Herpes-simplex-Virus

Synonyme

  • Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1), Herpes-simplex-Virus Typ 2 (HSV-2), Herpesvirus hominis, Humanes Herpesvirus Typ 1 (HHV-1), Humanes Herpesvirus Typ 2 (HHV-2)

Übersicht


Medizin

Bemerkungen

  • Herpes-simplex-Viren können eine Vielzahl von Infektionskrankheiten der Haut und Schleimhäute, des ZNS sowie gelegentlich von inneren Organen hervorrufen.
  • Die beiden Untertypen HSV-1 und HSV-2 unterscheiden sich signifikant in ihren medizinisch bedeutsamen Eigenschaften. Besonders auffällig ist dies bei der Lokalisation der von ihnen ausgelösten Krankheitsbilder:
    • HSV-1
      • HSV-1 findet sich überwiegend in orofazialen Gebieten und wird daher allgemein als Erreger des Herpes labialis angegeben. 
      • Die dabei typischen Bläschen trocknen ein, verkrusten und heilen ohne Narbenbildung aus.
      • Daneben sind Symptome wie Keratokonjungtivitis und, sehr selten, Enzephalitis möglich.
      • Typisch für HSV-1 ist das Persistieren im Ganglion trigeminalis Gasseri.
    • HSV-2
      • HSV-2 überwiegt in genitalen Körperregionen und gilt als Erreger des Herpes genitalis.
      • Typisch für HSV-2 ist das Persistieren in den Ganglien des Lumbal- bzw. Sakralmarks.
  • Diese Trennung wird offenbar nicht durch eine Bevorzugung der entsprechenden Schleimhäute bei der Infektion aufrechterhalten, sondern durch eine bevorzugte Persistenz bzw. Reaktivierung in den Ganglien der betroffenen Körperregionen: So rezidivieren genitale HSV-1-Infektionen seltener als genitale Infektionen mit HSV-2. Bei den orofazialen Infektionen verhält es sich umgekehrt.
  • Beim vor allem durch HSV-2 ausgelösten Neugeborenenherpes wird das Virus während der Geburt von der Mutter auf das Kind übertragen; als Folge kann es zu einer generalisierten und bösartig verlaufenden Sepsis kommen. 

Verbreitung

  • HSV-1 und HSV-2 sind weltweit verbreitet.
  • Die meisten Menschen kommen bereits in ihrer Kindheit zumindest mit dem Serotyp 1 in Berührung. 
  • Die Durchseuchung mit dem Serotyp 2 steigt erst mit zunehmendem Lebensalter an, da er häufig durch Geschlechtsverkehr übertragen wird und sich dann genital ansiedelt.
  • Für Deutschland geht man von einer Prävalenzrate für eine Infektion mit HSV-1 von ca. 90 % und für eine Infektion mit HSV-2 von ca. 20 % der Gesamtbevölkerung aus.
    • Trotz dieser hohen Durchseuchung mit HSV-1 findet man Herpes labialis nur bei ca. 20 - 40 % der Bevölkerung.

