Raman-Spektroskopie
Definition
- Spektroskopisches Verfahren, das auf der Messung der inelastischen Streuung von Licht an Molekülen oder Festkörpern,
dem sogenannten Raman-Effekt, beruht.
Messprinzip
- Die Raman-Spektroskopie beruht auf dem Smekal-Raman-Effekt.
- Der heute meist nur als Raman-Effekt bezeichnete Effekt wurde 1923
vom österreichischen Physiker Adolf Smekal vorausgesagt und 1928 vom
indischen Physiker Chandrasekhara Venkata Raman experimentell
nachgewiesen.
- Strahlt man monochromatisches Licht in eine Lösung, so treten drei physikalische Erscheinungen auf.
- Durchstrahlung
- Bei der Durchstrahlung treten keine Interaktionen zwischen der
Probe und dem eingestrahlten Licht auf.
- Streuung des eingestrahlten Lichts ohne Veränderung der Frequenz (Rayleigh-Streuung,
Tyndall-Effekt)
- Die bei der Rayleigh-Streuung auftretenden Prozesse lassen sich
als Folge elastischer Stöße zwischen Photonen bestimmter Energie
und Molekülen in der Probe verstehen. Bei diesen Stoßvorgängen verändert sich der Energiezustand des
getroffenen Moleküls nicht, daher ist die Frequenz der vom
getroffenen Molekül ausgehenden Streustrahlung mit der
eingestrahlten identisch.
- Streuung des eingestrahlten Lichts mit Veränderung der Frequenz (Raman-Streustrahlung)
- Die bei der Raman-Streuung auftretenden Prozesse lassen sich als
Folge unelastischer Stöße zwischen Photonen bestimmter Energie
und Molekülen in der Probe verstehen. Anders als bei der
Rayleigh-Strahlung ändert sich hier durch den Stoß des Photons,
die Energie des getroffenen Teilchens. Die an das Teilchen
abgegebene Energie fehlt nun dem als Streustrahlung ausgehenden
Photon, d.h. dessen Frequenz ist nun geringer. Da die Energie des
getroffenen Moleküls nicht beliebig geändert werden kann
(Energie ist gequantelt...), muss die aufgenommene Energie der
Differenz oder einem ganzzahligen Vielfachen der Differenz
zwischen zwei Energieniveaus des getroffenen Moleküls
entsprechen. Die so in der ausgesendeten Raman-Streustrahlung
nachweisbaren Spektrallinien werden als Stokes'sche Linien bzw.
Stokes-Linien bezeichnet. Sie treten bei niedrigeren Frequenzen
auf, als die anregende Lichtquelle hatte.
- Es ist auch möglich, dass das getroffene Molekül einen Teil
seiner Energie an das eingestrahlte Photon abgibt. In diesem Fall
erhöht sich die Energie des gestreuten Photons, d.h. seine
Frequenz nimmt zu. Die dadurch auftretenden Spektrallinien werden als Anti-Stokes-Linien bezeichnet.
Dieser Fall ist deutlich seltener als der erste, da er
voraussetzt, dass das getroffene Molekül sich vor dem Stoß in
einem höheren, instabilen, Energiezustand befindet.
- Für die Raman-Spektroskopie wird - wie aus dem Namen bereits erkennbar
- nur der dritte genannte Effekt genutzt.
Voraussetzungen
- Voraussetzung für die Raman-Spektroskopie ist die Polarisierbarkeit zumindest von Teilen der Probensubstanz, da nur so ein Dipol entstehen kann - Grundvoraussetzung für die
Aussendung elektromagnetischer Wellen.
- Oftmals sind auch IR-inaktive Gruppen Raman-aktiv, da sie zwar kein Dipolmoment, wohl aber eine deformierbare - und damit polarisierbare - Elektronenhülle aufweisen.
Allgemeines
- Analog zur IR-Spektroskopie werden bei der Raman-Spektroskopie Molekülschwingungen
angeregt. Dabei handelt es sich um Rotations-, Schwingungs-, Phonon- oder
Spinflip-Prozesse.
