Schleifendiuretika
Übersicht
Medizin
Typ
Indikationen
- Ödeme
- Schleifendiuretika sind besonders wertvoll, wenn eine rasche und
intensive Wirkung, wie z.B. beim Lungenödem,
erforderlich ist.
- Hypertonie
- Schleifendiuretika, insbesondere Furosemid,
vermögen venöse Blutgefäße direkt zu erweitern. Dabei wird ein
Zusammenhang mit dem Prostaglandin-System angenommen.
- Herzinsuffizienz
(chronische und akute)
- Aufgrund der längeren Halbwertszeit eignet sich insbesondere Torasemid
zur Therapie bei Hypertonie
und chronischer Herzinsuffizienz.
- Bei der akuten Herzinsuffizienz
ist der direkt vasodilatierende Effekt aufgrund seiner Vorlastsenkung
von großer Bedeutung.
- Hyperkalzämie
- Prophylaxe eines akuten Nierenversagens, Niereninsuffizienz
- Dabei erhöhen sie zwar nicht die Ausscheidung harnpflichtiger
Substanzen, doch ermöglichen sie (auch bei Dialysepatienten) eine
weniger restriktive Wasser- und Salzzufuhr und verbessern dadurch die
Lebensqualität der Patienten.
- Forcierte Diurese
Kontraindikationen
- Niereninsuffizienz mit Anurie
- Praecoma und Coma hepaticum
- Aufgrund der die Kaliumausscheidung steigernden Wirkung
- Hypokaliämien
- Diarrhoe,
Magen-Darmbeschwerden
- Herzrhythmusstörungen
- Hyperglykämie, Verschlechterung der Glucosetoleranz
- Es kommt zu einer Hemmung der Insulinfreisetzung aus den B-Zellen des Pankreas.
Als Grund wird die Öffnung eines Ca2+-abhängigen K+-Kanals
angesehen.
- Dadurch kann ein latenter Diabetes
mellitus manifest oder bei bestehendem Diabetes
mellitus ein auf orale
Antidiabetika eingestellter Patient insulinpflichtig werden. Beim
insulinpflichtigen Diabetiker kann der Insulinbedarf ansteigen.
- Hyperlipidämie, Verschlechterung der Plasmalipid-Werte
- Die Plasmakonzentration der Triglyceride kann ebenso wie die von LDL
und VLDL im Plasma
zunehmen.
- Hyperurikämie
- Die Auslösung von Gichtanfällen bei vorbestehenden hohen
Harnsäurekonzentrationen im Blut
ist möglich.
- Der Grund ist in der kompetitiven Hemmung der Ausscheidung von Harnsäure
über einen Anionentransporter im proximalen Tubulus zu sehen.
- Hypokaliämie
- Hypokalzämie
- Muskelverspannungen und Wadenkrämpfe.
- Verschlimmerung einer Osteoporose
durch verstärkte Ca2+-Ausscheidung, deshalb zur
Dauertherapie bei Osteoporose-gefährdeten Patienten ungeeignet.
- Hypomagnesiämie
- Hyponatriämie
- Ototoxizität
- Mögliche (meist reversible) Beeinträchtigung des Hörvermögens, die
mit einer veränderten Elektrolytzusammensetzung der Endolymphe
einhergeht.
- Als Grund dafür ist zu sehen, dass auch im Innenohr Na+/K+/2Cl--Transporter
sitzen, die ebenfalls gehemmt werden können.
- Dieser unerwünschte Effekt tritt v.a. nach schneller i.v.-Applikation
auf.
- Cave: Gleichzeitige Gabe ototoxischer Antibiotika,
z.B. Aminoglykoside,
wie Streptomycin
oder Gentamicin
- Thrombosen
- Die "Eindickung" des Blutes
erhöht die Viskosität und damit den Strömungswiderstand. Daraus
resultiert eine erhöhte Thromboseneigung.
Bemerkungen
- Charakteristisch für diese Substanzen ist einerseits die im Vergleich mit
Thiazid-Diuretika deutlich kürzere Wirkdauer sowie
andererseits die außerordentlich intensive Wirkung.
- Bei parenteraler Applikation ist der unmittelbar nach der Injektion
erfolgende Anstieg der Na+-, Cl-- und
Wasserausscheidung größer als bei allen anderen Saluretika.
- Da die Wirkung aber nur kurz anhält, beobachtet man, sofern keine
rechtzeitige erneute Applikation erfolgt, relativ rasch ein Absinken der
Ausscheidungsrate unter den Kontrollwert (Reboundphänomen).
