Enzyminduktion

Definition

  • Bezeichnung für eine vermehrte Bildung eines oder mehrerer Enzyme aufgrund einer verstärkten Transkription der die betroffenen Enzyme codierenden Gene.

Bemerkungen

  • Die biotransformierenden Enzyme des Organismus stellen, zusammen mit anderen Enzymen wie z.B. P-Glykoprotein, einen Schutzmechanismus gegen eine Vielzahl von Fremdstoffen dar. Da ihr Bedarf ja nach aktueller Fremdstoffbelastung variiert, ist es sinnvoll ihre Expression an die aktuelle Belastung anpassbar zu gestalten. Diese Anpassungsmöglichkeit ist durch das Prinzip der Enzyminduktion gegeben.
  • Bei der Enzyminduktion kommt es durch die erhöhte Expression der betroffenen Enzyme zu einer insgesamt erhöhten Aktivität der von ihnen katalysierten Stoffwechselwege.
  • Pharmakologisch ist dies insbesondere bei pharmakokinetischen Prozessen im Bereich der Arzneistoffmetabolisierung von Bedeutung.
  • Hier ist eine Enzyminduktion meist mit einem beschleunigten Abbau des Wirkstoffs und somit einer verkürzten Wirkdauer und einer insgesamt verminderten Wirkung verbunden.
    • Zu beachten ist hier im Umkehrschluss jedoch auch, dass eine an eine vorliegende Enzyminduktion angepasste Dosierung, bei Ausfall der Enzyminduktion zu erheblich erhöhten Plasmakonzentrationen und somit verlängerten Wirkdauern inkl. toxischer Effekte führen kann. 
  • Der Begriff Enzyminduktion wird im allgemeinen Sprachgebrauch der Pharmakologie oft allein auf die Enzyme des Cytochrom-P450-Systems bezogen, da diese an der Metabolisierung der meisten Arzneistoffe beteiligt sind und somit eine Induktion dieser Enzyme naturgemäß große Auswirkungen zeigen kann. Prinzipiell ist er jedoch nicht nur auf diese Enzymfamilie beschränkt.
  • Ausgehend vom Muster der induzierten Enzyme werden verschiedene Typen der Enzyminduktion unterschieden. Die Bezeichnung richtet sich dabei meist nach einem typischen Enzyminduktor, bei dem diese Art der Enzyminduktion auftritt.
  • Die wichtigsten Typen sind:
  • Neben diesen allgemeinen Typen existieren noch einige Sonderfälle, bei denen die Enzyminduktion meist auf nur ein Enzym bzw. ein sehr enges Enzymspektrum isoliert ist. So ist die Induktion der jeweils betroffenen Cytochrom-P450-Enzyme z.B. bei Clofibrat, Ethanol, Isoniazid, den meisten Makrolid-Antibiotika und vielen Steroiden nicht den genannten Typen zuordbar.  

Mechanismen

Allgemeines

  • Im Laufe der Evolution haben sich verschiedene Systeme entwickelt, die letztendlich eine Enzyminduktion auslösen können.
  • Ein solches System muss prinzipiell zunächst den Fremdstoff als solchen erkennen und anschließend die Expression des Enzyms durch Beeinflussung der Transkription beeinflussen können.
  • Zur Erkennung dienen im Körper verschiedene Rezeptoren, von denen die wichtigsten weiter unten aufgeführt sind. Die Beeinflussung der Gentranskription erfolgt dann nachfolgend im Rahmen der durch die Rezeptoren ausgelösten Signalkaskaden.
  • Parallel zur Induktion der Cytochrom-P450-Enzyme erfolgt, unabhängig vom verwendeten Rezeptor, stets auch eine Induktion der δ-Aminolävulinsäure-Synthetase, dem Schlüsselenzym der Häm-Synthese. Dies ist notwendig, da Häm als prosthetische Gruppe der Cytochrome fungiert. 
    • Die resultierende erhöhte Konzentration von δ-Aminolävulinsäure im Körper lässt sich diagnostisch nutzen, um z.B. eine erhöhte Belastung durch Dioxine nachzuweisen.
    • Bei krankhaften Störungen der Häm-Synthese (z.B. akuter intermittierender Porphyrie und anderen hepatischen Porphyrien) kann es bei starker Enzyminduktion zur Auslösung eines Anfalls kommen, da es aufgrund eines Defekts an der δ-Aminolävulinsäure-Synthetase zu einem raschen Anstieg der Konzentration der als Substrate für dieses Enzym dienenden Porphyrine kommt.
  • Da es sich bei der Enzyminduktion um einen Vorgang handelt, der mit der Transkription der das induzierte Enzym codierenden Gene beginnt, ist verständlich, dass eine Enzyminduktion eine gewisse "Anlaufzeit" braucht. 
    • Diese Anlaufzeit ist abhängig vom Typ der Enzyminduktion und der Konzentration des Enzyminduktors. 
      • Die bei den Typen angegebenen Zeiten sind für eine konstante Induktorkonzentration, wie sie in der Praxis aufgrund dessen Metabolisierung kaum auftritt. In der Praxis sind eher wiederholte Expositionen mit dem Enzyminduktor von Bedeutung, wodurch dann die Zeiten bis zum Auftreten des maximalen Induktionseffektes deutlich länger sind.  
  • Allgemein wird eine Zeitspanne von 3 - 7 Tagen zwischen dem Beginn einer (regelmäßigen) Einnahme eines Enzyminduktors und dem Auftreten erster klinisch relevanter Effekte durch die Enzyminduktion angenommen.
  • Auch das Ende einer Enzyminduktion erfolgt nicht abrupt, sondern über mehrere Tage bis Wochen, da die zusätzlich exprimierten Enzyme nur langsam abgebaut und inaktiviert werden.

