Bisphosphonate
Übersicht
Medizin
Typ
Indikationen
Kontraindikationen
Anwendung
- Je nach Präparat unterschiedlich.
Anwendungshinweise
- In mindestens 2 h Abstand zu anderer Nahrung einnehmen, am besten morgens
vor dem Frühstück.
- Im Stehen oder zumindest mit aufrechtem Oberkörper einnehmen, danach
mindestens
30 Minuten nicht wieder hinlegen, da es sonst - aufgrund der verlangsamten
Passage - zu Schäden an der Speiseröhre kommen kann (Ösophagitis).
- Nur mit Leitungswasser einnehmen bzw. mit sehr mineralarmem Mineralwasser,
da die ohnehin niedrige Bioverfügbarkeit sonst durch gelöste Ca2+-Salze
auf 0 % sinkt!
- Auf ausreichende - aber keinesfalls gleichzeitige - Calciumzufuhr achten!
Achtung
- Anwendungshinweise beachten!
Pharmakologie
Typ
Wirkungen
- Blockade der Calciumfreisetzung aus dem Knochen sowie des Knochenabbaus
- Hemmung der Migration und Anheftung von Osteoklasten an Knochenstrukturen
- Unterdrückung der Adhäsion von Tumorzellen an die Knochenmatrix und
damit tumorbedingter Osteolysen sowie Hyperkalzämien
Wirkmechanismus
- Aufgrund der chemischen Struktur und ihres damit verbundenen
Wirkmechanismus können die Bisphosphonate in zwei Gruppen eingeteilt
werden:
- Gruppe I ist chemisch dem Pyrophosphat bzw. den energiereichen
Triphosphaten
- Gruppe II den langkettigen Farnesyldiphosphaten ähnlich.
- Vertreter der Gruppe I hemmen den Stoffwechsel der Zelle durch Hemmung
ATP-abhängiger Enzyme.
- Vertreter der Gruppe II wirken komplexer, indem sie in den
Mevalonatstoffwechsel eingreifen und dort als "Substratanaloga"
wirken. Sie imitieren verschiedene natürliche Pyrophosphate (Isopentenylpyrophosphat,
Geranylpyrophosphat, Farnesylpyrophoshat, Geranylgeranylpyrophosphat) und
werden von den entsprechenden Enzyme
als Substrat erkannt. Die Bindung des Enzyms an das Bisphosphonat führt
jedoch zu einer Blockade des Enzyms, so dass längerkettige Pyrophosphate
nicht mehr gebildet werden können.
- So kommt es zu einer Hemmung der posttranslationalen Modifikation (mittels
Farnesylierung, Geranylisierung und Geranylgeranylierung) kleiner GTPasen
wie rac, rho, cdc42 und rab.
- Die farnesylierten ras-Proteine sind für die Organisation der Zelle
und für das so genannte "Cellular Trafficing" zuständig.
- Die geranylisierten rho-, rac- und cdc42-Proteine regulieren
Membrandifferenzierung und Apoptose.
- Die geranylgeranylisierten rab-Proteine steuern Endo- und Exozytose
und Zellpolarität.
- Dies wiederum hat zur Folge, dass die Zelle in ihrer Signaltransduktion
eingeschränkt ist, weniger "Überlebenszeichen" geben kann und
Apoptose begeht.
- Tatsächlich zeigt sich in Osteoklasten, die Bisphosphonaten
ausgesetzt waren, eine erhöhte Aktivität der Caspase 3, was auf einen
bisphosphonatinduzierten Zelltod schließen lässt.
- Zusätzlich werden monozytische Vorläuferzellen bei ihrer Fusion durch
Bisphosphonate gehindert. Reife Osteoklasten bilden eine schwächere,
apikale Zelldifferenzierung ("Ruffled Borders"), sowie ein
instabileres Aktinskelett bzw. Aktinringe aus, was sich
elektronenmikroskopisch nachweisen lässt. Bisphosphonate hemmen also die
Zelldifferenzierung und die Rekrutierung von Osteoklasten aus Stammzellen.
- Bisphosphonate haben eine hemmende Wirkung auf die "V-Type
Protonen-ATPase", mit der die Osteoklasten den Knochen ansäuern und
auflösen.
- Dieser Effekt ist besonders bei Tiludronat ausgeprägt, aber auch bei
Alendronat, Etidronat und Ibandronat vorhanden.
