Arzneiformen mit modifizierter Wirkstofffreisetzung

Synonym

  • Drug delivery systems with controlled release [engl.], Drug delivery systems with modified release [engl.]

Definition

  • Übergeordnete Bezeichnung für alle Arten von Arzneiformen, bei denen die Wirkstofffreisetzung durch bestimmte Maßnahmen von der einer "normalen", schnell freisetzenden Einzeldosis abweicht.

Bemerkungen

  • In Abhängigkeit von der Art der Wirkstofffreigabe unterscheidet man:
    • Delayed-release Typ (verzögerte Wirkstofffreigabe)
      • Kein echtes Depotpräparat, da der Wirkstoff erst längere Zeit nach der Applikation freigegeben wird und dann auch keine Verlängerung der Freisetzung, gegenüber normalen Präparaten, stattfindet.
      • Diesen Freigabetyp findet man bei magensaftresistenten, dünndarmlöslichen Präparaten.
    • Prolonged-release Typ (protrahierte Wirkstofffreigabe, prolonged-action, extended-action, controlled-release, slow-release, time-release, programmed-release)
      • Durch eine Initialdosis wird der gewünschte pharmakodynamische Effekt erzielt.
      • Durch weitere kontinuierliche Wirkstofffreigabe, deren Geschwindigkeit jedoch laufend abnimmt, kommt es zu einer Wirkungsverlängerung
    • Pulsatile-release Typ (rhythmische Wirkstofffreigabe)
      • Die Wirkstofffreisetzung erfolgt in mehreren Phasen mit jeweils unterschiedlichen Freisetzungscharakteristiken.
    • Repeated-release Typ (gestaffelte Wirkstofffreigabe, repeated action, layered-time-action)
      • Nach Freisetzung einer Initialdosis wird nach einer bestimmten Zeit eine weitere Einzeldosis frei, der zur gegebenen Zeit noch weitere folgen können.
    • Sustained-release Typ (hinhaltende Wirkstofffreigabe, sustained action)
      • Durch eine Initialdosis wird eine pharmakologisch optimale Konzentration eingestellt, die für eine gewisse Zeit über die Wirkung einer Einzeldosis hinaus durch regelmäßige und gleichmäßige Freigabe des Wirkstoffes in idealer Weise aufrechterhalten wird.
      • Der Sustained-release-Typ ist der Idealtyp einer Depotzubereitung.

Kriterien zur initialen Bewertung der Machbarkeit und Sinnhaftigkeit der Entwicklung einer Formulierung mit modifizierter Wirkstofffreisetzung

Parameter Bereich Bemerkungen
Physikalisch-chemische Faktoren
Einzeldosis < 1 mg Erhöhte Schwierigkeit durch erhöhte Anforderungen hinsichtlich der Dosierungsgenauigkeit 
10 - 250 mg Normalerweise keine Probleme
> 250 mg Evtl. Schwierigkeiten die gesamte Einzeldosis in eine einzelne Kapsel, Tablette o.ä. zu bringen
Erforderliches Volumen zur Auflösung einer Einzeldosis unter physiologischen pH-Werten  < 1 ml Normalerweise sehr unproblematisch
1 - 100 ml Normalerweise unproblematisch
100 - 1000 ml Formulierung wahrscheinlich schwierig
1000 - 10000 ml Formulierung wahrscheinlich nur unter Zuhilfenahme von Maßnahmen zur Verbesserung der Löslichkeit machbar
> 10000 ml Formulierung extrem schwierig bis unmöglich
Stabilität des Arzneistoffs Stabil als Feststoff und in Lösung sowie in Kontakt mit den üblichen Hilfsstoffen Normalerweise keine Probleme
Nicht stabil  Vom Ausmaß der Instabilität abhängige, erhöhte Schwierigkeit
Pharmakologische Faktoren
Absorptionsmechanismus Passive Diffusion IVIVC häufig möglich
Aktive Transportprozesse IVIVC schwierig
Absorptionsfenster Keine vorhanden Normalerweise keine Probleme
Vorhanden Formulierung sehr schwierig bzw. mit "konventionellen" Arzneiformen unmöglich
Absorption aus dem Kolon Schlecht Eine Verlängerung der Wirkstofffreisetzung wird in vivo wahrscheinlich nicht erfolgreich sein
Mittel Eine Verlängerung der Wirkstofffreisetzung wird in vivo u.U. nicht erfolgreich sein
Gut Eine Verlängerung der Wirkstofffreisetzung wird wahrscheinlich auch zu einer verlängerten Wirkung führen
Eliminationshalbwertszeit (und Wirkdauer) < 2 h Für eine "Einmal-täglich"-Formulierung normalerweise zu kurze HWZ
2 - 10 h Formulierungen zur einmal täglichen Einnahme normalerweise möglich
> 10 h Spezielle Formulierungen zur einmal täglichen Einnahme häufig gar nicht nötig
Metabolisierung Ausgeprägte präsystemische Elimination Verminderte relative Bioverfügbarkeit im Vergleich zur schnell freisetzenden Formulierung zu erwarten
Interaktionen mit p-Glykoprotein und Cytochrom-P450-Enzymen (insbesondere CYP3A4) Erhöhte Schwierigkeit der Vorhersage der in vivo Performance der Formulierung

 

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