Knochen

Synonyme

  • Bone [engl.]
  • Knochengewebe
  • Os [lat.]
  • Osteon [grch.]

Definition

  • Als Knochen bezeichnet man das harte, skelettbildende Stützgewebe des Körpers.

Bemerkungen

  • Knochen ist ein lebendes Gewebe, auch wenn Knochen überwiegend nicht aus zellulären, sondern aus anderen organischen, v.a . aber anorganischen Komponenten aufgebaut ist.
  • Knochen bilden das Stützskelett sämtlicher Wirbeltiere, wobei ihre Morphologie stark an die jeweilige Belastungssituation angepasst ist.
  • Neben der Stützfunktion üben Knochen auch eine Schutzfunktion aus. So schützt der knöcherne Brustkorb die in seinem inneren gelegenen lebenswichtigen Organe wie Herz oder Lunge, und der knöcherne Schädel schützt das empfindliche Gehirn.
    • Der Brustkorb unterstützt aufgrund seines mechanischen Aufbaus zudem den Atemvorgang.
  • Im Inneren bestimmter Knochen findet sich, ebenfalls geschützt, das blutbildende rote Knochenmark. Damit spielt der Knochen auch eine entscheidende Rolle hinsichtlich er Bildung von Blutzellen wie Erythrozyten, Leukozyten oder Thrombozyten.
  • Das Skelett des Menschen besteht aus 208 bis 214 Knochen.
    • Die Zahl variiert interindividuell aufgrund einer leicht unterschiedlichen Anzahl von Kleinknochen in Fuß und Wirbelsäule.

Knochentypen

  • Nach Art ihrer embryonalen Entstehung unterteilt man Knochen in:
    • Belegknochen
    • Bindegewebsknochen
      • Bindegewebsknochen kommen vor allem in der Schädel-Region vor, wo kleinere Knocheninseln zu kompakteren Gebilden zusammenwachsen.
    • Deckknochen
    • Ersatzknochen
      • Ersatzknochen entstehen durch chondrale Ossifikation.
      • Beispiele sind die Wirbelkörper oder die Knochen des Arm- und Beinskeletts.
  • Nach der Anordnung des Knochengewebes unterscheidet man:
    • Spongiöse Knochen (Bälkchenknochen)
      • Knochen mit schwammartigem inneren Aufbau, dessen Hohlräume von den Knochenbälkchen (Trabekeln) gebildet werden.
      • Spongiöser Knochen weist Porositäten im Bereich von etwa 50 - 95  % auf.
      • Spongiöser Knochen findet sich v.a. im Inneren der langen Röhrenknochen.
    • Lamellenknochen (Lamellare Knochen, kompakte Knochen, koritkale Knochen)
      • Lamellenknochen tragen ihre Bezeichnung aufgrund ihrer lamellären Schichtung der Interzellularsubstanz.
      • Die Porosität liegt im Bereich von etwa 5 - 10 %, wobei die größten Poren mit einem Durchmesser von etwa 50 µm durch die Haverschen Kanäle gebildet werden.
      • Kortikaler Knochen findet sich v.a. in stärker belasteten Gebieten, so z.B. an den Außenflächen der Röhrenknochen.
    • Geflechtknochen
      • Geflechtknochen ist die Vorstufe des Lamellenknochens.
      • So besteht etwa das embryonale Skelett aus Geflechtknochen, der sich nach der Geburt bis etwa zum 5. Lebensjahr vollständig in Lamellenknochen umformt.
      • Geflechtknochen entsteht jedoch erneut nach Knochenbrüchen, wobei er auch dann im Zuge des normalen Knochenumbaus wieder zu Lamellenknochen umgewandelt wird.
      • Geflechtknochen zeichnet sich durch eine nur schwach organisierte Struktur mit mehr oder wenig zufälliger Anordnung der Kollagenfasern und des anorganischen Knochenmaterials aus, was seine mechanische Festigkeit gegenüber Lamellenknochen vermindert. Er wird dafür jedoch vergleichsweise schnell gebildet.  
  • Unterschieden werden die Knochen ferner nach ihrer Form oder besonderen Struktur:
    • Röhrenknochen (Ossa longa, lange Knochen)
      • Röhrenknochen werden in ihr Mittelstück (Diaphyse) und die beiden Enden (Epiphyse, auch Apophyse) sowie ein dazwischen liegendes Areal, die Metaphyse eingeteilt.
      • Zwischen Epiphyse und Metaphyse befindet sich die für das Längenwachstum wichtige Epiphysenfuge.
    • Platte Knochen (Ossa plana)
      • Platte Knochen findet man z.B. bei Schulterblatt, Hüftbein oder Schädelknochen
    • Kurze Knochen (Ossa brevia)
      • Kurze Knochen, z.T. auch als kompakte, würfel- oder zylinderförmige Knochen bezeichnet, findet man bei den Wirbelkörpern sowie an Hand- und Fußwurzelknochen.
    • Pneumatisierte Knochen (Ossa pneumatica)
      • Pneumatisierte Knochen finden sich im Bereich des Schädels, so am Oberkiefer, Sieb- und Keilbein.
      • Besonders häufig finden sich pneumatisierte Knochen bei Vögeln.
    • Zähne (als Sonderfall)
      • Zähne stellen einen Sonderfall der Knochen dar. Sie besitzen einen Überzug aus Dentin (Zahnschmelz).
      • Ätiologisch werden Zähne von den Plakoidschuppen am Körper der Knorpelfische (z.B. der Haie) abgeleitet.
  • Zum ursprünglichsten Knochentyp zählt wohl das Cosmin des Hautknochenpanzers am Vorderkörper der Panzerfische (Placodermi).

