Aktionspotential

Definition

  • Als Aktionspotential bezeichnet man eine kurzzeitig auftretende Abweichung einer Zelle von ihrem Ruhemembranpotential, während der sich das Membranpotential relativ rasch in charakteristischer Weise verändert und das zur Auslösung einer spezifischen Zellantwort.führt.

Bemerkungen

  • Nicht alle Zellen können Aktionspotentiale bilden. Zu den Zellen, die Aktionspotentiale bilden und/oder weiterleiten können gehören z.B. spezielle Schrittmacherzellen, Neuronen und Muskelzellen.
  • Aktionspotentiale können über große Entfernungen fortgeleitet werden, indem das Aktionspotential einer Zelle zur Auslösung eines Aktionspotentials in den benachbarten Zelle führt. Durch diese ständige Wiederauffrischung des Signals erfolgt die Übertragung nahezu verlustfrei und unverzerrt.
  • Für die Ausbildung eines Aktionspotentials müssen die betroffenen Zellen in ihrer Zellmembran spannungsabhängige Ionenkanäle aufweisen, die im Ruhezustand geschlossen sind und deren Öffnung zu einer raschen Veränderung der Ionenkonzentration - und damit nachfolgend auch des elektrischen Potentials - im Bereich der Zellmembran führt.
  • Der Reiz zur Öffnung dieser spannungsabhängigen Ionenkanäle besteht wiederum in einer Veränderung des Membranpotentials, z.B. durch ein Übersprechen der Ladung eines Aktionspotentials in einer angrenzenden Zelle oder durch Einstrom bestimmter Ionen infolge der Öffnung von Ionenkanälen infolge chemischer Reize.
  • Steigt das Membranpotential vom Ruhemembranpotential (ca. -50 mV bis -100 mV) über die sogenannte Reizschwelle bei meist ca. -50 mV an, so öffnen sie in einer Alles-oder-Nichts-Reaktion und lösen so das Aktionspotential aus.
    • Aufgrund der Alles-oder-Nichts-Reaktion ist das Aktionspotential unabhängig von der Stärke des auslösenden Reizes. Entweder es wird ein Aktionspotential ausgelöst, oder eben keines. Es gibt aber (normalerweise) keine stärkeren oder schwächeren Aktionspotentiale.
  • Das ausgelöste Aktionspotential kann nun zu bestimmten Antworten in der Zelle selbst führen (z.B. Kontraktion) und/oder in benachbarten Zellen, aufgrund der Änderung des Membranpotentials an der Verbindungsstelle, erneut ein Aktionspotential erregen (Signalweiterleitung).
    • Zwar sind für die Auslösung und die Form des Aktionspotentials vor allen Dingen öffnende einwärtsgerichtete Ionenkanäle für Na+ und/oder Ca2+ verantwortlich, aber auch andere Ionenkanäle sind beteiligt. So schließen sich z.B. einige spannungsabhängige K+-Kanäle im Aktionspotential, die sonst an der die Aufrechterhaltung des Ruhemembranpotentials beteiligt sind.
  • Als Depolarisation bezeichnet man die schnelle Veränderung des normalerweise negativen Membranpotentials hin zu positiven Werten. Den Bereich bis etwa zu einem neutralen Membranpotential bezeichnet man als Aufstrich, die anschließende Phase, in der das Membranpotential sogar positive Werte von +20 mV bis +30 mV erreicht, wird als Overshoot bezeichnet.
  • An den Overshoot schließt sich die Repolarisation an, bei der das Membranpotential wieder auf den negativen Wert des Ruhemembranpotentials absinkt.
  • Ein Absinken des Membranpotentials unter das Ruhemembranpotentials im Anschluss an ein Aktionspotential wird als Nachhyperpolarisation bezeichnet.
  • Die Dauer eines Aktionspotentials schwankt zwischen etwa 1 - 2 ms in Neuronen und einigen hundert Millisekunden in Herzmuskelzellen.
  • Während der Repolarisation befindet sich die Zelle in der sogenannten Refraktärphase. Diese wird in eine absolute und eine relative Refraktärzeit unterteilt:
    • Während der absoluten Refraktärzeit, die in Nervenzellen etwa 0,5 ms dauert, kann die sich repolarisierende Zelle nicht zu einem erneuten Aktionspotential bewegt werden. Dies ist wichtig, da nur so sichergestellt werden kann, dass sich Reize im Körper gerichtet ausbreiten und keine unkontrollierten Rückkopplungen auftreten.
    • Innerhalb der relativen Refraktärzeit, die in Neuronen etwa 3,5 ms dauert, ist die Auslösung eines Aktionspotentials nur auf einen gegenüber dem Normalwert erhöhten äußeren Reiz möglich ("erhöhte Reizschwelle"). Die notwendige Differenz zum Normalwert nimmt während der relativen Refraktärzeit kontinuierlich ab.