Pharmakologie
Typ
Wirkungen
- Vermehrte Ausscheidung von:
- Dilatation großer Kapazitätsgefäße (Vorlastsenkung)
- Erhöhung der GFR
Wirkmechanismen
- Schleifendiuretika wirken - vom Tubuluslumen aus - am dicken,
aufsteigenden Ast der Henle-Schleife:
- Dort hemmen sie den Na+-K+-2Cl--Symportcarrier
(Bumetanid-sensitiver Cotransporter, BSC), was nicht nur die NaCl-Resorption
vermindert, sondern gleichzeitig auch den Konzentrierungsmechanismus
weitgehend lahmlegt.
- Die Hemmung des Na+-K+-2Cl--Cotransporters
an der Macula densa täuscht dem juxtaglomerulären
Apparat ein NaCl-freies Tubuluslumen vor.
- Über die tubuloglomeruläre Rückkopplung kommt es damit zusätzlich
zu einer Erhöhung der glomerulären Filtrationsrate (GFR), was die
Diurese weiter begünstigt.
- Da der Na+-K+-2Cl--Cotransporter auch
für die Entstehung der transepithelialen Potentialdifferenz (lumenpositives
transepitheliales Potential, LPTP) verantwortlich ist, sinkt diese ebenfalls
ab. Die parazelluläre Resorption von Ca2+ und mg2+
wird behindert und bedingt, in Verbindung mit der durch die höhere GFR
zusätzlich erhöhten Ausscheidung, die Gefahr von Hypokalzämie
und Hypomagnesiämie,
besonders bei längerer Anwendung.
- Der Na+-K+-2Cl--Cotransporter baut
ein LPTP auf, obwohl er zunächst elektroneutral ist, da zwei positive
und zwei negative Ladungen aufgenommen werden.
- Allerdings diffundiert in die Zelle aufgenommenes K+ durch
K+-Kanäle in der luminalen Membran zurück in den Tubulus,
so dass effektiv nur ein Kation (Na+), aber zwei Anionen (2
Cl-) aufgenommen werden.
- Na+ und Cl- verlassen die Tubuluszelle auf der
Blutseite (Cl- über einen Kanal, Na+ über die Na+/K+-ATPase),
was dort zu einer negativen Ladung führt.
- Diese stellt den Antrieb für die parazelluläre Resorption von K+
und Na+, vor allem jedoch von Ca2+ und mg2+
dar.
- Die Ca2+- und mg2+-Resorption in weiter
distal gelegenen Tubulusabschnitten ist nicht in der Lage, diese nun
noch deutlich vermehrt im Harn vorliegenden Ionen ausreichend wieder
aufzunehmen.
- Es kommt somit zu Ca2+- und mg2+-Verlusten.
- Bei den Thiazid-Diuretika kann
zumindest Ca2+ im distalen Tubulus über verschiedene
Transportsysteme noch nahezu vollständig resorbiert werden. Die
für mg2+ zur Verfügung stehende Resorptionsleistung
ist jedoch auch hier bereits ausgelastet.
- Nicht in der Henle-Schleife resorbiertes Na+ kommt kommt nun
vermehrt am Sammelrohr an und wird dort teilweise resorbiert.
- Da die Aufnahme von Na+ über luminale Na+-Kanäle
im Sammelrohr durch die basolaterale Na+/K+-ATPase
aufrecht erhalten wird, gelangt wenn mehr Na+ aus der
Tubuluszelle ins blut abgegeben wird auch mehr K+ in die
Tubuluszelle. K+ verlässt die Tubuluszelle nun zu einem
großen Teil wieder über K+-Kanäle in der luminalen
Membran. Es steigt also die K+-Ausscheidung.
- Die fraktionelle Na+-Ausscheidung kann von 3 % unter normalen
Bedingungen bis auf 25 % (- 30 %) ansteigen, die fraktionelle K+-Ausscheidung
wird nur bis zum Dreifachen gesteigert.
- Neben diesen Elektrolytverlusten kommt es durch den gleichzeitigen
Verlust von H+-Ionen zu einer hypokaliämischen Alkalose.
- Längerfristig kommt es zu einer Verminderung der intrazellulären Na+-Konzentration,
die zu einer Stabilisierung des Membranpotentials der Gefäßmuskulatur und
zu einer herabgesetzten Ansprechbarkeit auf erregende Substanzen führt.
Daraus ergibt sich eine Senkung des peripheren Gefäßwiderstands.