Zusammensetzung

  • Die Grundsubstanz der Knochen besteht etwa zu 70 % anorganischem Material, zu 25 % aus organischen Substanzen und zu ca. 5 % aus Wasser.

Anorganischer Anteil

  • Der anorganische Anteil wird zu etwa 95 % von Calciumphosphaten, weit überwiegend von Hydroxylapatit, in deutlich geringerem Ausmaß auch von z.B. Carbonatapatit oder Fluorapatit, eingenommen.
    • Die etwa 10 nm langen und 5 nm breiten hexagonalen Apatitkristalle befinden sich eingelagert in die extrazelluläre Matrix und sind parallel zu den Kollagenfasern des organischen Anteils ausgerichtet.
  • Die restlichen 5 % des anorganischen Anteil werden überwiegend von anderen Calciumsalzen, v.a. Calciumcarbonaten gebildet. Der Anteil dieser Fraktion am gesamten anorganischen Material des Knochens steigt im Alter an.
  • Insgesamt befinden sich etwa 1,5 kg Calcium (und damit ca. 99 % des Gesamtcalciums im Körper) in den Knochen, zusammen mit ca. 0,7 kg Phosphat (etwa 80 % des Gesamtphosphats im Körper).
    • Das Knochengewebe stellt damit das wichtigste Reservoir dar, aus dem Calcium mobilisiert oder in das Calcium eingelagert werden kann und hat somit entscheidende Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Calciumhomöostase im Blut und anderen Geweben.
  • Der anorganische Anteil der Knochen ist hauptverantwortlich für deren Stabilität, v.a. deren Druckstabilität.

Organischer Anteil

  • Der organische Anteil der Knochen besteht zu etwa 90 - 95 % aus Kollagen Typ I.
  • Die restlichen 5 - 10 % sind Proteine und z.T. Fette.
  • Der organische Anteil des Knochens bewirkt deren Elastizität und einen Großteil der Zugfestigkeit.

Zellulärer Anteil

Wachstumsfaktoren im Knochengewebe

  • Im Knochengewebe findet man eine Vielzahl von Wachstumsfaktoren. Eine kurze Auswahl ist nachfolgend dargestellt:
Abkürzung Wachstumsfaktor
BDGF-I Bone-Derived Growth Factor I
BDGF-II Bone-Derived Growth Factor II
BMP-2 Bone Morphogenetic Protein 2
BMP-4 Bone Morphogenetic Protein 4
BMP-7 Bone Morphogenetic Protein 7
PDGF Platelet-Derived Growth Factor
SGF Skeletal Growth Factor
IGF-I Insulin-like Growth Factor I
IGF-II Insulin-like Growth Factor II
ECGF Endothelial Cell Growth Factor
aFGF Acidic Fibroblast Growth Factor
bFGF Basic Fibroblast Growth Factor
TGF-β1 Transforming Growth Factor β1 (Cartilage-induced Factor A)
TGF-β2 Transforming Growth Factor β2 (Cartilage-induced Factor B)

Knochenwachstum

  • Knochen wachsen vor allem nachts, bzw. wenn sie keiner erhöhten Druckbelastung ausgesetzt sind.
  • Vermutlich hemmt der Druck, der im Stehen auf den Knorpelschichten der Epiphysenfuge lastet, das Wachstum.
    • Bei etwa einem Drittel aller Kinder zwischen 3 und 12 Jahren treten während des Knochenwachstums, also v.a. nachts, sogenannte Wachstumsschmerzen auf.

