Retinol

Synonyme

Übersicht


Medizin

Typ

Hypovitaminosen

Ursachen

  • Außer bei unzureichender Zufuhr von Vitamin A oder Carotinen mit der Nahrung kann ein Vitamin-A-Mangel bei Störungen der Fettresorption (z.B. bei Pankreaserkrankungen, Gallengangsverschluss, Zöliakie u.a.) auftreten.

Symptome

  • Ein Vitamin-A-Mangel macht sich zuerst durch die beeinträchtigte Hell-Dunkel-Adaptation und Nachtblindheit bemerkbar.
  • Wird dieser Mangel nicht beseitigt, treten als Ausdruck erhöhter Zellvermehrung und unzureichender -differenzierung weitere Symptome auf:
    • Zur Erblindung führende Austrocknung und Verhornung der Bindehaut des Auges (Xerophthalmie) sowie Einschmelzung der Hornhaut (Keratomalazie).
    • Austrocknung und Verhornung der Schleimhäute, die mit einer Abnahme des Riechvermögens, Achylie, Durchfällen u.a. einhergeht.
    • Trockenheit, Schuppen- und Faltenbildung der Haut (Hyperkeratose).
  • Darüber hinaus kommt es zur vermehrten Entstehung von Tumoren.

Therapie

  • Für eine Substitutionstherapie bei Nachtblindheit sind 10 - 15 mg täglich über 2 - 3 Wochen ausreichend.
  • Kinder in Entwicklungsländern sollten 2 - 3mal jährlich 200.000 I.E. (ca. 67 mg) erhalten.

Hypervitaminosen

Allgemeines

  • Bei Überdosierungen mit Vitamin A unterscheidet man akute und chronische Formen.
  • Die toxischen Dosen liegen so hoch, dass bei den üblichen Vitamin-A-Gaben keine Überdosierung zu befürchten ist.

Akute Überdosierung

  • Eine akute Überdosierung wurde bei Personen beobachtet (z.B. Polarforschern), die sich einseitig mit Eisbär- und Robbenleber ernährten.
  • Als Symptome wurden Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen und Hirndruckzeichen beobachtet.

Chronische Überdosierung

  • Nach chronischen Überdosierungen, vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern (täglich > 10 mg.), traten als Vergiftungserscheinungen u.a. Anorexie, Austrocknung, Haarausfall, Mundwinkelrhagaden, Knochen- und Gelenkschmerzen, Wachstumsverzögerungen, Periostschwellungen, Hauterkrankungen und Blutbildungsstörungen auf.

Achtung

  • Missbildungen können außer durch einen Vitamin-A-Mangel auch durch eine überhöhte Vitamin-A-Zufuhr (> 3 mg/d) bedingt sein.
    • Zur Vermeidung einer Schädigung des Kindes soll daher die in der Schwangerschaft zusätzlich aufgenommene Retinol-Dosis 0,3 mg/d nicht überschreiten.
    • Die Behandlung von Frauen im gebärfähigen Alter mit Dosen > 8 mg erfordert einen sicheren Konzeptionsschutz.

Physiologie

Tagesbedarf

Erwachsene 0,8 - 1 mg
Kinder (< 10 Jahre) 0,6 - 0,8 mg

Physiologische Bedeutung

  • Vitamin A ist notwendig für:
    • Wachstum des gesamten Körpers
    • Wachstum und die Differenzierung von Epithelzellen
      • Die Epithelzellen der Schleimhaut werden von Vitamin A vor der Verhornung geschützt (Epithelschutzfunktion).
      • Durch Abdichtung der Epithelien und Stimulation der Schleimproduktion verhindert Vitamin A das Eindringen von Krankheitserregern (antiinfektiöse Funktion).
      • An der Haut fördert Vitamin A dagegen die Verhornung.
      • Hinsichtlich der Wirkung auf Epithelzellen kann Retinol durch seine Metaboliten Retinal und Retinsäure sowie zahlreiche synthetische Retinoide ersetzt werden.
    • Reproduktion (Spermiogenese)
    • Embryonale Entwicklung
    • Sehfunktion

Wirkmechanismus

Proteinbiosynthese

  • Der im Plasma vorliegende Komplex aus Retinol, Retinol-bindendem Protein (RBP) und Transthyretin (TTR) bindet an ein Membranprotein der Zielzelle, das dann die Aufnahme von Retinol ins Zytoplasma bewirkt.
  • Im Zytoplasma bindet Retinol an seinen intrazellulären Rezeptor (zelluläres Retinol-bindendes Protein, CRBP). Ein solcher existiert auch für Retinsäure (zelluläres Retinsäure-bindendes Protein, CRABP).
  • In den meisten Reaktionen im Körper stellt nicht Retinol selbst, sondern die aus ihm durch Oxidation gebildeten Retinoide all-trans-Retinsäure und 9-cis-Retinsäure die Wirkform dar.
  • Beide zeigen eine gewisse Präferenz für bestimmte Rezeptoren:
    • all-trans-Retinsäure bindet bevorzugt an den sogenannten Retinsäure-Rezeptor (RA-Rezeptor, RAR). Dieser bildet mit einem weiterer RA-Rezeptor ein Homodimer.
    • 9-cis-Retinsäure bindet bevorzugt an den RX-Rezeptor (RXR). Der RXR bildet Heterodimere mit anderen intrazellulären Rezeptoren, z.B. für Vitamin D oder Schilddrüsenhormone.
  • Von beiden Rezeptoren existieren jeweils 3 Subtypen.
  • Die Rezeptor-Dimere wandern in den Zellkern, wo sie mit der Genexpression und damit der Proteinsynthese interferieren.
    • Insgesamt wird die Bildung von mehr als 40 verschiedenen Proteinen durch Vitamin A gesteuert.
    • Dazu gehören z.B. der Rezeptor des epidermalen Wachstumsfaktors, Keratine, Hüllproteine der Hornzellen sowie die Ornithindecarboxylase, die über die Polyaminbildung das Zellwachstum reguliert.
  • In Abhängigkeit von dem jeweiligen Protein und dem Ausgangszustand der Zelle kann Vitamin A die Proteinsynthese steigern oder hemmen.

