Optische Aktivität und Chiralität
- Stoffe, die die Ebene polarisierten Lichts ändern, wenn dieses durch sie
hindurchfällt, werden als optisch aktiv bezeichnet. Das Molekül einer
reinen optisch aktiven Substanz ist nicht deckungsgleich mit seinem
Spiegelbild. Diese Eigenschaft wird als Chiralität bezeichnet.
Verbindungen, die mit ihrem Spiegelbild deckungsgleich sind, werden als achiral
bezeichnet. Alle optisch aktiven Substanzen sind chiral. Von jeder
optisch aktiven Substanz existieren zwei - und nur zwei - Isomere, die Enantiomere
genannt werden. Enantiomere unterscheiden sich ausschließlich in der "Händigkeit"
ihrer Orientierungen. Sie besitzen die gleichen physikalischen und
chemischen Eigenschaften, außer in den folgenden zwei Punkten:
- Sie drehen die Ebene polarisierten Lichts in entgegengesetzte
Richtungen, aber um den gleichen Betrag. Isomere, die die Ebene gegen
den Uhrzeigersinn, als linksherum drehen werden mit (-) gekennzeichnet
und "levo" genannt. Die Isomere, die die Polarisationsebene im
Uhrzeigersinn drehen werden mit (+) markiert und "dextro"
genannt. Die Isomeren sind optische Antipoden.
- Sie reagieren mit anderen chiralen Verbindungen mit unterschiedlichen
Raten. Der Unterschied variiert dabei von Verbindung zu Verbindung sehr
stark. Enantiomere reagieren mit achiralen Verbindungen mit gleicher
Rate.
- Allgemein lässt sich sagen, dass Enantiomere in symmetrischen Umgebungen
identische Eigenschaften besitzen, nicht jedoch in asymmetrischen.
- Enantiomere können auch mit achiralen Verbindungen mit unterschiedlichen
Raten reagieren, wenn ein chiraler Katalysator anwesend ist. Ebenso können
sie in optisch aktiven Lösungsmitteln unterschiedliche Löslichkeiten
aufweisen, andere Brechungsindizes oder Absorptionsspektren aufweisen, etc.
In den meisten Fällen sind diese Unterschiede jedoch zu klein um ausgenutzt
werden zu können, bzw. zu klein um überhaupt messbar zu sein.
- Mischungen gleichen Anteils beider Enantiomere eines Stoffes, werden
Racemate oder racemische Mischungen genannt. Die Eigenschaften von Racematen
entsprechen nicht immer denen der reinen Enantiomere. Im gasförmigen und
flüssigen Zustand, bzw. in Lösung sind ihre Eigenschaften oft noch gleich,
Eigenschaften der festen Phase unterscheiden sich jedoch häufig.
- Weist die (+)-Form eine starke Affinität zur (-)-Form auf, so
kristallisieren diese jeweils in Pärchen aus. Der entstandene Feststoff
wird racemische Verbindung genannt.
Racemische Verbindungen weisen meist eine typische Schmelzpunktskurve auf:
Ausgehend vom reinen (+)-Enantiomer sinkt der Schmelzpunkt durch zunehmende
Verunreinigung durch das (-)-Enantiomer zuerst ab, bevor er dann bis zum
50:50-Verhältnis auf einen höheren Wert als beim reinen Enantiomer
ansteigt. Die Kurve ist symmetrisch.
- Kristallisieren bevorzugt (+) und (+), bzw. (-) und (-) zusammen aus, so
entsteht ein racemisches Gemisch (früher
als Konglomerat bezeichnet). Ausgehend vom reinen (+)-Enantiomer sinkt der
Schmelzpunkt bei zunehmendem Gehalt des (-)-Enantiomers bis zum
50:50-Verhältnis ab. Auch diese Kurve ist symmetrisch.
- Bei sehr geringen Unterschieden in der Affinität der Enantiomere
zueinander, entsteht beim Auskristallisieren eine racemische
feste Lösung, in der die Enantiomere unregelmäßig verteilt vorliegen.
Der entstandene Feststoff weist unabhängig vom Verhältnis der Enantiomere
zueinander immer den gleichen Wert auf.
- Die Trennung eines Racemats in die enthaltenen Enantiomere wird "resolution"
genannt.
- Das Vorhandensein optischer Aktivität beweist, dass eine Komponente
chiral ist, das Fehlern optischer Aktivität beweist jedoch nicht, dass der
Stoff achiral ist, da es sich auch um ein Racemat handeln kann.
|