Gele

Synonym

  • Mucilagines

Übersicht


Technologie

Definition

  • Gele sind durch einen Gerüstbildner verfestigte Flüssigkeiten.

Bemerkungen

  • Nahezu alle Salben enthalten neben Flüssigkeiten auch feste Gerüstbildner, die dort als wichtige Konsistenzgeber auftreten. Daher wurden Salben z.T. auch als "plastische Gele" bezeichnet. Dass das Arzneibuch dennoch die Gele als spezielle Gruppe der Salben ausweist, ist insofern berechtigt, als die dort aufgeführten Gele, dem landläufigen Verständnis des Wortes "Gel" eindeutiger entsprechen.
  • Im Folgenden wird hier auf die physikalisch-chemischen Eigenschaften von Gelen allgemein eingegangen und die Arzneibuchtypisierung zunächst nicht weiter beachtet.

Aufbau & Eigenschaften

  • Physikalisch betrachtet sind Gele feindisperse Systeme aus mindestens zwei Phasen. Durch den Gelbildner wird dabei die feste Phase gebildet.
    • Systeme, bei denen in dieses Gelgerüst nun eine Flüssigkeit eingelagert ist, werden als Lyogele bezeichnet.
    • Ist die ins Gelgerüst eingelagerte Phase gasförmig, so spricht man von einem Xerogel.
  • Charakteristisch für Gele ist, dass sich beide enthaltenen Phasen vollkommen durchdringen. Man spricht daher auch von bikohärenten Systemen. In diesen Systemen gibt es ein vollkommen zusammenhängendes dreidimensionales Gerüst (Textur, Matrix) bestehend aus dem Gelbildner, in das die ebenfalls komplett zusammenhängende andere Phase eingelagert ist.
    • Damit unterscheiden sich Gele von anderen Systemen wie z.B. Suspensionen, bei denen nur die äußere Phase kohärent ist, während die innere dispergiert vorliegt. Auch die aus Nebenvalenzgelen z.B. beim Erwärmen oder beim unbegrenzten Quellen entstehenden kolloiden Lösungen, die sogenannten Sole, sind disperse Systeme.
  • Gele verhalten sich strukturviskos und zeigen meist thixotropes Fließverhalten.
  • Für den physikalisch-chemischen Aufbau des Gerüstes sind unterschiedliche Verknüpfungskräfte verantwortlich, nach denen sich Gele in Hauptvalenzgele und Nebenvalenzgele aufteilen lassen.

Hauptvalenzgele

  • Hauptvalenzgele sind die stabilsten Gelstrukturen. 
  • Die Verbindungen zwischen den Einzelmolekülen des Gelgerüsts erfolgt durch kovalente Bindungen, so dass große Teile des Gelgerüsts eigentlich ein einzelnes Molekül darstellen. 
  • Aufgrund der kovalenten Bindungen zwischen den Molekülen des Gelgerüsts können Hauptvalenzgele nicht in einen wirklichen Sol-Zustand überführt werden.
  • Beispiele für Hauptvalenzgele sind z.B. Elastomere wie Kautschuk oder auch manche Kieselsäuregele.
  • Pharmazeutisch spielen Hauptvalenzgele für "Gele" als Arzneiformen keine praktische Rolle.
  • Hauptvalenzgele werden meist durch Quervernetzung von Polymeren gewonnen, wobei diese Quervernetzung entweder kovalent oder ionisch erfolgen kann.
Chemisch quervernetzte Gele
  • Da die meisten als Gelbildner eingesetzten Stoffe freie Hydroxylgruppen besitzen, werden diese gerne als Bindungsstelle für die als Quervernetzer ("Cross-linker") eingesetzten Substanzen verwendet. Entsprechend sind die meisten Cross-Linker Moleküle mit mindestens zwei funktionellen Gruppen, die mit OH-Gruppen reagieren können.
  • Das Ausmaß der Quervernetzung in einem Gel lässt sich durch den Quervernetzungsgrad ("Cross-linking ratio") angeben. Dieser ist definiert als das Verhältnis zwischen der eingesetzten Menge Cross-Linker (in Mol) und der Menge der quervernetzbaren Polymeruntereinheiten (in Mol).
  • Das im Mittel zwischen zwei Quervernetzungsstellen auftretende Molekülgewicht lässt sich - unter der Annahme, dass eine vollständige Reaktion stattgefunden hat - bei difunktionellen Cross-Linkern berechnen als:

Mcc : Mittlere Molekülmasse zwischen zwei Cross-Linking-Stellen
Mr : Molekülmasse der relevanten Monomere des zu verenetzenden Polymers
X : Quervernetzungsgrad
  • Eine weitere Annahme der eben präsentierten Gleichung ist, dass die Quervernetzung an allen möglichen Quervernetzungsstellen mit identischer Wahrscheinlichkeit erfolgt.
  • Unter diesen Annahmen muss ein höherer Anteil an Cross-Linker zu einem stärker vernetzten Gel mit kürzeren Abständen zwischen den Quervernetzungspositionen führen. Dies hat wiederum normalerweise eine festere Gelstruktur und ein schwächeres Quellungsvermögen zur Folge.
  • In der Praxis ist zu beachten, dass es nicht nur zu Reaktionen zwischen verschiedenen Polymerketten kommen muss, sondern auch Reaktionen innerhalb einer Kette auftreten können.
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Nebenvalenzgele

