Morbus Parkinson

Synonyme

  • Parkinsonismus, Parkinson-Krankheit, Parkinson-Syndrom

Definition

  • Extrapyramidales Syndrom mit Überwiegen cholinerger Reaktionen infolge Degeneration dopaminerger Neurone in der Substantia nigra, die auf hemmende, cholinerge Neurone im Corpus striatum hemmend einwirken.

Bemerkungen

  • Der Morbus Parkinson ist die häufigste neurologische Erkrankung des fortgeschrittenen Lebensalters.
  • Man vermutet, dass für die Entstehung eines (primären) Parkinson-Syndroms reaktive Sauerstoffspezies im Dopamin-Metabolismus eine wichtige Rolle spielen.
    • Diese führen wohl zu einer Schädigung der dopaminergen Zellen, die schließlich zu deren Absterben führt. 
      • In diesem Falle, würde sich die Erkrankung praktisch langfristig immer entwickeln müssen.
      • Manche Menschen scheinen diese reaktiven Sauerstoffspezies aber effektiver entgiften zu können, als andere, so dass bei ihnen keine klinisch apparente Schädigung auftritt.
  • Symptome treten erst auf, wenn ca. 70 % der dopaminergen Zellen der Substantia nigra untergegangen sind.
  • Dann kommt es neurophysiologisch zu einer Störung der Funktion der Basalganglienschleife, die sich wie folgt abspielt:
    • Die dopaminergen Neuronen der Substantia nigra setzen zu wenig Dopamin frei, weshalb die am Corpus striatum durch Dopamin vermittelte Hemmung verringert wird.
    • Da die Konzentration des erregenden Neurotransmitters Acetylcholin aus anderen Bereichen des Corpus striatum jedoch unverändert hoch ist, werden dessen cholinerge Neurone nun vermehrt aktiviert. Diese setzen daher mehr GABA frei, das am Globus pallidus hemmend wirkt.
    • Vom Globus pallidus wird nun weniger GABA zur Hemmung des Nucleus subthalamicus freigesetzt.
    • Der Nucleus subthalamicus setzt dadurch seinerseits mehr Glutamat frei.
      • Dieses wirkt zum einen an GABAergen Neuronen der Substantia nigra und erhöht dort die GABA-Ausschüttung in Richtung Thalamus.
      • Zum anderen aktiviert das freigesetzte Glutamat auch GABAerge Neurone im Globus pallidus, deren Axone zum Thalamus laufen.
        • Sowohl an den GABAergen Neuronen der Substantia nigra, als auch an denen des Globus pallidus verhindert normalerweise GABA aus dem Corpus striatum eine zu starke Aktivierung.
        • Da die Freisetzung von GABA aus dem Corpus striatum hier jedoch durch Dopamin gefördert (nicht gehemmt, wie vorhin...) wird, fällt bei einem Dopaminmangel auch dieser Regelkreis aus.
    • Über beide Wege kommt es zu einer Erhöhung GABA-Konzentration am Thalamus, was dort die Erregung des motorischen Kortex hemmt.
    • Die Aktivität des motorischen Kortex ist somit letztendlich herabgesetzt und führt zur Akinese.
    • Das Überwiegen der cholinergen Erregungen ist überwiegender Grund für Rigor und Tremor.

Prävalenzrate

  • ca. 1 % der über 60jährigen, ca. 3 % der über 70jährigen
    • Manche Quellen geben eine Häufung für Männer an, während andere keine Geschlechterprävalenz feststellen.
  • Die Inzidenz der Erkrankung ist deutlich altersabhängig:
    Bezeichnung Krankheitsbeginn Häufigkeit
    Juveniler Morbus Parkinson vor dem 21. Lebensjahr sehr selten
    "Young onset" Morbus Parkinson 21. bis 40. Lebensjahr selten
    "Late onset" Morbus Parkinson 40. bis 75. Lebensjahr häufig
    "Very late onset" Morbus Parkinson nach dem 75. Lebensjahr häufig
  • Die höchste Prävalenzrate besteht in der Altersgruppe der 50 - 60 Jährigen.