Pathogenese

  • Klinisch muss bei den Herpes-simplex-Viren zwischen einer Primärinfektion und den wiederholten rekurrierenden Infektionen unterschieden werden. 
  • Bei der Primärinfektion dringt der Erreger über Schleimhäute oder verletzte Haut in den Wirtsorganismus ein.
  • Der Primärkontakt verläuft zu ca. 99 % ohne klinische Symptome.
    • Sollten doch Symptome auftreten, so werden als Inkubationszeit zwischen Primärinfektion und ersten klinischen Symptomen Zeiträume zwischen etwa 6 bis über 20 Tagen angegeben.
  • Dennoch reichen auch inapparente Primärinfektionen für eine ausreichende Replikation des Virus aus, um eine Infektion in sensorischen oder autonomen Nervenenden hervorzurufen.
  • Nach Eintritt in die Neuronen wird das Nukleokapsid intraaxonal zu den Nervenzellkörpern in den Ganglien transportiert.
  • Zu Beginn der Infektion / Rekurrenz erfolgt die Replikation des Virus in den Ganglien und angrenzendem Nervengewebe. Von dort wandert das Virus über periphere sensorische Nervenbahnen zu anderen Bereichen der von den infizierten Ganglien innervierten Schleimhaut- oder Hautareale.
  • Dieses Ausbreitungsverhalten erklärt einige der häufig zu beobachtenden Phänomene:
    • Häufig auftretender Befall großer Haut- oder Schleimhautflächen
    • Häufiges Auftreten neuer Läsionen in einiger Entfernung vom ursprünglichen Ort der Bläschen
    • Die mögliche Isolierung des Virus aus Nervengewebe, das weit von den das Inokulationsgebiet innervierenden Neuronen entfernt liegt.
  • Daneben führt auch das Eindringen des Virus in benachbarte Epithelzellen zu einer Ausbreitung der Infektion.
  • Nach dem Abklingen der Infektion können keine infektiösen Viren aus infizierten Ganglien isoliert werden. Jedoch lässt sich in 10 - 50 % der Ganglienzellen der anatomischen Region der Primärinfektion virale DNA nachweisen.
  • Während die molekularen Mechanismen der Reaktivierung noch weitestgehend unbekannt sind, werden einige begünstigende Faktoren inzwischen als relativ gesichert angesehen.
  • So fördern z.B. ultraviolettes Licht, Immunsuppression (z.B. bei Erkältungen), andauernder Stress und Irritationen der Haut im Bereich der infizierten Ganglien oder dieser selbst eine Reaktivierung.

Therapie

Allgemeines

  • Eine medikamentöse Therapie ist normalerweise nur erforderlich, wenn die Infektion symptomatisch verläuft. Eingesetzt werden Virustatika wie z.B. Aciclovir oder Penciclovir
  • Nachfolgend werden einige weitere Hinweise zur Therapie des Herpes labialis gegeben, die sich vor allem auf die mögliche Selbstmedikation beziehen.

Herpes labialis

  • Die medikamentöse Therapie des Herpes labialis wird weit überwiegend und in der Selbstmedikation ausschließlich mit topisch anzuwendenden Formulierungen, insbesondere Salben und Cremes, durchgeführt. 
  • Die lokale Therapie sollte bereits im Prodomalstadium begonnen werden: Sobald die typischen Symptome Kribbeln, Juckreiz, Spannungsgefühl und leichte Rötung auftreten, sollten also die Präparate aufgetragen werden.
  • Angeboten werden Präparate mit:
  • Daneben gibt es auch Pflaster völlig ohne Wirkstoff, die allein der Abdeckung und der schnelleren Abheilung dienen sollen.
  • Da bei frühem Therapiebeginn ein sehr großer Placeboeffekt vorliegt (bis zu 40 %), d.h. die Bildung des Herpesbläschens bei sehr vielen Patienten auch durch Placebo verhindert wird, sind Aussagen über die Wirksamkeit der einzelnen Mittel schwierig. Am ehesten ist ein Effekt von den chemisch definierten Virustatika (Aciclovir, Penciclovir) zu erwarten. Ihr Einsatz in der Bläschenphase wird allerdings z.T. kontrovers diskutiert. Penciclovir soll auch hier noch (begrenzt) wirken, Aciclovir praktisch nicht mehr... 
  • Die anderen Präparate können in der Prodomal- und in der Bläschenphase angewendet werden, sind hinsichtlich ihrer tatsächlichen Wirksamkeit aber allesamt sehr kritisch zu beurteilen.
  • Eine Prophylaxe gegen einen Ausbruch der Erkrankung innerhalb einiger Tage bis Wochen kann durch systemische Applikation von Aciclovir erreicht werden. Diese Prophylaxe fällt ist bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Schwangerschaft) eher abzulehnen.

