β-Adrenozeptor-Antagonisten

Synonyme

  • β-Adrenozeptorenblocker, β-Blocker, β-Rezeptorenblocker, β-Sympatholytika, Betablocker, Klasse-II-Antiarrhythmika

Übersicht


Medizin

Typ

Untertypen

Indikationen

  • Herzinsuffizienz
    • Bei älteren Patienten sollte die Indikationsstellung strenger erfolgen, da bei dieser Patientengruppe häufiger kardiale Kontraindikationen wie Reizbildungs- und Reizweiterleitungsstörungen vorliegen. Zudem führt die gewünschte Verlangsamung des Herzschlags im Umkehrschluss zu einem größeren Schlagvolumen, was aufgrund der im Alter abnehmenden Windkesselfunktion der Gefäße zu ungünstigen Druckspitzen führen kann.
  • Hypertonie
  • Glaukom
  • Tachykardie
  • Koronare Herzkrankheit (KHK)
  • Anfallsprophylaxe bei Angina pectoris
  • Morbus Parkinson

Kontraindikationen

Absolute Kontraindikationen

Relative Kontraindikationen

Arzneimittelinteraktionen

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

β1-spezifische Nebenwirkungen

β2-spezifische Nebenwirkungen

  • Erhöhung des Atemwegswiderstands, Bronchokonstriktion
  • Verschlechterung peripherer Durchblutungsstörungen ("kalte Extremitäten")
    • Durch eine periphere Vasokonstriktion kann es zu einer Verschlechterung peripherer Durchblutungsstörungen kommen.

Unspezifische Nebenwirkungen

  • Veränderungen des Stoffwechsels
    • Hypoglykämie
      • Durch eine Verminderung der Glykogenolyse in der Leber.
    • Verminderung der Insulinsensitivität / Erhöhung des Risikos für Diabetes mellitus
      • Aufgrund einer Verringerung der Glukoseaufnahme im peripheren Gewebe und der frühen Insulinantwort.
      • Da mehr Insulin benötigt wird, um eine gleich starke Reaktion, wie ohne den Betablocker zu erreichen, ist die durchschnittliche Insulinplasmakonzentration erhöht. Da Insulin auch als Wachstumshormon wirkt, sind β-Adrenozeptor-Antagonisten bei Patienten mit Linksherzhypertrophie hinsichtlich der Mortalität schlechter als andere Antihypertensiva zu bewerten. Während unter anderen Antihypertensiva sogar eine Rückbildung der Hypertrophie beobachtet werden konnte, fördern Betablocker eher noch deren weitere Verstärkung.
    • Förderung von Übergewicht 
      • Durch Verringerung des Energieverbrauchs und Steigerung des insulinbedingten Hungergefühls
    • Verschlechterung der Lipidwerte 
      • β-Adrenozeptor-Antagonisten senken die HDL-Plasmakonzentration und erhöhen die Plasmatriglyceridwerte.
    • Die vorgenannten Auswirkungen auf den Stoffwechsel scheinen bei praktisch allen derzeit verfügbaren β-Adrenozeptor-Antagonisten aufzutreten. Ausnahmen sind lediglich Carvedilol (gute Datenlage), Nebivolol (begrenzte Datenlage) und wahrscheinlich Labetalol (schlechte Datenlage, aber gleicher Wirkmechanismus wie Carvedilol).
      • Warum die vorgenannten Substanzen hier so ähnlich in Erscheinung treten, obwohl sich ihre für die Vasodilatation verantwortlichen Wirkmechanismen unterscheiden, ist noch nicht völlig geklärt. Diskutiert wird, dass der fehlende Einfluss auf den Stoffwechsel nahezu ausschließlich eine Folge der bei diesen Substanzen verbesserten peripheren Durchblutung ist.
  • Zentralnervöse Störungen
  • Arzneimittelallergie (v.a. Allergie vom verzögerten Typ)
    • Durch Blockade von β2-Rezeptoren an Mastzellen, die sonst deren Degranulation hemmen
  • Mögliche Verschlimmerung einer Psoriasis (hier Familienanamnese erforderlich)
  • Störungen der Libido und Potenz
    • Bei Männern kommt es unter der Therapie mit Betablockern evtl. zu Erektionstörungen. Hier ist jedoch abzuklären, ob der Grund für die Erektionsstörung tatsächlich im Betablocker liegt, oder aber in einer Vorerkrankung. Für Carvedilol wird ein geringerer Einfluss auf die Erektionsfähigkeit diskutiert. Aufgrund des propagierten Mechanismus wäre dies dann auch für die im Wirkprofil ähnlichen Substanzen Labetalol und Nebivolol zu erwarten.
  • Depressionen
  • Thrombozytopenie (selten)
    • Nur für bestimme Substanzen beschrieben, z.B. bei Atenolol, Metoprolol und Nebivolol. Nicht jedoch z.B. bei Bisoprolol.

Anwendung

Anwendungshinweise

  • Ein antihypertensiver Effekt ist normalerweise erst nach 10 - 14 Tagen zu erwarten.
  • Die Substanzen müssen regelmäßig eingenommen werden und dürfen nach längerer systemischer Anwendung nicht plötzlich abgesetzt werden!

Patientenhinweise

Bemerkungen

  • Wichtigste Arzneistoffgruppe zur Behandlung der koronaren Herzkrankheit (KHK), sowie zur Anfallsprophylaxe bei Angina pectoris.