Sehvorgang

  • Beim Sehvorgang wird Vitamin A zunächst zum 11-cis-Retinol isomerisiert und anschließend zum entsprechenden Aldehyd, dem 11-cis-Retinal, dehydriert.
  • Dieser verbindet sich mit Opsin, dem Eiweißanteil des Sehpurpurs, zum Sehpurpur Rhodopsin.
  • Bei Belichtung lagert sich 11-cis-Retinal in die stabilere all-trans-Konfiguration um, gleichzeitig kommt es zu einer Änderung der Raumstruktur des Opsins.
  • Dadurch wird die Ionenpermeabilität der Membran, insbesondere die Natriumpermeabilität, und damit gleichzeitig das Membranpotential geändert.
  • Die Folge ist die Erregung von Nervenzellen und die anschließende Weiterleitung des Nervenimpulses zur Sehrinde.
  • Die Regenerierung des Sehpurpurs erfolgt im Dunkeln durch Isomerisierung von all-trans-Retinal in 11-cis-Retinal.
  • Daneben wird Retinal zu Retinol reduziert, das mit dem Retinol der Blutbahn ausgetauscht werden kann.

Bemerkungen

  • Vitamin A ist ein licht- und sauerstoffempfindlicher Diterpenalkohol, der in der Darmwand durch oxidative Spaltung von Carotinen unter Beteiligung von molekularem Sauerstoff über den Aldehyd oder durch Hydrolyse von Retinylestern gebildet und hauptsächlich in der Leber in Form von Fettsäureestern gespeichert wird.
  • Bei Bedarf wird es aus den Speichern durch Biohydrolyse freigesetzt und ins Plasma abgegeben, wo es an ein α1-Globulin (Retinol-bindendes Protein des Serums, RBP) und Transthyretin (TTR) oder an Albumin gebunden transportiert wird.
  • Ausscheidungsprodukte sind u.a. das Retinolglucuronid sowie die freie oder konjugierte Säure (Vitamin-A-Säure, Retinsäure).
  • Das wichtigste Provitamin ist β-Carotin, aus dem zwei Moleküle Vitamin A entstehen können.
    • β-Carotin jedoch nicht quantitativ ausgenutzt: 6 mg β-Carotin entsprechen 1 mg Retinol.
    • Wird β-Carotin in Mengen aufgenommen, die den aktuellen Bedarf an Vitamin A übersteigen, erfolgt keine Spaltung, sondern es wird unverändert im Gewebe gespeichert.
    • Daher kann eine Hypervitaminose A durch β-Carotin nicht ausgelöst werden.
  • Außer β-Carotin kommen in der Natur zahlreiche andere Carotine vor, von denen aber nur ein kleiner Teil in Vitamin A umgewandelt wird.
    • Carotine sind in allen grünen und in den meisten gelben Pflanzenteilen enthalten. Besonders reichlich kommen sie in Grünkohl, im Spinat und in Karotten vor.
  • Vitamin A selbst wird von Pflanzen nicht synthetisiert. Nennenswerte Mengen findet man daher nur in tierischen Produkten, z.B. Fischtran, Leber, Butter, Milch und Eiern.
  • Vitamin A wird heute synthetisch hergestellt.
  • Neben dem all-trans-Vitamin A gibt es noch zahlreiche cis-trans-Isomere, die im Organismus in die all-trans-Form umgewandelt werden.

Chemie

Strukturformel

Summenformel

C20H30O

Molekülmasse

  • 286,46

IUPAC

  • all-(E)-3,7-Dimethyl-9-(2,6,6-trimethylcyclohex-1-en-1-yl)-nona-2,4,6,8-tetraen-1-ol
  • all-trans-3,7-Dimethyl-9-(2,6,6-trimethylcyclohex-1-en-1-yl)-nona-2,4,6,8-tetraen-1-ol
  • all-trans-Retinol

CAS-Nummer

  • 68-26-8

Eigenschaften

Schmelzpunkt 61 - 63 °C
Siedepunkt 120 - 125 °C
pKS  

Sonstige Eigenschaften

  • Praktisch unlöslich in Wasser. Gut löslich in apolaren Lösungsmitteln.

Analytik

IR-Spektrum

Massenspektrum


Biologie

Vorkommen

  • Vitamin A selbst findet man ausschließlich in tierischen Produkten, da nur Tiere β-Carotin spalten und anschließend auch noch speichern können. Wichtigster Speicherort ist dabei die Leber.

 

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