Symptome

  • Leitsymptom ist die (allerdings nicht obligate) Trias aus den motorischen Symptomen:
    • Akinese (oder Hypokinese)
      • Leise und monotone Sprache
      • Fehlende oder mangelhafte Mimik
      • Verlangsamung aller Bewegungen (Bradykinese)
      • Fehlen der physiologischen Mitbewegungen
      • Gebückte Haltung
      • Kleinschrittiger, z.T. schlurfender Gang (marche à petits pas)
      • Mikrographie
      • Während des Schreibens kleiner werdende Schrift
      • Unwillkürliche nicht beeinflussbare Bewegungsstörungen mit Fallneigung nach vorn (Propulsion), zur Seite (Lateropulsion) oder nach hinten (Retropulsion)
    • Rigor
      • Der Rigor (erhöhter Tonus der Skelettmuskulatur) kann unterschiedlich verteilt sein, z.B. beim postenzephalitischen Parkinson-Syndrom v.a. in der Nackenmuskulatur
    • Tremor
      • Grobschlägiger Ruhetremor mit einer Frequenz von 4 - 6 Hz mit wechselnder Intensität, verstärkt durch Stress, Angst, Müdigkeit.
        • Typisch ist der "Pillendreher-" oder "Münzenzähler-Tremor" der Hände.
      • Da der Tremor bei Bewegungen sistiert oder sich verringert, ist die Schrift eines Patienten mit Parkinson-Syndrom in der Regel nicht zittrig.
      • Die Eigenschaft, dass der Tremor sich bei zielgerichteten Bewegungen vermindert, also kein Intentionstremor vorliegt, kann man zur Differentialdiagnose zu anderen Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen heranziehen.
        • Grund für das Ausbleiben des Tremors in diesen Situationen ist die Einschaltung anderer motorischer Bahnen, bei denen die Basalganglien keine Rolle spielen.
    • Die akinetischen Symptome werden auch als Minussymptome, der Rigor und der Tremor als Plussymptome bezeichnet.
  • Vegetative Störungen
    • Erhöhter Speichel- und Tränenfluss
    • Seborrhoe
    • Trophische Störungen der Haut
    • Gestörte Wärme- und Schweißregulation
    • Hypotonie
    • Funktionsstörungen des Darms und der Blase
  • Psychische Störungen
    • Nachlassen der Sexualfunktionen und der Libido
    • Stimmungslabilität und Melancholie
    • Bradyphrenie, Demenz

Formen

  • Idiopathisches bzw. primäres Parkinson-Syndrom (Paralysis agitans, Parkinson-Syndrom im eigentlichen Sinne) 
    • Die Ätiologie ist noch weitgehend ungeklärt, diskutiert werden Interaktionen von genetischen und Umweltfaktoren.
  • Symptomatisches bzw. sekundäres Parkinson-Syndrom (oft ohne Degeneration von Zellen)
    • Hirnarteriosklerotisches Parkinson-Syndrom bei Zerebralsklerose
    • Postenzephalitisches Parkinson-Synrom, v.a. nach Encephalitis lethargica sive epidemica
    • Toxisch bedingtes Parkinson-Syndrom, z.B. durch Mangan oder Kohlenmonoxid, Methanol, MPTP
    • Medikamentös bedingtes Parkinson-Syndrom, z.B. durch Neuroleptika (oft ohne Tremor, meist reversibel)
    • Seltenere Ursachen sind:
      • Schädelhirntrauma
      • Boxerenzephalopathie
      • Stoffwechselerkrankungen (z.B. Taurin-Mangel)
      • Andere degenerative Erkrankungen des ZNS
  • Sonderformen 
    • Parkinson-Demenz-ALS-Komplex auf der Insel Guam
    • Parkinson-plus-Syndrom (striatonigrale Degeneration)

Relative Häufigkeit

Form des Parkinson-Syndroms

Ungefähre Häufigkeit [%]

idiopathisches

70

atherosklerotisches

15 - 20

postenzephalitisches

< 5 

postraumatisches

> 0,6 

toxisches

0,4

tumorbedingtes

0,2 - 0,3

medikamentöses

5,0

Therapie

Medikamente

Therapieschema

  • Die Therapie sollte mit Levodopa als Monotherapie beginnen.
  • Die Dosierung sollte einschleichend mit niedrigen Dosen erfolgen, so dass langsam die optimale Dosis gefunden werden kann.
  • Bei längerer Therapie kann es jedoch - unter anderem bedingt durch das Fortschreiten der Krankheit - zu einem Nachlassen der Wirksamkeit von Levodopa bzw. zu anfallsartigem Aussetzen der Wirkungen ("on/off-Phänomen") wie auch zu starken Dyskinesien kommen.
  • In diesem Stadium der Erkrankung wird empfohlen, zusätzlich direkte Dopamin-Rezeptor-Agonisten einzusetzen.
  • Obwohl mögliche Vorteile einer initialen Monotherapie mit Dopamin-Rezeptor-Agonisten noch in Langzeitstudien zu prüfen sind, wird heute allgemein die alleinige Gabe als nicht günstig angesehen und empfohlen, eine Therapie nur zusätzlich zu Levodopa nach dem Auftreten der eben erwähnten Phänomene zu beginnen (u.a. wegen der stärkeren Nebenwirkungen der Dopamin-Rezeptor-Agonisten).
  • Alternativ zur l-DOPA-Therapie können im frühen Stadium der Erkrankung auch Antiparkinsonmittel aus der Gruppe der m-Cholinozeptor-Antagonisten oder Amantadin verwendet werden.
  • Diese sind jedoch im fortgeschrittenen Stadium der Dopamin-Substitutionstherapie durch Levodopa unterlegen und sollten durch diese ersetzt werden.

Nicht medikamentöse Maßnahmen

  • Krankengymnastik und psychosoziale Betreuung.
  • Eine stereotaktische Operation zur Ausschaltung von Teilen des Pallidums oder Thalamus ist nur selten (z.B. bei Hemiparkinsonismus) indiziert.

Geschichtliches

  • Benannt nach James Parkinson, Chirurg und Paläontologe, London, 1755 - 1824, der die Krankheit 1817 erstmalig beschrieb.
 

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