Herzinsuffizienz

Definition

  • Eingeschränkte körperliche Belastbarkeit aufgrund einer nachweisbaren kardialen Funktionsstörung.

Bemerkungen

  • Die obige Definition der WHO bedeutet, dass das Herz bei ausreichendem venösem Angebot nicht in der Lage ist, die für die Versorgung des Körpers erforderliche Pumpleistung zu erbringen, das Herzzeitvolumen somit zu gering ist.
  • Je nachdem, welche Teile des Herzens betroffen sind, spricht man von Rechts-, Links- oder Globalinsuffizienz (Rechts-Links-Insuffizienz).
  • Nach der Zeitspanne, in der die Herzinsuffizienz sich entwickelt bzw. besteht, werden akute von chronischen Insuffizienzen unterschieden.
  • Dem Schweregrad des Zustandes entsprechend kann zwischen einer Belastungsinsuffizienz und einer Ruheinsuffizienz oder (nach der New York Heart Association, NYHA) zwischen Insuffizienzen I. bis IV. Grades differenziert werden.
    • Eine Myokardinsuffizienz liegt nur dann vor, wenn die Herzinsuffizienz durch eine Abnahme der Kontraktilität des Myokards bedingt ist. Sie stellt somit nur eine - wenn auch besonders wichtige - Unterform der Herzinsuffizienz dar.

Epidemiologie und Prognose

  • 2 - 5 % der Bevölkerung zwischen dem 65. und 75. Lebensjahr
  • 10 % der Bevölkerung über 80 Lebensjahre
  • Die Prognose der chronischen Herzinsuffizienz im Stadium IV ist schlecht. Die Letalität kann bis zu 50 % innerhalb von 12 Monaten betragen.
    • Eine frühzeitige Diagnostik und Therapie bereits leichterer Formen der Herzinsuffizienz ist daher dringend indiziert.

Ursachen

Akute Herzinsuffizienz

  • Als Ursache einer akuten Herzinsuffizienz kommt vor allem ein größerer Ausfall von Herzmuskelgewebe durch einen Myokardinfarkt oder - seltener - eine diffuse Myokarditis in Betracht.
  • Außerdem kann eine akute Überbelastung des Herzens, z.B. bei plötzlichem Druckanstieg im Lungenkreislauf durch Lungenembolie oder bei Abriss einer Herzklappe, eine akute Herzinsuffizienz auslösen.
  • Extrakardiale Komplikationen im Verlauf einer chronischen Herzerkrankung (z.B. hohes Fieber, Thyreotoxikose) sind weitere Ursachen für ein akutes Herzversagen.

Chronische Herzinsuffizienz

  • Einer chronischen Herzinsuffizienz liegen insbesondere koronare Herzerkrankung, Hypertonie, Kardiomyopathien und Herzrhythmusstörungen zugrunde.
  • Seltenere Ursachen sind angeborene und erworbene Herzfehler, toxische Schädigungen (z.B. durch Ethanol, Quecksilber, Arsen) sowie Behinderung der Füllung oder Auswurfleistung (z.B. bei Perikarderguss oder konstriktiver Perikarditis).
  • Als weitere den Krankheitsverlauf der chronischen Herzinsuffizienz beeinflussende Faktoren spielen möglicherweise auch bestimmte Mediatoren ein Rolle: So kann z.B. die Synthese des Vasodilatators NO eingeschränkt sein, oder die des Vasokonstriktors Endothelin erhöht.
  • Bei chronischer Herzinsuffizienz zeigt sich überdies eine Reduktion funktionstüchtiger Herzmuskelzellen, durch Apoptose. Ausmaß und Bedeutung dieses Phänomens sind noch umstritten.