Ursachen des Aktionspotentials

Eigenschaften der Ionenkanäle

  • Wie schon im Artikel über das Ruhemembranpotential beschrieben, verfügen Zellen über eine Reihe von Ionenkanälen. Für das Aktionspotential sind vor allem bestimmte für Natrium- bzw. Kalium-Ionen spezifische Ionenkanäle verantwortlich. Diese Kanäle öffnen sich in Abhängigkeit vom Membranpotential, d.h. sie sind spannungsaktiviert. In Ruhe ist das Membranpotential negativ.
  • So ist beispielsweise ein spannungsabhängiger Natriumkanal (Nav-Kanal) (aufgrund seiner Eigenschaft auch als schneller Natriumkanal bezeichnet) beim Ruhemembranpotential geschlossen und aktivierbar. Bei Depolarisation über einen kanalspezifischen Wert erfolgt eine Konformationsänderung, der Kanal wird dadurch durchlässig für Ionen und geht in den Zustand offen über. Der Kanal bleibt aber trotz anhaltender Depolarisation nicht etwa offen, sondern wird innerhalb weniger Millisekunden unabhängig vom Membranpotential wieder verschlossen. Das geschieht meist durch einen im Zytoplasma liegenden Teil des Kanalproteins, die Inaktivierungsdomäne, die sich gleich einem Stöpsel in den Kanal setzt und diesen verstopft. Diesen Zustand bezeichnet man als geschlossen und inaktiviert. Der Übergang in den Zustand geschlossen und aktivierbar ist nur nach einer Hyperpolarisation (oder vollständiger Repolarisation bei Herzmuskelzellen) möglich, der Übergang vom Zustand geschlossen und inaktiviert zum Zustand offen ist im vereinfachten Modell nicht möglich.
  • In der Literatur wird auch beschrieben, dass ein geschlossener und inaktivierter Kanal nach Repolarisierung zunächst kurzzeitig im Zustand offen vorliegt, bevor er durch die Konformationsänderung direkt nach geschlossen aktivierbar übergeht. In jedem Fall erfolgt die Wiederaktivierung nur nach einer Hyperpolarisation (oder vollständiger Repolarisation bei Herzmuskelzellen), ein Übergang inaktiviert nach offen ist bei depolarisierter Membran nicht möglich.
  • Nicht alle Kanäle öffnen sich gleichzeitig bei ein und demselben Wert des Membranpotentials. Vielmehr ist die Wahrscheinlichkeit eines Kanals, in einen bestimmten Zustand überzugehen, spannungsabhängig. Aus der rein statistischen Verteilung stellt sich ein Gleichgewicht ein, so dass eine größere Zahl von Kanälen in der Summe sehr gut das oben geschilderte Modell erfüllt.
  • Auch ist der Zeitaufwand, um von einen Zustand in den anderen überzugehen, kanalspezifisch. Im geschilderten Natriumkanal läuft die Konformationsänderung von geschlossen nach offen in weniger als einer Millisekunde ab, während ein vergleichbarer Kaliumkanal Zeit in der Größenordnung von 10 ms benötigt.
  • Abgesehen von der Spannung gibt es noch eine Reihe weiterer Mechanismen zum Öffnen bzw. Schließen der Kanäle. Für das Aktionspotential sind davon nur noch zwei von gewisser (s.u.) Bedeutung. Zum einen sind die Kalium-einwärts-gleichgerichteten-Kanäle Kir zwar an sich nicht regelbar. Es gibt jedoch niedermolekulare, positiv geladene Stoffe wie das Spermin, die bei ausreichender Depolarisation die Kanalporen verstopfen können (Kanalblock, Porenblock). Ein weiterer Mechanismus betrifft Kaliumkanäle, die öffnen, wenn intrazellulär Calciumionen (normalerweise intrazellulär in sehr niedriger Konzentration) an sie binden.

