Arzneiformen mit verzögerter Wirkstofffreisetzung
Synonyme
- Delayed Release (Drug Delivery) Systems [engl.], Lag Time (Drug Delivery)
Systems [engl.]
Definition
- Bezeichnung für Drug Delivery Systeme, die ihre Wirkstoffe erst nach
einer bestimmten Zeit freisetzen.
Bemerkungen
- Die Bezeichnung "Delayed Release System" gibt keine Aussage
darüber, wie die Arzneistofffreisetzung nach der initialen Verzögerung
vonstatten geht.
- "Delayed Release Systeme" sind somit nicht automatisch
Arzneiformen mit retardierter Wirkstofffreisetzung.
- Arzneiformen mit verzögerter Wirkstofffreisetzung werden im Rahmen des
Drug Targeting (z.B. lokale Arzneistoffapplikation im Kolon bei Morbus Crohn)
eingesetzt oder sie dienen dazu Wirkstoffe z.B. vor dem aggressiven Milieu
des Magens zu schützen (vgl. magensaftresistente Tabletten). Auch im
Hinblick auf chronopharmakologische Aspekte können Arzneiformen mit
verzögerter Wirkstofffreisetzung verwendet werden.
- Wichtigste technologische Hilfsmittel für das Erreichen und die Steuerung
einer verzögerten Wirkstofffreisetzung sind Überzüge (Coatings), die um
die eigentliche Arzneiform (z.B. Tablette) aufgebracht werden (vgl.
Filmtabletten).
- Bei der Entwicklung systemisch wirkender, oral applizierter Arzneiformen
mit verzögerter Wirkstofffreisetzung ist u.a. zu beachten, dass die
Arzneiform den Wirkstoff in einem Bereich des Gastrointestinalsystems
freisetzen muss, aus dem dieser auch resorbiert werden kann.
- Wird der Arzneistoff vor diesem sogenannten Resorptionsfenster
freigesetzt, so wird er möglicherweise bereits vor der Resorption
teilweise inaktiviert. Erfolgt die Freisetzung hinter dem
Resorptionsfenster ist die Arzneiform schlichtweg unwirksam.
- Die maximal erreichbaren Verzögerungen sind somit unmittelbar von den
pharmakologischen Eigenschaften des Arzneistoffs (z.B. Ausmaß,
Geschwindigkeit und Ort der Resorption)
sowie den physiologischen Bedingungen des Patienten abhängig.
- Die Zeit für eine Passage durch den Gastrointestinaltrakt schwankt
schon beim Gesunden interindividuell zwischen etwa 12 und 48 h. Bei
Erkrankungen (z.B. Diarrhoe)
oder nach Aufnahme bestimmter Nahrungsmittel kann sie jedoch auch
intraindividuell noch kürzer oder länger sein.
- Die größte Variabilität besteht beim Gesunden hinsichtlich der Zeit
für die Magenpassage.
- Bei nüchternen Probanden fand man für die Magenpassage einer
(monolithischen) Tablette eine Zeit von 0,8 h - bei einer
Standardabweichung von 0,6 h!
- Nach fettreichem Essen waren Verweilzeiten der Tablette von bis zu
10 h nachzuweisen.
- Durch den Einsatz von Pellets mit Durchmessern unter 1,5 mm
statt einer großen Einzeltablette, kann die Zeit der
Magenpassage für oral applizierte Arzneiformen weitestgehend
unabhängig von der Nahrungsaufnahme gestaltet werden.
- Die Passagezeit für den Dünndarm ist weit weniger stark
interindividuell unterschiedlich. Sie beträgt etwa 3 - 4 h, bei einer
Standardabweichung von 1 h.
- Die Passage- bzw. Verweilzeiten im Kolon variieren nun wieder deutlich
stärker. Hier sind Werte von wenigen Stunden bis hin zu einigen Tagen
möglich.
- Aufgrund der sich daraus ergebenden Schwierigkeiten bezüglich einer
zeitlich gesteuerten Wirkstofffreisetzung, wird meist eine ortsgesteuerte
Freisetzung verwendet.
- Diese baut auf unterschiedlichen physiologischen Bedingungen in
unterschiedlichen Bereichen des Gastrointestinaltraktes auf.
- In den meisten Fällen dient der pH-Wert, der sich in den verschiedenen
Bereichen des GIT charakteristisch ändert, als Steuermechanismus.
Enzymatische oder mikrobielle Mechanismen sind jedoch ebenfalls möglich.
Beispiele
|