"Atypische Neuroleptika"

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Definition

  • Derzeit gibt es noch keine einheitliche Definition für den Begriff "atypisches Neuroleptikum". Es konkurrieren vielmehr folgende Definitionen:
    1. "Atypische Neuroleptika" grenzen sich von den klassischen "typischen Neuroleptika" dadurch ab, dass das Auftreten von extrapyramidal-motorischen Störungen als unerwünschte Arzneimittelwirkung deutlich geringer ausgeprägt bzw. seltener ist.
    2. "Atypische Neuroleptika" sind solche Arzneistoffe, die ein gegenüber den älteren "typischen Neuroleptika" derart verändertes Wirkspektrum aufweisen, dass sie deutlich besser gegen die Negativ-Symptomatik der Schizophrenie wirken.
    3. "Atypische Neuroleptika" sind neuroleptisch wirksame Arzneistoffe, die im Vergleich zu den "typischen Neuroleptika" eine deutlich stärkere antagonistische Wirkung an 5-HT2- bzw. 5-HT2A-Rezeptoren aufweisen.
    4. "Atypische Neuroleptika" sind Arzneistoffe mit gegenüber "typischen Neuroleptika" veränderten Wirkungs- und/oder Nebenwirkungsprofilen, die verschiedenen chemischen Substanzklassen zugeordnet werden können, aber nicht zu den Butyrophenonen, Diphenylbutylpiperidinen, Phenothiazinen oder Thioxanthenen gehören.

Bemerkungen

  • Alle genannten Definitionen sind unbefriedigend:
    1. Zur ersten Definition ist kritisch anzumerken, dass bis heute keine verbindlichen Grenzwerte für die Häufigkeit und Schwere des Auftretens extrapyramidal-motorischer Störungen existieren, die Schwelle, ab wann ein Neuroleptikum demnach also "typisch" und bis wann noch "atypisch" ist, also fast willkürlich gesetzt werden kann. Als Mindestanforderung wird häufig das völlige Fehlen von extrapyramidalen Nebenwirkungen und Dyskinesien bei bereis antipsychotisch wirksamen Dosierungen angesehen, doch nicht alle Substanzen die als "atypisch" klassifiziert werden erreichen dies auch. So gibt es Studien, in denen sich Risperidon und Flupentixol diesbezüglich weitestgehend gleich verhielten. 
    2. Die Definition über die Wirkung auf die Minus-Symptomatik ist angesichts der Schwierigkeiten bei der Quantifizierung und Beurteilung der Symptome problematisch. So ist es häufig schwer zu sagen, ob ein Patient nun aufgrund seiner Erkrankung ängstlich und zurückgezogen ist, oder weil er durch das Krankenhausumfeld eingeschüchtert ist...
    3. Die Definition anhand des Rezeptorbindungsprofils krankt daran, dass einerseits auch einige als "typische Neuroleptika" eingeordnete Substanzen eine ausgeprägte antagonistische Wirkung an 5-HT2-Rezeptoren zeigen, sowie dass andererseits z.B. das "atypische Neuroleptikum" Aripiprazol als Dopamin-Partialagonist nicht in diese Definition fallen würde.
    4. Der Ausschluss bestimmter Substanzgruppen schließlich, mag aktuell richtig sein, allerdings ist nicht auszuschließen, dass - sofern neue Substanzen in den genannten Klassen entwickelt würden (wonach es derzeit nicht aussieht) - auch "atypische" Vertreter in diesen Gruppen auftauchen. Darüber hinaus sind Definition per Ausschluss selten gut als Definitionen geeignet.
      • Wenn eine Banane laut Definition kein Apfel und keine Birne sei, wäre eine Kirsche dann eine Banane?
  • Der Begriff "atypisches Neuroleptikum" eignet sich dementsprechend mangels tatsächlicher Aussagekraft nicht zur Charakterisierung eines Arzneistoffs. Da der Begriff in der Praxis jedoch positiv besetzt ist, wird er in der Psychiatrie und durch die Marketingabteilungen der Arzneimittelhersteller dennoch sehr häufig verwendet.
  • Neuere Studien und die kritische Betrachtung älterer Ergebnisse lassen zudem die Frage aufkommen, ob eine - wie auch immer definierte - Atypizität überhaupt ein relevantes Charakteristikum für einen Arzneistoff oder ein therapeutisch einsetzbares Kriterium für die Auswahl eines Neuroleptikums darstellt. So scheinen in der Therapie kaum Vorteile durch den Einsatz bestimmter "atypischer" Substanzen gegenüber "typischen" Neuroleptika aufzutreten. Es scheint einmal mehr zu gelten, dass eine sinnvolle Therapie individuell an den Patienten anzupassen ist - egal ob mit "atypischen" oder "typischen" Arzneistoffen.

Beispiele

Substanzen

 

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