Aminoglykosid-Antibiotika

Synonym

  • Aminoglykoside

Übersicht


Medizin

Typ

Indikationen

Indikationen

Kontraindikationen

Arzneimittelinteraktionen

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

  • Nephrotoxizität (reversibel)
  • Ototoxizität (irreversible Schäden des Innenohres mit Schwindel oder Hörstörungen bis zur Taubheit)
  • Allergien, Exantheme (häufig bei der Anwendung auf Haut und Schleimhäuten)
  • Gastrointestinale Beschwerden (bei oraler Applikation)
  • ...

Anwendung

Dosierungshinweise

  • Die Tagesgesamtdosis sollte mit nur einer Einzeldosis gegeben werden, da so die Nebenwirkungen reduziert werden können, während - aufgrund der Anreicherung und langen Bindung am Wirkort in der Bakterienzelle - eine über 24 h dauernde Wirkung gewährleistet bleibt. Aminoglykosid-Antibiotika zeigen somit einen ausgeprägten postantibiotischen Effekt.

Patientenhinweise

Hinweise

  • Notfallantibiotika! Geringe therapeutische Breite!
  • Keine Wirksamkeit gegen Anaerobier und intrazelluläre Erreger!
  • Resistenzen gegenüber einer Substanz führen häufig zu einer Kreuzresistenz gegenüber anderen Aminoglykosid-Antibiotika.

Pharmakologie

Pharmakodynamik

Wirktyp

  • Bakterizid

Wirkmechanismus

  • Aminoglykoside werden in der Bakterienzelle angereichert.
  • Hier binden sie irreversibel an die 30S-Untereinheit der bakteriellen 70S-Ribosomen.
  • Da so die Akzeptorposition für tRNA blockiert ist, kommt es zu einer Hemmung der Proteinbiosynthese.
  • Durch die Bindung der Aminoglykoside an die Ribosomen kommt es darüber hinaus zu Ablesefehlern bei der Translation, was zur Bildung von Nonsens-Proteinen führt.
  • Darüber hinaus beeinträchtigen Aminoglykoside die Funktion der Zellmembran und es kommt durch Austritt von Zytoplasmabestandteilen zum Absterben des Bakteriums.

Wirkspektrum

  • Das Wirkspektrum der Aminoglykoside ist sehr breit. Es umfasst eine Vielzahl grampositiver und gramnegativer Keime, doch werden sie vor allem gegen multiresistente gramnegative Keime eingesetzt, die sich mit anderen Antibiotika nicht mehr ausreichend bekämpfen lassen.
  • Aminoglykoside sind nicht wirksam gegen Anaerobier, da diese sie nicht anreichern, und gegen intrazelluläre Erreger, da sie nicht in Körperzellen eindringen.

Pharmakokinetik

Resorption

  • Aminoglykoside werden bei peroraler Applikation nicht resorbiert (außerdem sind sie im salzsauren Milieu des Magens nicht stabil). Sie können daher nur parenteral angewendet werden. 

Distribution

  • Da sie keine hydrophoben Bereiche aufweisen, werden Aminoglykoside nicht an Plasmaproteine gebunden. 
  • Ihre Gewebegängigkeit ist schlecht; nur bei Bestehen einer Meningitis gelangen sie in geringem Ausmaß über die Blut-Hirn-Schranke in den Liquorraum.

Metabolisierung

  • Aminoglykoside werden nahezu nicht metabolisiert. Nur in Spuren findet man in den Fäzes Metaboliten, die durch N-Acetylierung, O-Phosphorylierung oder O-Sulfatierung entstanden sind. 

Exkretion

  • Aminoglykoside unterliegen, aufgrund der fehlenden Plasmaeiweißbindung, vollständig der glomerulären Filtration und werden somit zu nahezu 100 % renal ausgeschieden. 
  • Durch eine teilweise, wahrscheinlich aktive, tubuläre Rückresorption wird die Ausscheidung jedoch etwas verlangsamt, so dass die Plasmaeliminationshalbwertszeiten etwa Bereich von 2 - 3 h liegen. 
    • Bei Nierenfunktionsstörungen ist die Elimination verlangsamt, das Risiko nephrotoxischer Wirkungen erhöht.