Knochenbruch

  • Knochen sind für ihr Gewicht sehr stabile Strukturen. Kommt es dennoch zum Bruch, so ist das Knochengewebe als einziges Gewebe im Körper dazu in der Lage, sich vollständig und ohne Narbenbildung zu regenerieren.
  • Bedingung hierfür ist, dass das Ausmaß des Knochendefekts eine bestimmte kritische Größe nicht überschreitet und die Bruchstelle während des Ausheilens fixiert ist.
  • Man unterscheidet die primäre von der sekundären Frakturheilung.

Primäre Frakturheilung

  • Ist der Spalt zwischen den Enden des Bruchs sehr gering und zudem der Bruch sehr stabil fixiert, kommt es praktisch direkt zur Ausbildung neuen, verbindenden Knochengewebes, wobei die Knochenneubildung weitgehend dem normalen Remodelling entspricht, so dass direkt Knochen des Typs entsteht, der die Bruchstelle umgibt.

Sekundäre Frakturheilung

  • Die sekundäre Frakturheilung findet statt bei mittleren Abständen zwischen den Enden eines Bruchs und zunächst nicht ausreichender Fixierung der Enden zueinander. Die sekundäre Frakturheilung stellt die bei weitem häufigere Form der Frakturheilung dar.
  • Sie beginnt mir der Ausbildung eines Hämatoms an der Bruchstelle. Dieses gerinnt und bildet eine erste Verbindung der Bruchenden.
  • Mit dem Blut gelangen eine Vielzahl von Zellen in den Frakturspalt, so entfernen eingewanderte Makrophagen totes Gewebe während Bluttplättchen erste Wachstumsfaktoren (z.B. PDGF) sezernieren.
  • Mit dem Blut gelangen auch durch die Wachstumsfaktoren angelockte oder differenzierte Chondrobalsten, Fibroblasten und Osteoblasten ein. Sie beginnen mit dem Neuaufbau der extrazellulären Matrix.
  • Innerhalb von ca. 2 Wochen bildet sich ein Kallus aus. An den Bruchenden entsteht praktisch direkt Geflechtknochen, weiter innen zunächst Knorpelgewebe, das dann via enchondraler Ossifikation in Geflechtknochen umgewandelt wird und in der Mitte zunächst nur Knorpelgewebe.
  • Der Kallus besteht nun zunächst weitgehend aus Knorpelgewebe und wird nun innerhalb einiger weiterer Wochen komplett in Geflechtknochen umgewandelt.
  • Anschließend erfolgt im Rahmen des natürlichen Remodelling langsam (im Verlauf von Monaten bis Jahren) die Rückbildung des Kallus und der Umbau in lamellaren Knochen.

Remodelling

  • Im menschlichen Körper findet an verschiedenen Stellen des Skelettes durch die Tätigkeit der Osteoblasten und Osteoklasten ein kontinuierlicher Umbau des Knochens statt.
  • Diesen physiologisch ständig ablaufende Prozess von Knochenauf- und Knochenabbau bezeichnet man als "Remodelling".
  • Die Umbaurate liegt bei 2 bis 10 % der Skelettmasse pro Jahr.
  • Durch das Remodelling werden Mikrofrakturen ausgebessert und der Knochen an veränderte, mechanische Belastungen angepasst.
    • Die im Rahmen der Aufrechterhaltung der Calciumhomöostase im Körper ablaufenden Prozesse können ebenfalls als Bestandteile des Remodelling aufgefasst werden.
  • Die genauen Mechanismen des Knochenumbaus sind bislang noch nicht vollständig bekannt.
  • Das Ausmaß der Knochenneubildung kann durch Messung der alkalischen Phosphatase und des Osteocalcins im Blutserum bestimmt werden.
  • Die Knochenresorption lässt sich durch Bestimmung der Konzentration an Hydroxyprolin und den aus der Quervernetzung von zwei Kollagenmolekülen zu Pyridinolin und Desoxypyridinolin entstandenen Produkten ablesen.

Bemerkungen

  • Für die Festigkeit eines Knochens ist nicht allein seine Dichte verantwortlich, insofern ist die Knochendichtemessung kein geeignetes Mittel zur Messung der Belastbarkeit eines Knochens.
  • Mit einem intakten Trabekelsystem ausgestattet ist ein Knochen etwa 16mal belastbarer, als ohne dieses (bei gleichem Volumen und gleicher Materialmenge). Da die Trabekel bei postmenopausalen Frauen meist als erstes verloren gehen, kann die Knochenfestigkeit daher auch bei nahezu gleich bleibender Knochendichte erheblich abnehmen.

 

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