IR-Spektroskopie
Voraussetzungen
- Vorhandensein von Elektronenpaarbindungen sowie eines Dipols (z.B. H2O)
oder Entstehen eines Dipolmoments als Folge der erzeugten Schwingung (z.B.
CO2). Dieses Dipolmoment entsteht bei gewinkelten Molekülen
immer, bei geraden dann, wenn die Möglichkeit zu asymmetrischen
Valenzschwingungen gegeben ist.
Messprinzip
- Durch Einstrahlung elektromagnetischer Wellen mit Wellenlängen im
IR-Bereich werden Moleküle zu Schwingungen angeregt.
- Hierbei sind verschiedene Typen von Schwingungen zu unterscheiden:
- Valenzschwingungen
- Valenzschwingungen sind Schwingungen der Atome in Richtung ihrer
Elektronenpaarbindungen.
- Sie lassen sich relativ leicht und eindeutig Strukturinformationen
des betrachteten Moleküls zuordnen.
- Deformationsschwingungen
- Hierzu gehören Beuge-, Drill-, Nick- und Schaukelbewegungen, die
keine Informationen über Strukturmerkmale liefern. Allerdings sind
sie in ihrer Gesamtheit sehr typisch für das Molekül.
- Die Deformationsschwingungen sind für den Fingerprint-Bereich des
IR-Spektrums verantwortlich, d.h. sie ermöglichen die eindeutige
Identifizierung einer Substanz durch den Vergleich mit
Referenzsubstanzen.
- Die Substanzen absorbieren gemäß ihren Resonanzfrequenzen
charakteristische Bereiche aus dem eingestrahlten Wellenspektrum.
- Die Resonanzfrequenzen sind im wesentlichen abhängig von der
Bindungsstärke und der Masse der schwingenden Atome.
- Allgemein ist die Resonanzfrequenz, bzw. die Wellenzahl, um so
höher:
- je kleiner eines der beteiligten Atome ist
- je stärker die Bindung zwischen den beteiligten Atomen ist, wobei
Doppelbindungen stärker als Einfachbindungen und Dreifachbindungen
wiederum stärker sind
- je größer der Elektronegativitätsunterschied zwischen den
beteiligten Atomen ist
- Saure Wasserstoffe zeigen eine deutliche Signalverschiebung zu niedrigeren
Frequenzen, da sie - aufgrund ihres teilweisen Ionenbindungscharakter -
leichter anregbar sind. Der teilweise Ionenbindungscharakter ist auch der
Grund dafür, dass saure Wasserstoffe zu relativ breiten Signalen führen.
- Die Angabe der Frequenzen erfolgt - historisch bedingt - über die
sogenannte Wellenzahl.
Diese wird in der Einheit cm-1 verwendet.
- Die Messwerte werden in einem Diagramm aufgezeichnet, das eine von links
nach rechts steigende Wellenlänge aufweist, also abnehmende Wellenzahlen.
- Der Messbereich liegt zwischen 4000 cm-1 und 400 cm-1
(also bei Wellenlängen von 2500 - 25000 nm), der anschließende noch
höherfrequente Bereich wird von der NIR-Spektrometrie
benutzt.
Anwendungsgebiet
- Die IR-Spektrometrie eignet sich ausgezeichnet zur Prüfung auf
Identität.
- Dabei wird das aufgenommene Spektrum mit dem der Referenzsubstanz
verglichen. Stimmen die Wellenzahlen und relativen Intensitäten der Signale
überein, kann davon ausgegangen werden, dass beide Substanzen identisch
sind.
- Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der sogenannte Fingerprint-Bereich
zwischen ca. 1500 cm-1 und 667 cm-1. Hier zeigen die
Substanzen besonders charakteristische Muster, während die Bereiche
höherer Wellenzahl generelle Hinweise auf bestimmte funktionelle Gruppen
zeigen.
- Stimmen die Spektren nicht überein, so kann eine Identität sicher
ausgeschlossen werden, sofern es sich nicht um eine andere
Kristallmodifikation der Substanz handelt.
- Der Fingerprint-Bereich unterscheidet auch Enantiomere
sicher voneinander.
- Quantitative Bestimmungen sind prinzipiell möglich, aber schwierig
durchzuführen und auszuwerten.
Messgerät
- IR-Spektrometer sind entweder als Ein- oder als Zweistrahlgeräte
aufgebaut.
- Ältere Geräte sind oftmals noch als Zweistrahlgeräte ausgeführt
(modernere Geräte sparen den zweiten Lichtweg ein). Sie enthalten als
Lichtquelle einen IR-Strahler (Globar oder Nernst-Stift), als Monochromator
ein Gitter und als Verstärker ein Thermoelement.
- Modernere Geräte erzeugen durch Interferenz der IR-Strahlung der
Lichtquelle ein sogenanntes Interferogramm, aus dem mit Hilfe eines
Computers das eigentliche IR-Spektrum mit Hilfe der Fourier-Transformation
errechnet wird.