Toxikologie

  • Für die dosisabhängigen nephrotoxischen Wirkungen wird eine besondere Affinität der im leicht sauren Primärfiltrat rein protoniert vorliegenden kationischen Molekülstruktur der Aminoglykoside zum Tubulusepithel diskutiert.
  • Die ebenfalls dosisabhängige Ototoxizität wird ebenfalls mit pharmakokinetischen Parametern in Verbindung gebracht: Aminoglykoside reichern sich in der Endo- bzw. Perilymphe des Innenohrs an. 
    • Dabei ist zu beobachten, dass Substanzen der Gentamicin-Untergruppe häufiger Schäden im vestibulären System erzeugen, während Substanzen der Kanamycin-Untergruppe eher den kochlearen Bereich schädigen.
    • Als Grund für diese Anreicherung wird eine besondere Affinität zu Bestandteilen der Lymphflüssigkeit im Innenohr oder ein pH-Gradient in diesem Bereich diskutiert.
      • Arzneistoffe, deren pKS-Wert sehr nah am pH-Wert des Körpers liegt, können relativ leicht in abgeschlossenen Verteilungsräumen mit nur geringfügig anderem pH-Wert "gefangen" und angereichert werden. Bei einem pKS-Wert von 7,5 und einem pH-Unterschied von nur 0,4 pH-Einheiten (von 7,4 im normalen Gewebe auf pH 7 im anderen Verteilungsraum), erhöht sich der Anteil der protoniert vorliegenden Form des Arzneistoffs im abgeschlossenen Verteilungsraum um ca. 20 %. Es kommt zu einer Kumulation des Arzneistoffs in diesem Bereich, die zusätzlich, da die protonierte Form schlechter membrangängig ist, mit einer verlängerten Verweildauer des Arzneistoffs verbunden ist.  
  • Insgesamt haben Aminoglykoside eine sehr geringe therapeutische Breite, die ein therapeutisches Drug-Monitoring unbedingt erforderlich macht!

Resistenzentwicklung

  • Resistenzen gegenüber Aminoglykosiden beruhen auf dem Erwerb der Fähigkeit, diese an ihren funktionellen Gruppen zu derivatisieren und somit in unwirksame Verbindungen zu überführen.
  • Drei mögliche der, bei resistenten Bakterien veränderten, beteiligten Enzymsysteme sind nachfolgend mit ihrer jeweiligen Funktion aufgeführt.
Enzymsystem Abkürzung Funktion
Aminoglykosid-Acetyltransferasen AAC Acetylierung von Aminogruppen
Aminoglykosid-Nukleotidtransferasen ANT Konjunktion von Hydroxylgruppen mit Nukleotiden
Aminoglykosid-Phosphotransferasen APH Phosphorylierung von Hydroxylgruppen

Chemie

Strukturmerkmale

  • Aminoglykosid-Antibiotika enthalten ein an den Positionen 1 und 3 basisch substituiertes, vom Cyclohexan abgeleitetes und mit dem Mesoinosit verwandtes Aglykon, das als ein Cyclit bezeichnet wird.
  • An dieses sind über glykosidische Bindungen Mono- und Disaccharide gebunden.
  • Ausgehend vom Aglykon, den glykosidierten Position und den beteiligten Aminozuckern unterscheidet man chemisch die vier Gruppen von Aminoglykosid-Antibiotika, die in der folgenden Tabelle aufgelistet sind:
Gruppe Aglykon Position
Gentamicin-Kanamycin Desoxystreptamin 4, 6
Neomycin Desoxystreptamin 4, 5
Spectinomycin N,N'-Dimethyl-2-epistreptamin 4, 5
Streptomycin Streptidin 4

Chemische Eigenschaften

  • Aufgrund ihrer Anzahl an polaren Substituenten, wie Amino- und Hydroxylgruppen, liegen Aminoglykoside bei physiologischen pH-Werten als sehr gut wasserlösliche Salze vor. Ihre pKS-Werte liegen im Bereich von etwa 7,5 bis 8.

Bemerkungen

  • Die aus Bakterienkulturen gewonnenen Aminoglykosid-Antibiotika werden z.T. als Stoffgemische (z.B. bei Gentamicin, Kanamycin) eingesetzt, da die enthaltenen Einzelkomponenten aufgrund ihrer weitgehenden Strukturgleichheit nur schwer zu trennen sind. 

Technologie

Bemerkungen

  • Die meisten Aminoglykoside sind nicht säurestabil, können aber in wässriger Lösung sogar sterilisiert werden. Aufgrund ihrer fehlenden Resorption aus dem Gastrointestinaltrakt sind parenterale Arzneiformen indiziert.

Beispiele

Bemerkungen

  • Die Endung "-mycin" deutet auf eine Herkunft aus Streptomyces-Arten, die Endung "-micin" auf eine Herkunft aus Micromonospora-Arten hin. 
  • Aus anderen Bodenbakterien bzw. halbsynthetisch gewonnene Aminoglykoside tragen als Endung entweder ebenfalls "-micin" oder lediglich "-cin".

Substanzen

"Untypische" Aminoglykoside (nur bakteriostatisch!)


 

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