  • Nebenvalenzgele werden durch intermolekulare Bindungskräfte zusammengehalten. Praktisch alle pharmazeutisch interessanten "Gele" gehören in diese Gruppe.
  • Anhand ihrer Bestandteile unterscheidet man pharmazeutisch häufig folgende Untertypen:
    • Hydrogele (Salben aus Cellulosederivaten, Stärken, synthetischen Quellstoffen, Bentonit, hochdispersem Siliciumdioxid usw.)
    • Organogele (Kohlenwasserstoffgele, z.B. Vaseline)
    • Lipogele (natürliche Fette)
    • Emulsionsgele (emulgatorhaltig)
    • Polyethylenglykolgele.
  • Die zur Gelbildung benötigte Konzentration an fester Phase ist u.a. von deren Struktur abhängig: Aus Stoffen mit fadenförmigen Molekülen lassen sich bereits in geringerer Konzentration Gele herstellen als mit solchen aus symmetrisch geformten Feststoffpartikeln.
  • Nicht nur die Mindestgelbildungskonzentration, sondern auch der innere Aufbau verschiedener Nebenvalenzgele ist abhängig von der Struktur der verwendeten Gelbildner:
    • Makromolekulare Gelbildner mit langgestreckten, fadenförmigen Molekülen bilden Linearkolloidgerüste
    • Plättchenförmige Partikel, z.B. von Bentonit, bilden Laminarkolloidgerüste
    • Kugelförmige Teilchen, z.B. hochdisperses Siliciumdioxid, bilden Sphärokolloidgerüste.
  • Die genauen Eigenschaften der Nebenvalenzgele, ihre - reversible oder irreversible - Umwandlung in Sole (Peptisation) und umgekehrt (Koagulation), sind von der Konzentration, der Teilchengröße und Teilchenform der festen Phase, der Temperatur, den Wechselwirkungskräften und der Art des Dispersionsmittels abhängig.
  • Meist wird nur ein kleiner Teil des Dispersionsmittels unmittelbar an den Feststoff angelagert (Lyosorption, Solvatation). Die größere, aufgrund von mechanischen oder thermischen Einflüssen oder selbsttätig durch Verdichtung des Gelgerüsts durch Reifung (Synärese) zu einem geringen Teil abtrennbare Flüssigkeitsmenge wird durch mechanischen Einschluss und Kapillarwirkung im Gelgerüst festgehalten.
  • Die meisten Gele besitzen eine Fließgrenze und weisen darüber ein plastisches Fließverhalten auf. Sie können z.B. als Bestandteile von Cremes und Salben eingesetzt werden. 
  • Besonders formstabile Gele mit ausgeprägter Elastizität, aufgebaut aus organischen Makromolekülen, bezeichnet man als Gallerten (z.B. Gelatine). Solche formstabilen Gele eignen sich normalerweise nicht für halbfeste Arzneiformen wie Cremes oder Salben.
  • Der Begriff Magma findet sich in der pharmazeutischen Literatur z.T. für Gele, bei denen der Gerüstbildner aus anorganischen Substanzen, z.B. Bentonit oder Aluminiumhydroxid gebildet wird.
  • Gele können auf Zugabe eines geeigneten Dispersionsmittels (meist Wasser) deutlich unterschiedliche Quellungsverhalten zeigen:
    • So gibt es Xerogele, die kaum quellen (z.B. Silicagel), andere die eine begrenzte Volumenzunahme zeigen (z.B. Stärke) und schließlich solche, die unbegrenzt quellen und dabei letztlich vom halbfesten Gel isotherm ins flüssige Sol übergehen (z.B. Methylcellulose).

Herstellung

  • Gele, deren Gerüstbildner in einem geeigneten Dispersionsmittel unbegrenzt quellen, können durch Ausnutzung des thermoreversiblen Sol-Gel-Übergangs der Nebenvalenzgele hergestellt werden. 
    • Der Gerüstbildner wird zunächst in geeigneter Konzentration in der Wärme kolloidal im Dispersionsmittel gelöst (Sol-Zustand). Dieses Sol wird nun langsam abgekühlt, wobei sich das Sol zum Gel umwandelt und erstarrt.
  • Kohlenwasserstoffgele und Polyethylenglykolgele erhält man meist durch gemeinsames Schmelzen der festen und flüssigen Phase und abschließendes Abkühlen.
  • Für viele Typen von Gelen muss die flüssige Phase jedoch nach und nach in den Gerüstbildner eingearbeitet werden.
  • Xerogele kann man aus Lyogelen durch Entfernen der mechanisch festgehaltenen flüssigen Phase herstellen.

Typen


Analytik

Prüfungen

  • Viskosität
  • Geliervermögen (evtl. Gallertfestigkeit)
  • Glasübergangstemperatur
    • Bei quervernetzten Gelen nimmt die Glasübergangstemperatur mit zunehmendem Vernetzungsgrad zu.
    • Eine Abschätzung des Quervernetzungsgrades ermöglicht folgende Gleichung:

Tg : Glasübergangstemperatur des quervernetzten Polymers [°C]
Tg' : Glasübergangstemperatur des nicht quervernetzten Polymers  [°C]
Xcc : Anteil quervernetzter Untereinheiten des Polymers [%]

 

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