Organophosphate
Synonym
Alkylphosphate, Phosphorsäureester / Thiophosphorsäureester
Übersicht
Pharmakologie
Pharmakologie
Wirkmechanismus
- Die Giftigkeit der Substanzen beruht auf einer Hemmung der
Acetylcholinesterase durch Phosphorylierung der Aminosäure Serin im
esteratischen Zentrum des Enzyms. Die Nukleophilie der OH-Gruppe des Serins
wird dort durch ein in der Nähe befindliches anionisches Zentrum (einen
Tryptophan-Rest) verstärkt.
- Die gleichzeitige Blockade der Pseudocholinesterase ist für das
Krankheitsbild selbst ohne Bedeutung, jedoch diagnostisch wertvoll, da damit
indirekt eine Hemmung der echten Cholinesterase nachweisbar ist. So liegt
bei einer schweren Vergiftung die Aktivität der Cholinesterase im Serum
unter 10 % des Normalwertes.
Intoxikation
Symptome
Aufgrund muscarinischer Wirkungen
Aufgrund nicotinischer Wirkungen
- Muskelschwäche und fibrilläre
Zuckungen
Aufgrund zentralnervöser Wirkungen
- Angstgefühl, Kopfschmerzen
- Krämpfe,
Atemlähmung
- Leber- und Nierenschäden
Allgemeines
- Die Symptome sind auf die steigende Konzentration von Acetylcholin an
ihren Erfolgsorganen zurückzuführen.
- Organe mit muscarinischen Rezeptoren reagieren empfindlicher auf diese
Konzentrationserhöhung, als solche mit nicotinischen. Daher sind die
Symptome, die mit den muscarinischen Rezeptoren in Verbindung stehen
zuerst bei
einer Intoxikation zu beobachten.
- Der Tod tritt bei entsprechender Dosierung schließlich infolge einer Atemlähmung oder durch Lungenödem ein.
Therapie
Sofortmaßnahmen
- Resorptionsverhindernde Maßnahmen
- Symptomatische Therapie
- NOTARZT
- Vorbereitung und Gabe von Atropin
- 5 - 50 mg Atropin i.v. bis zur
Normalisierung der vegetativen Funktionen
Erweiterte Therapie
- Gabe von Atropin
- Die Atropingabe ist bis zur Giftelimination zu wiederholen, da die
Atropinwirkung nur relativ kurz anhält, die Serin-Phosphorsäureester aber
nur langsam gespalten werden. Zudem können die Alkylphosphate -
möglicherweise durch Speicherung im Fettgewebe - sehr lange im Organismus
verweilen.
- Einsatz von Acetylcholinesterase-Reaktivatoren, z.B. Obidoxim oder
Pralidoxim
- Die Anwendung muss intravenös und sehr langsam und vorsichtig erfolgen, da überhöhte Dosen ihrerseits eine Hemmwirkung auf
die Acetylcholinesterase bewirken und außerdem das Auftreten von Kammerflattern und
Kammerflimmern begünstigen können.
- Grundsätzlich dürfen Cholinesterase-Reaktivatoren, im Gegensatz zu den
bei Bedarf gefahrlos zu wiederholenden Atropingaben, nicht nach
Wirkung dosiert
werden! Es sind streng nur die Normdosierungen anzuwenden!
- Obidoxim: 250 mg, 1 -
2malige Wiederholung im Abstand von 2 h
- Pralidoxim: 500 mg in 25 ml
physiologischer Kochsalzlösung, Wiederholung bis zur Gesamtmenge von 2 - 3
g in 24 h
Spätfolgen einer Intoxikation
- Bei einem Teil der Organophosphate, z.B. bei Dichlorvos, nicht jedoch bei
Nitrostigmin, kann es mit einer Latenz von einer bis mehreren Wochen nach
einer akuten Vergiftung zu einer Polyneuropathie kommen.