- Trägt man die Frequenzen der Linien der Raman-Streustrahlung und der Absorptionsbanden des IR-Spektrums der gleichen Substanz gegeneinander auf, so erkennt man, dass die Frequenzunterschiede zwischen den Linien bzw. Banden identisch sind.
Auch hier ist der Betrag der Energiedifferenz gleich der Energie, die der Resonanzfrequenz der Atomgruppe entspricht.
- Ebenfalls analog zur IR-Spektroskopie werden die auftretenden
Spektrallinien bei der Messung als Banden bezeichnet.
- Von der IR-Spektroskopie unterscheiden sich jedoch die besonders gut
nachzuweisenden Strukturen: Besonders charakteristische Signale liefern unpolare oder nur wenig polare Atomgruppen, wie sie z.B. Bindungen zwischen gleichen Atomen darstellen.
- Die aus C-C-Schwingungen resultierenden Gerüstschwingungen organischer Moleküle lassen sich mit Hilfe der Raman-Spektroskopie oft besser zuordnen, als mit der IR-Spektroskopie, so können z.B. die Ringgrößen von Kohlenstoffringen bestimmt
werden.
- Die Raman-Spektroskopie ist, wie die IR-Spektroskopie sehr vielseitig
einsetzbar. Sie kann Informationen über z.B. Kristallinität, Orientierung, Zusammensetzung, Verspannung, Temperatur,
Dotierung und Relaxation liefern.
- Die Raman-Spektroskopie als Ergänzung der IR-Spektroskopie einordnen, da sie genau die Gruppen nachzuweisen vermag, die in der IR-Spektroskopie inaktiv sind.
- Weiterentwicklungen der klassischen Raman-Spektroskopie sind:
- Nicht-lineare Raman-Spektroskopie (Coherent Anti-stokes Raman
Spectroscopy, CARS)
- Oberflächenverstärkte Raman-Spektroskopie (Surface Enhanced Raman
Spectroscopy, SERS)
- Spitzenverstärkte Raman-Spektroskopie (Tip-Enhanced Raman Spectroscopy,
TERS), eine Kombination aus SERS und Rasterkraftmikroskopie (AFM)
Aufbau
- Da die Streustrahlung nur weniger als 1 % des eingestrahlten Lichts ausmacht, müssen sehr intensive Lichtquellen eingesetzt werden. Meist werden dafür Laser benutzt, die sich auch aufgrund ihres monochromatischen Lichts hervorragend für die
Messung eignen.
- Die Probe darf keine fluoreszierenden Substanzen oder Schwebstoffe enthalten.
- Die Messung erfolgt, wie in der Fluorimetrie, rechtwinklig zur Einstrahlung.
- Da die Raman-Streuung von Molekülen normalerweise nur einen sehr kleinen Streuquerschnitt (ca.
1 · 10-30 cm2) aufweist, sind für die Messung relativ hohe Konzentration an
zu analysierenden Molekülen und/oder sehr hohe Lichtintensitäten nötig, um ein detektierbares Signal zu erhalten.
- Raman-Spektren einzelner Moleküle sind nur mithilfe der von
Weiterentwicklungen wie der oberflächenverstärkten Raman-Streuung (SERS) möglich.
Hier können Verstärkungen der Raman-Signale von 106 bis
108 gegenüber den Signalen in Abwesenheit der metallischen Oberfläche erreicht werden.
- Die eigentliche Signalverstärkung kommt dadurch zustande, dass an metallischen Oberflächen sehr hohe Felder auftreten, welche lokal zu einem sehr starken Intensitätseintrag führen. Mittels intelligent designter Metallstrukturen ist es möglich, sehr hohe und örtlich sehr begrenzte elektro-magnetische Felder zu erzeugen, und somit Raman-Spektroskopie an einzelnen Molekülen durchzuführen.
Anwendung
- Identifizierung und Strukturaufklärung apolarer Atomgruppen
- Untersuchung symmetrischer Atomgruppen bzw. IR-inaktiver Moleküle
- Quantitative Bestimmungen
- Ergänzung der IR-Spektroskopie, insbesondere bei wässrigen Systemen
- Die Raman-Spektroskopie erlaubt die Messung wässriger Systeme, da
Wasser die Messung kaum stört.
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