Einnahme oder Cortison-Injektionen, jedoch war die Wirksamkeit in verschiedenen Studien unterschiedlich[2], oft war die Nutzen-Schaden-Bilanz negativ[3]. Ein therapeutischer Stellenwert bei Arthrose ist nach dem Stand der Metaanalyse 2003/04 nicht belegt[4].
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Behandlungskosten in der Regel nicht.
Einige Nasensprays gegen Schnupfen enthalten Hyaluronsäure, um der Austrocknung der Nasenschleimhäute vorzubeugen.
Auch in Augentropfen zur Behandlung des "trockenen Auges" findet die Hyaluronsäure Verwendung. Die viskoelastische Eigenschaft der Hyaluronsäure sorgt für einen stabilen und langanhaltenden Tränenfilm ohne Beeinträchtigung des Sehens. Daher wird Hyaluron auch in Reinigungs- und Pflegelösungen für Kontaktlinsen verwendet. Sie soll das Auge auch beim längeren Tragen formstabiler und weicher Linsen vor dem Austrocknen bewahren, was den Tragekomfort erhöhen soll. In der Ophthalmochirurgie werden viskoelastische Natriumhyaluronat-Lösungen zur Auffüllung des Glaskörpers verwendet.
Seit einigen Jahren sind Produkte auf dem Markt, die Patientinnen mit Belastungsharninkontinenz eine Behandlung mit stabilisierter Hyaluronsäure ermöglicht. Hier werden vier Hyaluronsäure-Depots um die Harnröhre injiziert. Der Eingriff erfolgt in der Regel unter örtlicher Betäubung. Männliche Inkontinenz-Patienten (z. B. nach radikaler Prostatektomie) können auch behandelt werden.
Für Kinder mit vesikorenalem Reflux (VUR) sind schon seit längerem Präparate auf Basis stabilisierter Hyaluronsäure auf dem Markt, die eine gute Alternative zur medikamentösen Langzeittherapie abgeben. Die Ergebnisse hier sind vielversprechend.
Hyaluronan wird auch als Nahrungsergänzungsmittel oder ergänzend bilanzierte Diät angeboten. Im Lebensmittelbereich werden v. a. enzymatische Hydrolysate aus Hühnerbrustbeinen oder Hähnenkämmen verwendet. Diese unterscheiden sich in der Menge und Art der – teils als erwünscht deklarierten – Beistoffen: Andere Glykosaminoglykane wie Chondroitinsulfat bzw. Proteine und in dem Molekulargewicht: z. B. "HCK" 250 kDa, "InjuvTM" (aus Hahnenkämmen) 50–200 kDa, "Hyal-JointTM" (ebenfalls aus Hahnenkämmen) 6.000–9.000 kDa.
Der Großteil der in Deutschland angebotenen hyaluronsäurehaltigen Supplemente wird für die Gelenkfunktion vermarktet und sind Multipräparate mit anderen Nährstoffen, die oft wissenschaftlich besser dokumentiert sind. Es werden geringe Mengen von 50 bis 250 mg täglich über die Präparate zugeführt. Die aussagekräftigste in vivo-Resorptionsstudie nach oraler Gabe wurde mit einem Molekulargewicht von 1.000 kDa (also relativ hohem Molekulargewicht) durchgeführt und zeigt eine gewisse orale Verfügbarkeit [5]. Die im Plasma nach oraler Gabe auftretende Hyaluronsäure weist ein niedrigeres Molekulargewicht (beispielsweise von etwa 30 bis > 80 kDa) auf. [6]
Einsatz in der ästhetischen Medizin [Bearbeiten]
Hyaluronsäurepräparate werden auch zur Faltenunterspritzung, zum Modellieren der Lippen (Vergrößerung, "aufspritzen"), zur Hautauffrischung oder auch zum Aufbau von Gesichtskonturen verwendet. Je nach Stabilisierung der Hyaluronsäure bleibt der so gewonnene Effekt 6–12 Monate erhalten. Für die verschiedenen Anwendungen gibt es Präparate mit speziell angepassten Gelpartikelgrößen auf dem Markt.
Neu sind Präparate basierend auf nicht animalischer, stabilisierter Hyaluronsäure (NASHA), die speziell für die Behandlung von Körperdeformationen entwickelt wurden. So können damit die Rundungen des Gesäßes geformt oder den Waden neue Konturen verliehen werden. Auch können Unebenheiten in Hautoberflächen oder eingesunkene Narben ausgeglichen werden, wie sie beispielsweise nach einer Fettabsaugung (Liposuktion) oder Operation auftreten können. Das eingesetzte Hyaluronsäure-Gel kann sehr große Volumina auffüllen. Erste Behandlungsergebnisse weisen auf eine Haltbarkeit von einigen Jahren hin.
Bei einem anderen Verfahren werden die HA-Moleküle mit UV-Licht aufgebrochen, in die Haut einmassiert, und anschließend mit einem Infrarot-Kaltlicht-Flächenlaser behandelt, wodurch die einmassierten Hyaluronsäurebruchstücke in der Haut angeblich wieder zu Makromolekülen reagieren sollen und die Wirkung auf mehrere Wochen verlängert werden soll. Einen medizinischen und chemischen Nachweis für dieses Verfahren gibt es bisher nicht. Die Wirkung des Laserlichts auf die Hyaluronsäure ist nicht belegt. Bedenklicher ist ein ähnliches Verfahren mit enzymatisch gespaltenem HA-Molekül, da hier Stabilisatoren und Konservierungsmittel beigefügt sind.
Bei Produkten auf Basis nicht-animalischer (aus Bakterien) gewonnener Hyaluronsäure sind keine Tests vorab notwendig, da sie keine tierischen Eiweiße enthält und daher allergische Reaktionen ausgeschlossen sind. Bei Produkten auf Basis von aus Hahnenkämmen gewonnener Hyaluronsäure können jedoch allergische Reaktionen auftreten.
Ebenfalls ist diese Säure in speziellen Antifaltencremes oder Hyaluron-Serum enthalten, die der äußerlichen Behandlung dienen. Hier dringt die Hyaluronsäure in die oberen Schichten der interzellulären Hautmatrix ein. Durch das Wasserbindungsvermögen tritt eine Quellwirkung ein, welche temporär die Faltentiefe reduzieren kann. Die Wirkung ist stärker bei jüngerer, dünnerer Haut und Lippen.
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