- Die Kompensation von Störungen durch Luft (enthält Wasserdampf und
Kohlendioxid) im Strahlengang erfolgt bei Zweistrahlgeräten durch direkte
Differenzbildung aus Probe- und Vergleichsmessung, bei Einstrahlgeräten
durch rechnerische Differenzbildung der Probemessung mit einer zuvor
aufgenommenen Referenz.
- Es wird grundsätzlich ein komplettes Spektrum (Wellenzahl gegen
Durchlässigkeit) aufgezeichnet.
- Zur Überprüfung des IR-Spektrometers auf seine Funktionsfähigkeit wird
eine Polystyrolfolie verwendet. Diese liefert im Messbereich genau
definierte Signale, sogenannte Banden und ermöglicht sowohl eine Kontrolle
der Wellenzahl, als auch des Auflösungsvermögens.
Aufnahmetechnik
- Wichtigste Aufnahmetechnik ist die Feststoffpräparation. Hierbei
werden ca. 1 mg der Probe mit 300 mg trockenem Kaliumbromid feinst verrieben
und unter hohem Druck zu einem Pressling geformt. Der so erhaltene
(möglichst klare) Pressling wird in einer Halterung fixiert und vermessen.
Vorteil dieser Methode ist, dass kein Lösemittel verwendet werden muss, das
Störsignale erzeugen könnte.
- Eine weitere Präparation für Feststoffe ist die Suspensionstechnik.
Hierbei wird der Stoff in hochreinem Paraffin suspendiert und dann
vermessen. Problematisch sind hierbei Störungen des eigentlichen
Messsignals durch das Paraffin. Als Küvettenmaterial sind Glas oder Quarz
ungeeignet, da sie im Messbereich eine zu starke Eigenabsorption aufweisen.
Daher verwendet man Küvetten aus Natriumchlorid.
- Eine Möglichkeit zum Vermessen von Flüssigkeiten besteht in der Technik
einen kleinen Tropfen der Flüssigkeit als dünnen Film zwischen zwei
Natriumchloridplättchen zu bringen, dies wird als Dünnfilmpräparation
bezeichnet.
- Verdampfbare Substanzen können auch als Gas vermessen werden.
- Problematisch bei Lösungen von Feststoffen und Flüssigkeiten ist meist
die Eigenabsorption des Lösungsmittels, die sorgfältig kompensiert werden
muss.
- Kaliumbromid und Natriumchlorid können eingesetzt werden, da sie keine
Elektronenpaarbindungen aufweisen und somit nicht im IR-Spektrum auftauchen.
Auswertung
Strukturelement |
typischer
Wellenzahlenbereich (cm-1) |
R-OH |
3200 - 3500 (breit, stark) |
R-NH-R, R-NH2 |
3200 - 3500 (spitz, stark) |
R-COOH |
2500 - 3300 (sehr breit, stark, überdeckt CH) |
R3-CH (ungesättigt, aromatisch) |
3000 - 3200 (oft schwach) |
R3-CH (gesättigt) |
2800 - 3000 (oft mehrere Banden) |
NR3H+ |
2600 - 3000 (sehr breit) |
R-CC-R |
2100 - 2300 |
R-CN |
2100 - 2300 (spitz, stark) |
R-C=O |
1600 - 1800 (sehr stark, freistehend) |
R-C=C-R |
1500 - 1700 |
Aromaten |
1500 - 1600 (meist stark) |
- Der genauere Wellenzahlbereich ist von Substituenteneinflüssen abhängig.
So zeigt die Carbonylgruppe in H3C-CO-R bei unterschiedlichen
Resten unterschiedliche Wellenzahlen von
- Aromaten zeigen im Bereich zwischen 1800 cm-1 und 2000 cm-1
oftmals kleinere Signale, sogenannte Oberschwingungen.
- Primäre aromatische Amine
weisen oft mehr als ein Signal auf, so zeigt Benzocain
drei Signale, die alle aus der NH2-Gruppe resultieren. Der Grund
für dieses Verhalten ist noch ungeklärt.
- Die Doppelbindung der Carbonylgruppe zeigt eine höhere Wellenzahl (=
höhere Frequenz), da die Doppelbindung einen stärkeren Dipolcharakter
aufweist, als die der C=C-Bindung.
- Lactone
schwingen, aufgrund der starreren Struktur des Rings, bei höheren
Wellenzahlen als Ester.
So liegt die Valenzschwingung bei Estern meist um 1740 cm-1, die
des Lactons bei etwa 1760 cm-1.
Bemerkungen
- Eine Identität kann sicher angenommen werden, wenn die Wellenzahl aller
Peaks und die Intensitätsverhältnisse der Peaks zueinander mit denen der
Referenzmessung am gleichen Gerät übereinstimmt.
- Da das genaue Aussehen des erhaltenen Spektrums oft geräteabhängig ist,
können Spektren der gleichen Substanz mehrerer Geräte nicht unbedingt
miteinander vergleichen werden. Daher werden chemische Referenzsubstanzen
(CRS) mit genau definiertem Gehalt und exakt bekannter Zusammensetzung
benutzt, um Referenzspektren der einzelnen Substanzen auf dem gleichen
Gerät zu erhalten.
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