"Atypische Neuroleptika"
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Medizin
Typ
Indikationen
Definition
  - Derzeit gibt es noch keine einheitliche Definition für den Begriff
    "atypisches Neuroleptikum". Es konkurrieren vielmehr folgende
    Definitionen:
    
      - "Atypische Neuroleptika" grenzen sich von den klassischen
        "typischen Neuroleptika" dadurch ab, dass das Auftreten von
        extrapyramidal-motorischen Störungen als unerwünschte
        Arzneimittelwirkung deutlich geringer ausgeprägt bzw. seltener ist.
 
      - "Atypische Neuroleptika" sind solche Arzneistoffe, die ein
    gegenüber den älteren "typischen Neuroleptika" derart
    verändertes Wirkspektrum aufweisen, dass sie deutlich besser gegen die
    Negativ-Symptomatik der Schizophrenie wirken.
 
      - "Atypische Neuroleptika" sind neuroleptisch wirksame
        Arzneistoffe, die im Vergleich zu den "typischen Neuroleptika"
        eine deutlich stärkere antagonistische Wirkung an 5-HT2- bzw.
        5-HT2A-Rezeptoren aufweisen.
 
      - "Atypische Neuroleptika" sind Arzneistoffe mit gegenüber
        "typischen Neuroleptika" veränderten Wirkungs- und/oder
        Nebenwirkungsprofilen, die verschiedenen chemischen Substanzklassen
        zugeordnet werden können, aber nicht zu den Butyrophenonen,
        Diphenylbutylpiperidinen, Phenothiazinen
        oder Thioxanthenen
        gehören.
 
     
   
 
Bemerkungen
  - Alle genannten Definitionen sind unbefriedigend:
    
      - Zur ersten Definition ist kritisch anzumerken, dass bis heute keine
        verbindlichen Grenzwerte für die Häufigkeit und Schwere des Auftretens
        extrapyramidal-motorischer Störungen existieren, die Schwelle, ab wann
        ein Neuroleptikum demnach also "typisch" und bis wann noch
        "atypisch" ist, also fast willkürlich gesetzt werden kann.
        Als Mindestanforderung wird häufig das völlige Fehlen von
        extrapyramidalen Nebenwirkungen und Dyskinesien bei bereis antipsychotisch wirksamen Dosierungen
        angesehen, doch nicht alle Substanzen die als "atypisch"
        klassifiziert werden erreichen dies auch. So gibt es Studien, in denen
        sich Risperidon und
        Flupentixol diesbezüglich weitestgehend gleich verhielten. 
 
      - Die Definition über die Wirkung auf die Minus-Symptomatik ist
        angesichts der Schwierigkeiten bei der Quantifizierung und Beurteilung
        der Symptome problematisch. So ist es häufig schwer zu sagen, ob ein
        Patient nun aufgrund seiner Erkrankung ängstlich und zurückgezogen
        ist, oder weil er durch das Krankenhausumfeld eingeschüchtert ist...
 
      - Die Definition anhand des Rezeptorbindungsprofils krankt daran, dass
        einerseits auch einige als "typische Neuroleptika"
        eingeordnete Substanzen eine ausgeprägte antagonistische Wirkung an
        5-HT2-Rezeptoren zeigen, sowie dass andererseits z.B. das
        "atypische Neuroleptikum" Aripiprazol
        als Dopamin-Partialagonist nicht in diese Definition fallen würde.
 
      - Der Ausschluss bestimmter Substanzgruppen schließlich, mag aktuell
        richtig sein, allerdings ist nicht auszuschließen, dass - sofern neue
        Substanzen in den genannten Klassen entwickelt würden (wonach es
        derzeit nicht aussieht) - auch "atypische" Vertreter in diesen
        Gruppen auftauchen. Darüber hinaus sind Definition per Ausschluss
        selten gut als Definitionen geeignet.
        
          - Wenn eine Banane laut Definition kein Apfel und keine Birne sei,
            wäre eine Kirsche dann eine Banane?
 
         
       
     
   
  - Der Begriff "atypisches Neuroleptikum" eignet sich
    dementsprechend mangels tatsächlicher Aussagekraft nicht zur Charakterisierung eines Arzneistoffs.
    Da der Begriff in der Praxis jedoch positiv besetzt ist, wird er in der Psychiatrie und durch
    die Marketingabteilungen der Arzneimittelhersteller dennoch sehr häufig verwendet.
 
  - Neuere Studien und die kritische Betrachtung älterer Ergebnisse lassen
    zudem die Frage aufkommen, ob eine - wie auch immer definierte - Atypizität überhaupt ein relevantes Charakteristikum
    für einen Arzneistoff oder ein therapeutisch einsetzbares Kriterium für die Auswahl eines
    Neuroleptikums darstellt. So scheinen in der Therapie kaum Vorteile durch
    den Einsatz bestimmter "atypischer" Substanzen gegenüber
    "typischen" Neuroleptika aufzutreten. Es scheint einmal mehr zu
    gelten, dass eine sinnvolle Therapie individuell an den Patienten anzupassen
    ist - egal ob mit "atypischen" oder "typischen"
    Arzneistoffen.
 
 
 
Beispiele
Substanzen
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