Wichtige Xenobiotika-erkennende Rezeptoren

  • AH-Rezeptor
    • Der AH-Rezeptor ist ein Rezeptor für aromatische Kohlenwasserstoffe (aromatic hydrocarbons)
    • Die Aktivierung dieses Rezeptors führt zu einer deutlich erhöhten Expression von CYP1A1, sowie etwas geringer CYP1A2.
    • In geringerem Umfang wird außerdem die Expression von UGT gesteigert. 
  • Konstitutiver Androstan-Rezeptor (CAR)
    • Die Aktivierung des konstitutiven Androstan-Rezeptors führt bevorzugt zu einer Induktion von Enzymen der CYP2-Unterfamilie, sowie in geringerem Umfang zur Induktion von Enzymen der CYP3-Unterfamilie.
    • Prototypisch für einen Enzyminduktor, der über diesen Rezeptor wirkt, sei Phenobarbital genannt.
  • Pregnan-X-Retzeptor (PXR)
    • Die Aktivierung des Pregnan-X-Rezeptors führt bevorzugt zu einer Induktion von CYP3A4, sowie anderer Isoenzyme der CYP3-Unterfamilie.
    • In geringerem Umfang werden auch die Mitglieder der Unterfamilie CYP2 sowie P-Glykoprotein vermehrt gebildet.
    • Prototypisch für einen Enzyminduktor, der über diesen Rezeptor wirkt, sei Rifampicin genannt.

Typen

Enzyminduktion vom Methylcholanthren-Typ (Enzyminduktion vom TCDD-Typ)

  • Bei der Enzyminduktion vom Methylcholanthren-Typ kommt es insbesondere zu einer vermehrten Expression von Enzymen der Unterfamilie CYP1 des Cytochrom-P450-Systems sowie der UDP-Glucuronyltransferase (UGT).
  • Die wichtigsten betroffenen Vertreter der Cytochrome sind CYP1A1 und CYP1A2.
  • In geringerem Umfang umfasst die Induktion auch eine Isoform der Glutathion-S-Transferase und die Benz(a)pyrenhydoxylase.
  • Durch die Induktion kommt zu keiner merklichen Erhöhung der Lebermasse.
  • Das Maximum der Enzyminduktion wird - bei konstanter Konzentration des Induktors - nach etwa 24 h erreicht.
  • Die Enzyminduktion vom Methylcholanthren-Typ spielt hinsichtlich möglicher Interaktionen mit anderen Arzneistoffen häufig nur eine untergeordnete Rolle, da relativ zum Phenobarbital-Typ, weniger Substanzen über die betroffenen Enzyme metabolisiert werden. Sie ist jedoch dennoch von erheblicher Bedeutung, da sie die Bildung der ultimalen Kanzerogene bei der Toxifizierung polycyclischer Kohlenwasserstoffe fördert.
Enzyminduktoren vom Methylcholanthren-Typ (Auswahl)
  • 3-Methylcholanthren
  • Benz(a)pyren
  • Flavone
  • Indole
  • Polychlorierte Dibenzofurane
  • Polyhalogenierte Biphenyle
  • 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin (TCDD)

Enzyminduktion vom Phenobarbital-Typ (Enzyminduktion vom Barbiturat-Typ)

  • Bei der Enzyminduktion vom Phenobarbital-Typ kommt es vor allem zu einer vermehrten Expression von Enzymen der Unterfamilien CYP2 und CYP3 des Cytochrom-P450-Systems.
  • Neben den erwähnten Cytochrom-P450-Enzymen steigt - in geringerem Umfang - auch die Expression der NADPH-Cytrochrom-P450-Reduktase, einiger Glucuronyltransferasen und einiger Glutathion-S-Transferasen an.
  • Durch die Induktion kommt es zu einem Anstieg der Lebermasse aufgrund einer vermehrten Bildung glatten endoplasmatischen Retikulums.
  • Das Maximum der Enzyminduktion wird - bei konstanter Konzentration des Induktors - nach etwa 48 h erreicht.
Enzyminduktoren vom Phenobarbital-Typ (Auswahl)

 

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