- Diese kommt durch Phosphorylierung und anschließende "Alterung"
einer Nervengewebs-Esterase (Neuropathy Target Esterase, NTE) zustande.
- Die Polyneuropathie beginnt häufig mit Parästhesien an den unteren
Extremitäten, gefolgt von einer aufsteigenden, primär schlaffen, dann
spastischen motorischen Störung, von der auch die oberen Extremitäten
erfasst werden.
- Die Rückbildung der Symptome erfolgt nur sehr langsam und vielfach
unvollständig.
- Eine spezifische Therapie existiert nicht.
Bemerkungen
Allgemeines
- Die Toxizität der Substanzen ist sehr hoch, so beträgt die LD50
für Soman nur etwa 0,14 mg/kg.
- Bei
Erwachsenen kann die Aufnahme von 100 - 200 mg Parathion zum Tod führen,
bei Kindern liegt die tödliche Dosis wesentlich niedriger.#
Reaktivierung der Acetylcholinesterase
- Durch die angesprochenen Acetylcholinesterase-Reaktivatoren, z.B. Obidoxim oder
Pralidoxim, kann die gehemmte Acetylcholinesterase z.T. wieder
funktionstüchtig gemacht werden.
- Die Reaktivierbarkeit des vergifteten Enzyms hängt nicht nur vom
jeweiligen Organophosphat, sondern auch von der Zeit ab, die bis zur Gabe
des Reaktivators verstrichen ist.
- Der Zeitfaktor ist durch die sogenannte Alterung des vergifteten
Enzyms bedingt. Der Alterungsprozess beruht auf der Spaltung einer der
Estergruppen, wodurch eine stabilere
Monoalkoxy-phosphoryl-acetylcholinesterase gebildet wird.
- Die Chance eines antagonistischen Effekts durch Anwendung von
Acetylcholinesterase-Reaktivatoren ist somit um so geringer, je länger
die Latenz zwischen Giftaufnahme und Behandlung ist.
- Als Wirkmechanismus der Reaktivierung wird folgender Mechanismus
diskutiert:
- Durch Bindung des quartären Stickstoffatoms des Reaktivators an das
anionische Zentrum der Cholinesterase - bestehend aus der
elektronenreichen aromatischen Aminosäure Tryptophan - gelangt die
reaktivierende Gruppe in eine günstige Position zum blockierten
esteratischen Zentrum.
- Nun erfolgt ein nukleophiler Angriff des Oxim-Anions am positivierten
Phosphoratom, das mit Serin über eine schwer verseifbare Esterbindung
verknüpft ist.
- Unter Bildung eines Oximphosphats wird diese Esterbindung gelöst.
- Damit ist das Enzym reaktiviert und eine Entgiftung erreicht.
- De Übertragung des Phosphorylrestes auf die Oximgruppe des
Reaktivators erfolgt zunächst nicht vollständig, sondern nur bis
zum erreichen eines Gleichgewichtszustands. Erst durch nachfolgende Verseifung des
entstandenen Oximphosphats wird dieses Gleichgewicht so verschoben, dass
eine weitgehende Reaktivierung eintritt.
Technologie
Typ
Bemerkungen
-
Die organischen
Phosphorsäure- bzw. Thiophosphorsäureester stellen eine Gruppe
hochwirksamer Fraß- und Kontaktinsektizide dar.
- Bei den Thiophosphorsäureestern wird Schwefel im Organismus durch Sauerstoff ersetzt.
Dabei handelt es sich um eine typische Giftungsreaktion: Erst durch
diesen Ersatz des Schwefels durch Sauerstoff wird die Substanz giftig.
- Trotz ihrer für den Menschen hohen Toxizität sind die Substanzen
weltweit als Insektizide verbreitet.
- Einige Verbindungen, die dieser Substanzgruppe zuzurechnen sind,
wurden auch direkt als chemische
Kampfstoffe ("Nervengase") entwickelt, z.B. Sarin, Soman und Tabun.
Beispiele
Substanzen
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