Immunität

  • Eine bestehende, persistierende HSV-Infektion schützt nicht vollständig vor dem Haften einer Superinfektion, auch nicht bei Reinfektion der gleichen Körperregion mit dem gleichen Virustyp.
  • Vor einer persistierenden Infektion im gleichen Ganglienbereich besteht jedoch anscheinend ein weitgehender Schutz: So können in den verschiedenen Ganglien des Kopf- und Halsbereiches bei einer Person meist nur ein und derselbe Virusstamm nachgewiesen werden.
    • Nur bei stark immunsupprimierten Patienten sind auch verschiedene Virusstämme in gleichen Ganglien zu finden.
  • Der Schutz gegenüber einer weiteren persistierenden Infektion in einer anderen Körperregion ist nur unvollständig. Dennoch verlaufen Infektionen mit HSV-2 nach vorausgegangener HSV-1-Infektion häufiger klinisch inapparent.
    • Dies begründet die Notwendigkeit des Tests auf HSV-2-Antikörper bei Schwangeren, um die Gefahr der Übertragung des Virus auf das Kind während der Geburt minimieren zu können.
  • Allgemein beeinflusst die Immunreaktion des Wirts auf eine Infektion mit HSV-1 oder HSV-2 das Auftreten einer klinisch apparenten Erkrankung, den Schweregrad der Infektion, die Entwicklung und den Erhalt der Latenz sowie Häufigkeit und Schwere der Rezidive.
  • Sowohl antikörper- als auch zellvermittelte Mechanismen sind hierbei von Bedeutung.
    • Anscheinend sind zellvermittelte Immunreaktionen von größerer Bedeutung, da bei ihrem Ausfall allgemein schwerere Krankheitsverläufe als nach Ausfall der humoralen Immunität auftreten.
  • Als Träger der zellvermittelten Immunantwort sind diverse Subtypen der T-Lymphozyten, NK-Zellen und Monozyten beteiligt.
  • Vor allem die T-Lymphozyten werden für die Abwehr einer Herpes-simplex-Infektion verantwortlich gemacht. Hierbei sind sowohl zytotoxische T-Zellen, als auch TDTH-Zellen beteiligt.
    • Letztere wirken wahrscheinlich vor allem über ihre antigenvermittelte Freisetzung direkt antiviraler Interferone oder anderer spezifische oder unspezifische Effektorzellen beeinflussender Lymphokine.
    • Für die Eliminierung des Virus aus erkrankten Arealen sind vor allem CD8-positive T-Zellen verantwortlich.
    • Die Immunantwort durch die T-Lymphozyten ist wahrscheinlich auch der Auslöser für die typischen Symptome der Keratoconjunctivitis herpetica.
  • Dennoch zeigt sich, dass auch Antikörper, die virale Glykoproteine auf der Virushülle erkennen, eine Neutralisation der Viren oder eine antikörperabhängige zellvermittelte zytotoxische Reaktion auslösen können.
    • Im Tierversuch ließ sich durch Gabe monoklonaler Antikörper gegen jedes der bekannten Glykoproteine ein Schutz gegen neurologische Erkrankungen und die Latenz der Viren in den Ganglien erreichen. Allerdings schützte die Applikation dieser Antikörper nicht gegen eine Infektion.
  • Im Genom von Herpes simplex findet sich ein Gen, welches als "unique long gene no. 12" (UL-12) bezeichnet wird.
  • Das gebildete Protein bindet an das transportaktivierende Protein TAP-1 und reduziert dessen Fähigkeit HSV-Proteine an HLA-Klasse-I-Proteine zu binden. Dies reduziert die klassische MHC-1-Expression des Virus gegenüber zytotoxischen T-Zellen und könnte ein wichtiger Mechanismus für die häufige Reaktivierung des Virus sein.
    • Durch die reduzierte MHC-1-Expression bleibt dem Virus genügend Zeit zur Replikation und Invasion weiterer Zellen, selbst wenn dieser Effekt durch Interferon gamma innerhalb von 24 - 48 h antagonisiert werden kann.

Biologie

Bemerkungen

  • Der Beiname "simplex" für dieses Virus aus der Familie der Herpesviren diente zur Abgrenzung vom Herpes-Zoster-Virus, der alten Bezeichnung für das Varizellen-Zoster-Virus oder dem Herpes gestationis, einer autoimmunologischen und somit von einer Virusinfektion unabhängigen Erkrankung. Die Dermatitis herpetiformis und die Herpangina haben ebenfalls nichts mit diesem Virus zu tun.
  • Vom Herpes-simplex-Virus lassen sich serologisch zwei Untertypen differenzieren, die sich hinsichtlich ihrer antigenen Eigenschaften jedoch sehr ähnlich sind. So geben sie positive Kreuzreaktionen.
  • HSV zeigt ein im Vergleich zu anderen humanen Herpesviren relativ breites Wirtszellspektrum, so kann es leicht in verschiedenen Zellkulturen vermehrt werden.
  • In Zellkulturen zeigt das Virus einen charakteristischen zytopathischen Effekt (CPE), der sich in großen, abgerundeten Zellen und zarten weißen Läsionen ("pocks") auf der Chorioallantoismembran des Hühnereis äußert.
  • Im Versuchstier bewirkt HSV neben lokalen Erscheinungen an der Infektionsstelle (Rötung, Schwellung, Ulzeration, Haarausfall) häufig eine tödliche Enzephalitis.
  • Bei histologischer, zytologischer oder fluoreszenz-serologischer Untersuchung stellen sich in den vom Virus befallenen Zellen typische intranukleäre Einschlüsse dar.
  • Diese Einschlusskörperchen entstehen bei der Replikation des Virus in einigen Zellen und werden in zwei Typen unterschieden:
    • Typ A
      • Basophile, Feulgen-positive Einschlusskörperchen, die virale DNA enthalten
    • Typ B
      • Eosinophile Einschlusskörperchen, die weder virale DNA noch Proteine enthalten.
      • Sie werden als "Narbe" der Virusreplikation angesehen.