Kompensationsmechanismen

  • Bei einer Herzinsuffizienz werden vom Organismus, als Folge der ungenügenden Pumpleistung und der damit verminderten Durchblutung, Kompensationsmechanismen in Gang gesetzt, die trotz der Abnahme der Herzleistung eine ausreichende Organperfusion gewährleisten sollen. Beteiligt sind folgende Organe / Mechanismen:
    • Niere / Renin-Angiotensin-Aldosteron-System
      • Die verminderte arterielle Perfusion führt auch zu einem verminderten Blutfluss in der Niere, der wiederum zu einer (langanhaltenden) Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems führt.
      • Die Plasmareninaktivität kann als prognostischer Marker für den Verlauf der Erkrankung benutzt werden: Je höher sie ist, desto schlechter ist die Prognose.
      • Die Konzentration von Aldosteron im Plasma ist bei Patienten mit Herzinsuffizienz nicht nur durch die andauernde Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems erhöht. Vielmehr ist auch die Aldosteron-Clearance in der Leber durch deren verminderte Durchblutung verringert.
      • Die durch Aldosteron ausgelöste Natriumretention, die beim Gesunden innerhalb kurzer Zeit wieder zurückgeht ("aldosterone escape"), bleibt beim Herzinsuffizienten lange erhalten.
    • Hypophyse / ADH-Ausschüttung
      • Durch Stimulation des Hypophysenhinterlappens kommt es zu einer vermehrten Ausschüttung von Adiuretin, das über V2-Rezeptoren in den Sammelrohren der Niere eine erhöhte Wasserretention bewirkt und über V1-Rezeptoren direkt vasokonstriktorisch wirkt.
    • Sympathikusaktivität
      • Über die Barorezeptoren kommt es zu einer Erhöhung der Sympathikusaktivität, die wiederum die Ausschüttung von Katecholaminen anregt.
      • Wie eine erhöhte Plasmareninaktivität ist eine erhöhte Plasmakatecholaminkonzentration als ungünstig für die weitere Prognose der Krankheit anzusehen.
  • Diese zunächst sinnvollen Kompensationsmechanismen wirken sich im Verlauf der Erkrankung negativ aus, da sie das Herz durch Erhöhung von Vor- und Nachlast zusätzlich belasten.
  • Bei längerdauernder chronischer Herzinsuffizienz kommen weitere humorale Faktoren hinzu, die das Herz weiter schädigen:
    • Angiotensin II bewirkt durch Stimulation von AT1-Rezeptoren eine Stimulation intrazellulärer Kinasen (ras, p38, c-jun). Dadurch kommt es zu einer vermehrten Expression embryonaler Gene, die die Entwicklung einer Hypertrophie fördern.
    • Daneben wird die erhöhte Konzentration von Angiotensin II, als mitverantwortlich für die erhöhte Apoptoserate im Herzmuskel (s.o.) angesehen.
    • Aldosteron, dessen Konzentration um bis zu Faktor 20 gegenüber dem Normwert erhöht sein kann, fördert die Proliferation von Fibroblasten, was längerfristig zu einer perivaskulären Fibrose führen kann.
    • Die erhöhte Konzentration der Katecholamine führt zur Down-Regulation von β1-Adrenozeptoren. Daneben werden die Rezeptoren durch gesteigerte Aktivität der β-Adrenozeptorkinase (β-ARK) von der nachgeschalteten Signaltransduktion entkoppelt. Inhibitorische G-Proteine werden vermehrt gebildet, die Aktivität der Adenylatcyclase verringert.
      • Katecholamine induzieren in den Herzmuskelzellen Hypertrophie, Remodelling und oxidativen Stress. Diese führen zu einer Erhöhung der Apoptoserate (s.o.).

Schweregrade

  • Nach den Vorschlägen der New York Heart Association (NYHA) wird die Herzinsuffizienz in vier Schweregrade eingeteilt:
    • NYHA I
      • In Stadium I besteht noch keine Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit.
      • Dieses Anfangsstadium der Herzinsuffizienz ist nur mit besonderen diagnostischen Maßnahmen zu erfassen.
    • NYHA II
      • In Stadium II ist die Leistungsfähigkeit der Patienten bei stärkerer Belastung eingeschränkt.
    • NYHA III
      • Stadium III ist dadurch charakterisiert, dass bereits bei normaler körperlicher Belastung die Leistungsfähigkeit reduziert ist, in Ruhe aber keine Beschwerden bestehen.
    • NYHA IV
      • In Stadium IV kommt es auch in Ruhe zu Beschwerden, eine körperliche Belastung ist nicht möglich, meist ist Bettruhe erforderlich.

Systolische und diastolische Herzinsuffizienz

  • Systolische Herzinsuffizienz
    • Bei der systolischen Herzinsuffizienz liegt eine Störung der Myokardkontraktion vor.
  • Diastolische Herzinsuffizienz
    • Bei der diastolischen Herzinsuffizienz ist die Compliance des linken Ventrikels erniedrigt, d.h. die Steifigkeit der Muskulatur erhöht.
    • Häufigste Ursache der diastolischen Herzinsuffizienz ist die Bindegewebszunahme im Myokard nach Muskeluntergang, meist infolge einer Hypertonie.