- Außerdem tritt wohl auch eine vasodilatierende Wirkung durch Öffnung
eines Ca2+-abhängigen K+-Kanals in den glatten
Muskelzellen der Gefäße mit resultierender Hyperpolarisation und daraus
folgender Relaxation auf.
- Dieser Mechanismus wird aber auch für die Abnahme der Glucosetoleranz
verantwortlich gemacht.
- Schleifendiuretika sind hoch wirksam.
- Aufgrund des starken diuretischen Effekts steigt der osmotische Druck
im Blut, was
sich auf die Gewebe auswirkt.
- Dieser Effekt kann therapeutisch ausgenutzt werden, um bei Vorliegen
eines Organödems die Flüssigkeit zu mobilisieren und zur Ausscheidung
zu bringen.
- Dabei sprechen kardial, renal oder hepatisch bedingte Ödeme
an.
- Besonders wertvoll ist diese ödemmobilisierende Wirkung bei akut
lebensbedrohenden Lungen-
oder Gehirnödemen.
- Abzugrenzen von diesen Wirkungen auf den Elektrolyttransport ist ein
extrarenaler, klinisch aber ebenfalls bedeutsamer Effekt, nämlich eine
Dilatation der großen Kapazitätsgefäße.
- Der Effekt ist vermutlich auf verstärkte Bildung von Prostaglandinen
in den Nieren
zurückzuführen. Er entfällt bei schwer niereninsuffizienten sowie
nephrektomierten Patienten.
- Diese Vasodilatation
tritt (im Gegensatz zur oben beschriebenen) sofort nach der i.v.-Applikation
- v.a. in den Lungengefäßen - auf und führt so zur Senkung der Vorlast
des linken Ventrikels. Bei Lungenödemen
mit Herzversagen und eventuell beim Myokardinfarkt
kann dies ausgenutzt werden.
- Die Wirkung klingt in Abhängigkeit von der Applikationsart (intravenös
oder oral) nach 4 - 6 Stunden ab.
- Bei chronischer Zufuhr sind stärkere Nebenwirkungen als bei Anwendung von
Thiazid-Diuretika zu erwarten.
- Für die Wirkung ist eine relativ hohe Konzentration dieser Diuretika
im Tubulus erforderlich, die allein durch glomeruläre Filtration nicht
erreicht wird, da diese Substanzen zu mehr als 90 % an Plasmaproteine
gebunden sind.
- Dank ihrer freien Carboxylgruppen haben sie den Charakter von
Säureanionen und werden als solche im proximalen Tubulus aktiv sezerniert.
- Die Konzentration in der Tubulusflüssigkeit wird dadurch 20 - 50mal
höher als die im Blut.
- Wird die tubuläre Sekretion blockiert (z.B. durch Probenecid)
oder ist sie bei Niereninsuffizienz allgemein verringert, so wird die
diuretische Wirkung abgeschwächt oder aufgehoben. In diesen Fällen ist
eine höhere Dosierung notwendig.
- Dieser Mechanismus erklärt auch, dass ihre Wirkung fast ausschließlich
in der Niere
auftritt, obwohl es einen durch Schleifendiuretika hemmbaren Na+-abhängigen
elektrogenen Chloridtransport auch in anderen Geweben (z.B. im Innenohr, im
Kolon, in der Kornea und in der Trachea) gibt.
- Die in diesen Geweben in vivo erreichbaren Diuretikakonzentrationen sind
aber zu niedrig, um einen Effekt auszulösen.
- Einzig für das Innenohr ist mit ähnlich hohen Konzentrationen zu
rechnen. Dies begründet die (meist reversible) Ototoxizität, die zu
Tinnitus, Taubheit und Schwindel führen kann.
Bemerkungen
- Schleifendiuretika unterscheiden sich von den Thiazid-Diuretika
durch ihre besondere Wirkungsstärke und ihren Wirkcharakter.
- So gehören Schleifendiuretika zu den High-ceiling-Diuretika, d.h.
ihre Wirkung kann durch Dosissteigerung über einen weiten Bereich
erhöht werden.
- Im Gegensatz zu Thiazid-Diuretika wirken sie auch
noch bei einer stärkeren Einschränkung der Nierenfunktion (GFR < 30
ml/min).
- Ihre Wirkung tritt außerordentlich prompt ein und erreicht ein Ausmaß,
wie es durch andere Saluretika nicht erzielt
werden kann.
Chemie
Substanzklassen
Beispiele
Substanzen
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