Morphologie

  • Wie bei allen Vertretern der Herpesviren, handelt es sich auch beim Herpes-simplex-Virus um ein behülltes, doppelsträngiges DNA-Virus. Auch die Form und der Aufbau des Virus gleichen dem anderer Herpesviren.
  • Das Molekulargewicht der DNA beträgt ca. 100 · 106 Da. Sie kodiert für mehr als 75 verschiedene Gene.
  • Etwa 50 % der Gensequenzen der Typen HSV-1 und HSV-2 sind identisch. Diese homologen Sequenzen finden sich über das gesamte Genom verteilt.
  • Bei den codierten Proteinen ist ein noch deutlich höherer Anteil mit denen des jeweils anderen Virussubtyps antigenverwandt.
  • Die Untersuchung des Virusgenoms durch Spaltung der DNA mit Hilfe bestimmter Restriktionsendonukleasen, ermöglicht neben der Unterscheidung der beiden Virussubtypen auch die Identifikation einzelner Virusstämme.
    • Dies lässt sich u.a. zur Ermittlung epidemiologisch verbundener Infektionsquellen ausnutzen.
  • Einige der typenspezifischen Regionen sind nicht nur für die Charakterisierung mit Hilfe serologischer Methoden von Bedeutung, sondern scheinen auch für die Immunität des Wirts verantwortlich zu sein.

Infektion / Replikation

  • Der allgemeine Ablauf der Infektion bzw. Replikation entspricht dem aller Herpesviren.
  • Infektionen mit HSV in einzelnen neuronalen Zellen führen nicht zum Zelltod. Das Virusgenom wird vielmehr in einem reprimierten Zustand gehalten, der mit dem Überleben der Zelle und den normalen Zellaktivitäten vereinbar ist.
  • In diesem Latenzstadium werden nur wenige virale Gene transkribiert.
  • Nervenzellen mit latenter Infektion enthalten keine infektiösen Viren, wohl aber eine große Menge zweier als ICP-O bezeichneter "Latenz-assoziierter" RNA-Transkripte.
  • Diese codieren zu den α-Genen komplementäre mRNA, die die normale Expression der α-Gene behindern kann.
  • Dieser Mechanismus ist wahrscheinlich vor allem für die Aufrechterhaltung der Latenz des Virus verantwortlich. Allerdings ließen sich die "Latenz-assoziierten" RNA-Transkripte, zumindest mit den bisherigen Detektionsmöglichkeiten, bislang nur in etwa einem Prozent der Zellen nachweisen, die nachweislich latente virale DNA enthielten.
  • Die Mechanismen der Reaktivierung sind unbekannt. Man vermutet unter anderem, dass durch den Wegfall dieser Hemmung die Produktion der α-Proteine wieder heraufgefahren wird und es so erneut zur Replikation des Virusgenoms und zur Freisetzung reifer Viren aus den Nervenzellen kommt.
  • Durch Befall umliegender Zellen kommt es nun zur Rekurrenz.

Systematik

Reich

  • Viren

Familie

Unterfamilie

  • Alphaherpesvirinae

Gattung

  • Simplexvirus

Art

  • Herpes-simplex-Virus Typ 1
  • Herpes-simplex-Virus Typ 2
 

www.BDsoft.de
pharm@zie
-
Bücher zum Thema Pharmazie bei Amazon