Ablauf des Aktionspotentials

Ausgangslage

  • In der Ausgangslage befindet sich die Zelle in Ruhe und weist ihr Ruhemembranpotential auf. Die Natriumkanäle sind geschlossen, nur bestimmte Kaliumkanäle sind geöffnet, die Kaliumionen bestimmen das Ruhemembranpotential
  • Bei allen Ionenbewegungen wird Richtung und Stärke durch die elektrochemischen Triebkräfte für die jeweiligen Ionen bestimmt. Vor allem Natriumionen sind bestrebt, schnell in die Zelle zu strömen, wenn sich die Kanäle öffnen sollten.

Initiationsphase

  • Während der Initiationsphase muss durch einen Reiz das Membranpotential bis zum Schwellenwert depolarisiert werden. Das kann durch die Öffnung von postsynaptischen Ionenkanälen (Na+, Ca2+) oder durch ein elektrotonisch weitergeleitetes Aktionspotential aus einer nahen Membranregion geschehen.
  • Ist das Membranpotential um 20 mV über das Ruhepotential angestiegen, tritt der Porenblock der Kir-Kanäle durch Spermin ein, was die nachfolgende sehr schnelle Depolarisation und das Erreichen des Schwellenwerts der Natriumkanäle ermöglicht, die sonst durch ausströmende Kaliumionen, die in Richtung des Ruhepotentials wirken würden, zumindest vermindert würden.

Aufstieg und Overshoot

  • Bei -60 mV fangen die spannungsabhängigen Natriumkanäle NaV an, in den offenen Zustand überzugehen. Natriumionen, deren Konzentration sehr weit von ihrem Gleichgewichtspotential entfernt ist, strömen ein, die Zelle depolarisiert, dadurch werden weitere Kanäle geöffnet, noch mehr Ionen können einströmen: Der schnelle Aufstieg führt zum Overshoot.

Beginn der Repolarisation

  • Noch bevor das Potentialmaximum erreicht ist, beginnen die NaV-Kanäle zu inaktivieren. Zugleich kommen die spannungsabhängigen Kaliumkanäle KV ins Spiel; K+-Ionen strömen aus der Zelle heraus. Sie haben zwar ihre Schwelle bei ähnlichen Werten, brauchen aber wesentlich länger für das Öffnen, womit sie jetzt erst langsam beginnen. Während des Maximums der Na-Leitfähigkeit sind die Kaliumkanäle gerade erst zur Hälfte geöffnet und erreichen ihr Maximum, wenn fast alle Na-Kanäle schon inaktiviert sind. Dadurch liegt das Na-Maximum etwas vor dem Spannungsmaximum, während das K-Maximum in die Phase der steilsten Repolarisation fällt.

Repolarisation

  • Während der Repolarisation nähert sich das Potential wieder dem Ruhepotential an. Die KV schließen, der Porenblock der Kir wird aufgehoben, was wichtig für die Stabilisierung des Ruhepotential ist. Die NaV-Kanäle werden langsam wieder aktiviert.