Symptome der Herzinsuffizienz

Rechtsherzinsuffizienz

  • Eine Rechtsherzinsuffizienz führt zu einer Drucksteigerung im rechten Vorhof und in den großen Venen des Körperkreislaufs, d.h. zu einer Stauung des Blutes im großen Kreislauf.
  • Ödeme in den abhängigen Körperpartien sind die Folge. Insbesondere treten Knöchelödeme auf; u.U. entwickelt sich eine stauungsbedingte Flüssigkeitsansammlung in der Bauchhöhle (Aszites).
  • Typisch sind auch eine Vergrößerung der Leber (Stauungsleber) sowie eine Eiweißausscheidung im Urin (Stauungsproteinurie).
  • Beim Liegen wird die Ödemflüssigkeit "mobilisiert". Dies führt - unterstützt durch eine bessere Nierendurchblutung - zu einer vermehrten Urinbildung und zu nächtlichem Harndrang (Nykturie).
  • Durch die stark verminderte Auswurfleistung des rechten Herzens bei schwerer Rechtsinsuffizienz sinkt auch das Blutangebot an das linke Herz; eine Abnahme des Herzzeitvolumens ist die unmittelbare Folge.
  • Der arterielle Blutdruck im Körperkreislauf kann deshalb u.U. absinken, woraus dann zusätzlich eine Minderdurchblutung im Bereich des großen Kreislaufs resultiert.

Linksherzinsuffizienz

  • Akute Linksherzinsuffizienz
    • Bei einer akuten Linksherzinsuffizienz steigt der Druck im linken Vorhof und in den Lungenvenen an.
    • Durch den Rückstau des Blutes in der Lungenstrombahn tritt eine Drucksteigerung im kleinen Kreislauf auf, die eine vermehrte Filtration aus den Lungenkapillaren ins Interstitium und in die Alveolen zur Folge hat.
    • Es entwickelt sich ein Lungenödem, das schwere Störungen der Ventilation und des Atemgaswechsels verursacht und ein Gefühl der Atemnot (Asthma cardiale) auslöst.
  • Chronische Linksherzinsuffizienz
    • Die chronische Linksherzinsuffizienz äußert sich in Dyspnoe, die sich bis zur Orthopnoe steigern kann, ferner in Zyanose und stauungsbedingter Bronchitis.
    • Die chronische Linksherzinsuffizienz führt - wie die Rechtsherzinsuffizienz - zu einer Hypertrophie des Herzmuskels und zu einer Zunahme des Blutvolumens.
    • Zusätzlich kann - bei einer mangelhaften O2-Versorgung der Organe - eine Polyglobulie auftreten, die über eine Viskositätszunahme des Blutes die Belastung des Herzens weiter steigert.
  • Das häufigste Endstadium von Erkrankungen, die primär zu einer Schädigung oder Überbelastung des linken Herzens führen, ist der Übergang in eine kombinierte Links-/Rechtsherzinsuffizienz (Globalinsuffizienz), da eine langfristige ausgeprägte Druckerhöhung im kleinen Kreislauf bei Lungenstauung sekundär auch das rechte Herz belastet.

Komplikationen

  • Lungenödem
  • Herzrhythmusstörungen
    • Es können ventrikuläre und supraventrikuläre Herzrhythmusstörungen auftreten.
    • Obwohl sie eine der wichtigsten Komplikationen darstellen, ist ihre Therapie schwierig: So zeigte sich in vielen Studien eine Verschlechterung der Prognose beim Einsatz von Antiarrhythmika bei bestehender Herzinsuffizienz. Für Amiodaron konnte jedoch ein positiver Effekt nachgewiesen werden.

Therapie

Allgemeinmaßnahmen

  • Vor der medikamentösen Therapie sollte versucht werden durch die folgenden Maßnahmen eine Besserung der Symptome zu erreichen:
    • Normalisierung des Körpergewichts
    • Kontrolle der Flüssigkeitszufuhr
    • Normalisierung der Blutfette
    • Vermeidung von Ethanol und Nicotin
    • Regelmäßige körperliche Betätigung

Medikamentöse Therapie

 

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