- In Zellkulturen zeigt sich zusätzlich noch eine hemmende Wirkung auf
verschiedene Protein-Tyrosin-Phosphatasen, die vermehrt in Osteoklasten
gebildet werden und die Ausbildung des Zytoskeletts unterstützen.
- Bisphosphonate beeinflussen auch die Bildung von Interleukinen (z.B. TNF-α,
IL-6).
- Substanzen der Gruppe I hemmen ihre Freisetzung und sind somit
antiinflammatorisch.
- Diese Eigenschaften sind durch einige In-vitro-Versuche und in der
klinischen Anwendung bestätigt.
- Für Substanzen der Gruppe II (insbesondere Aminobisphosphonate) wird
dagegen eine Erhöhung der IL-6 und TNF-α-Serumspiegel
als akute Phase-Reaktion beschrieben.
- Diese gegensätzliche Wirkung auf die Interleukinfreisetzung kann ein
Regulator für die beobachtete und nachgewiesene Hemmung der
Osteoklastenrekrutierung aus hämatopoetischen Stammzellen sein, die
abhängig von IL-1, IL-2, IL-6, IL-11 und TNF-α
unterschiedlich ausdifferenzieren.
- Die Vorläuferzellen der Osteoklasten stammen aus dem
hämatopoetischen System und entwickeln sich in Zellkulturen in
Anwesenheit von Stromazellen oder Osteoblasten und Vitamin D zu
reifen Osteoklasten.
- Nach neuesten Erkenntnissen findet ein Zell-zu-Zell-Kontakt von
Stromazellen und Vorläuferzellen zwischen den, an der
Zelloberfläche membrangebundenen, zytokinähnlichen Proteinen aus
der TNF-Rezeptor-Superfamilie statt: Dem Rezeptor Aktivator of NF-?b
(RANK) der Osteoklastenvorläuferzellen und dem RANK-Ligand (RANKL)
der Stromazellen, Osteoblasten oder T-Lymphozyten.
- Bisphosphonate werden oral nur schlecht resorbiert. Eine gleichzeitige
Nahrungsaufnahme senkt die Bioverfügbarkeit weiter ab und sollte daher
dringend unterbleiben.
Geschichtliches
- Die ersten Vorläufer der heutigen Bisphosphonate wurden bereits im 19.
Jahrhundert hergestellt, damals allerdings noch um durch Komplexbildung Ca2+-Ionen
aus Wasser zu entfernen und damit die Bildung von Kesselstein in
Rohrleitungen und später auch die Verkalkung von Waschmaschinen zu
verhindern.
- 1960 gelang es der Arbeitsgruppe um Prof. Fleisch zu zeigen, dass die
chemische Ursubstanz der Bisphosphonate, das Pyrophosphat, die Bildung von
Hydroxylapatit zu hemmen vermag. Sie schrieben dem Pyrophosphat daraufhin
eine Regulatorfunktion bei der physiologischen Verkalkung zu.
- Bis zur Synthese spezieller für den Einsatz am Menschen gedachter
Bisphosphonate vergingen jedoch noch etwa 20 Jahre.
Chemie
Bemerkungen
- Bisphosphonate lassen sich chemisch als Derivate des Pyrophosphats
ansehen. Ihre chemische Struktur verleiht den Bisphosphonate eine große
Affinität zu Knochengewebe: Die Phosphatgruppen wirken als Chelatbildner
und binden an Ca2+-Ionen des Knochens.
- Kennzeichnend ist eine P-C-P-Struktur, Unterschiede ergeben sich durch
Länge und chemische Struktur der beiden Gruppen R1 und R2
am zentralen Kohlenstoffatom. Diese Gruppen bestimmen die pharmakologischen
Eigenschaften des jeweiligen Bisphosphonats entscheidend mit.
- Bei Betrachtung der Strukturformeln der einzelnen Substanzen lassen sich,
je nach Restgruppen, Ähnlichkeiten zu Molekülen des Mevalonatstoffwechsels,
wie Farnesyldiphosphat oder zu energiereichen Triphosphaten, wie
Adenosintriphosphat vermuten.
- Zu erster Gruppe zählen Alendronat, Ibandronat, Pamidronat und Risedronat
mit ihrem primären Amin in der Restgruppe, zur zweiten Gruppe rechnet man
Clodronat und Etidronat.
Untertypen
- Nicht basisch substituierte Bisphosphonate
- Aminobisphosphonate
- N-substituierte Aminobisphosphonate
Beispiele
Substanzen
|