Nachhyperpolarisation

  • In vielen Zellen (vor allem Neuronen) ist noch eine Nachhyperpolarisation zu beobachten. Sie erklärt sich durch eine auch weiterhin noch erhöhte Kaliumleitfähigkeit, wodurch das Potential noch näher am Kaliumgleichgewichtspotenzial liegt. Die Leitfähigkeit ist höher, weil während des Aktionspotentials eingeströmte Calciumionen entsprechende Kaliumkanäle öffnen, und normalisiert sich erst, wenn der Calciumspiegel wieder absinkt. 
  • Auch eine erhöhte Pumprate der Natrium-Kalium-ATPase kann einen Beitrag zur Nachhyperpolarisation leisten.

Refraktärzeit

  • Nach dem Abklingen des Aktionspotentials ist das Axon für eine kurze Zeit nicht mehr erregbar. Bei den Arbeitsmyokardzellen des Herzens ist diese Phase - dort auch "Plateauphase" genannt - besonders lang, was auf den sog. "langsamen Calcium-Einstrom" zurückgeführt wird (dieser Umstand ist wichtig, um ein "Zurücklaufen" der Erregung zu verhindern (Unidirektionalität)). Diese Dauer, die Refraktärzeit, ist bestimmt durch die Zeit, die die NaV zur Wiederaktivierung benötigen. 
  • Während der absoluten Refraktärphase kurz nach dem Aktionspotential, wenn die Repolarisation noch im Gange ist, können diese Kanäle überhaupt nicht wieder öffnen. Man sagt auch, der Schwellenwert liegt bei Unendlich. Während der relativen Refraktärphase benötigt man stärkere Reize und erhält schwächere Aktionspotentiale. Hier bewegt sich der Schwellenwert von Unendlich wieder auf seinen normalen Wert zu.

Feuern

  • Das Auslösen eines Aktionspotentials wird mit Feuern anschaulich beschrieben. Erreicht ein Aktionspotential die Synapse, werden Transmitter "explosionsartig" in den synaptischen Spalt abgegeben. Je mehr Aktionspotentiale hintereinander die Synapse erreichen, desto mehr Transmitterstoffe werden ausgeschüttet. Die Aussage "Neurone feuern" wird sowohl populärwissenschaftlich als auch in wissenschaftlichen Beiträgen benutzt.

Schwellenpotential

  • Meist wird für die Auslösung eines Aktionspotentials das Überschreiten eines bestimmten Schwellenpotentials verantwortlich gemacht, ab dem die Natriumkanäle nach Art eines internen Vergleiches lawinenartig aktiviert werden. Trotz aller Bemühungen eine solche Feuerschwelle zu finden, kann kein fester Spannungswert angegeben werden, der ein Aktionspotential bedingt. Stattdessen feuern Neurone unter einem relativen breiten Band von auslösenden Membranspannungen. Daher ist die Neurowissenschaft von der Vorstellung eines festen Schwellenpotentials abgekommen. Systemtheoretisch lässt sich die Entstehung des Aktionspotentials am ehesten durch eine Bifurkation zwischen passiver und Aktionspotentialdynamik, wie es beispielsweise beim Hodgkin-Huxley-Modell der Fall ist, beschreiben. Trotzdem ist es, auch in der Fachliteratur, durchaus üblich, weiterhin von einer Feuerschwelle zu sprechen, um den grauen Bereich zwischen Ruhe und Aktionspotential zu kennzeichnen.

Besondere Aktionspotentiale

  • Außer durch spannungsaktivierte Natriumkanäle können Aktionspotentiale auch durch spannungsaktivierte Calciumkanäle ausgelöst werden (z.B. im Herzmuskel oder in Purkinjezellen).
  • Auch manche Pflanzenzellen sind zur Ausbildung von Aktionspotentialen fähig, beispielsweise bei der Pflanzenbewegung.
 

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