Achtung


Pharmakologie

Typ

Pharmakodynamik

Wirkungen

  • Blutdrucksenkung
    • β-Blocker beeinflussen den Blutdruck unmittelbar nach ihrer Applikation normalerweise nur wenig. Bei Mehrfachgabe setzt jedoch langsam eine deutliche Blutdrucksenkung ein, die erst nach 10 - 14 Tagen ein Maximum erreicht und bei allen Substanzen unabhängig von deren jeweiligem Wirkprofil in gleicher Weise auftritt.
  • Senkung der Herzfrequenz
    • Die Gefahr einer "Ruhebradykardie" kann durch Einsatz von β-Adrenozeptor-Antagonisten mit partiell agonistischen Eigenschaften gesenkt werden. Beispiele für solche Substanzen sind AcebutololPenbutolol und Pindolol.
  • Verbesserung des Wirkungsgrades der Herzarbeit bei gleichzeitiger Senkung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs
  • Senkung der Kammerwasserproduktion im Auge
  • Verringerung des Tremors bei Morbus Parkinson

Wirkmechanismen (systemisch)

  • Durch die Blockade von β1-Adrenozeptoren werden die positiv inotropen, positiv chronotropen und positiv dromotropen Wirkungen der Katecholamine am Herzen aufgehoben.
    • Sie vermindern also Kontraktionskraft, Erregungsbildungs- und Erregungsausbreitungsgeschwindigkeit.
    • Daraus ergibt sich eine Senkung des HZV und somit des Blutdrucks.
  • Zu Beginn der Therapie erhöhen β-Adrenozeptor-Antagonisten den enddiastolischen Druck, was zu einer Verschlechterung der - v.a. in der Diastole auftretenden - Durchblutung des Herzens führt (Anstieg der myokardialen Komponente des Koronarwiderstands; der Sauerstoffverbrauch steigt, das Angebot sinkt jedoch ab).
    • Aus diesem Grund ist die Kombination mit Vor- oder Nachlastsenkern zu Beginn der Therapie zu empfehlen.
  • Unter der Therapie kommt es jedoch schließlich zu einer deutlichen Reduzierung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs und zu einem verbesserten Wirkungsgrad der Herzarbeit.
  • Die Reduktion des HZV, die bei 20 - 30 % der Patienten zu Beginn der Therapie auftritt, normalisiert sich innerhalb einiger Wochen. Die Blutdrucksenkung bleibt jedoch bestehen.
  • Der Grund für das Verschwinden dieses Effekts während der Therapie ist noch nicht abschließend geklärt. Man vermutet eine Empfindlichkeitszunahme der Barorezeptoren, die den peripheren Gefäßwiderstand längerfristig senkt.
  • Ein weiterer möglicher Mechanismus zur Senkung des Blutdrucks liegt in der Verringerung der Renin-Ausschüttung aus der Niere über die Hemmung von β1-Adrenozeptoren.
    • Die Blutdrucksenkung würde in diesem Fall durch eine verminderte Aktivität des blutdrucksteigernden Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems entstehen.
    • Allerdings tritt die Blutdrucksenkung auch bei Patienten mit niedrigen Renin-Plasmakonzentrationen bereits vor der Therapie und auch bei Substanzen ohne Einfluss auf die Renin-Freisetzung auf (z.B. bei Pindolol).
  • Die Bedeutung der Blockade präsynaptischer α2-Adrenozeptoren und dadurch verminderter Freisetzung von Noradrenalin ist hinsichtlich ihres Anteils an der Blutdrucksenkung ebenso unklar, wie eine mögliche Verringerung sympathischer Impulse durch einen zentralen Angriff.
  • Neben ihren Wirkungen auf den Blutdruck heben β-Adrenozeptor-Antagonisten auch die Stoffwechseleffekte der Katecholamine auf. Glykogenolyse und Lipolyse in Leber und Skelettmuskel werden verringert.
  • β-Adrenozeptor-Antagonisten verhindern (beim Gesunden) die adäquate Reaktion des Herzens auf körperliche Belastung, da die sonst eintretende Herzfrequenzerhöhung blockiert ist.
    • An ihre Stelle tritt nun der Frank-Starling-Mechanismus, der jedoch ebenfalls zu einem vermehrten Sauerstoffbedarf und einem verminderten Sauerstoffangebot führt.
  • Bislang ist bei β-Blockern keine Toleranzentwicklung beobachtet worden.

Wirkmechanismen (lokal)

  • Die topische Anwendung von β-Blockern am Auge bewirkt eine Senkung der Kammerwasserproduktion.
  • Diesem Effekt liegt eine Blockade der β2-Adrenozeptoren im Bereich des Ziliarkörpers, vermutlich an den das Kammerwasser produzierenden Epithelzellen, zugrunde.
  • Letztlich resultiert eine therapeutisch nutzbare Senkung des intraokularen Druckes, die zur Behandlung des Glaukoms eingesetzt wird.

Toxikologie

  • Durch die Therapie mit β-Adrenozeptor-Antagonisten kommt es in den betroffenen Zellen zu einer vermehrten Synthese von β-Adrenozeptoren, die in den Zellmembranen erscheinen.
  • Diese Gegenregulation bewirkt eine überschießende Reaktion auf Impulse des sympathischen Nervensystems ("Rebound Phänomen"), wenn die Therapie abrupt abgesetzt wird, wobei hypertensive Krisen, Angina pectoris Anfälle oder Myokardinfarkte beschrieben wurden.
  • Daher müssen β-Blocker ausschleichend, d.h. unter schrittweiser Reduktion der Dosis abgesetzt werden.
  • Bei β-Blockern mit langer Eliminationshalbwertszeit ist das Rebound-Phänomen weniger stark ausgeprägt.

Einordnung der therapeutischen Bedeutung

  • β-Adrenozeptor-Antagonisten gehören zu den Mitteln der ersten Wahl bei Herzinsuffizienz. Sie senken das Risiko eines plötzlichen Herztodes um 40 %.

Bemerkungen

  • Die Selektivität der β1-Blocker im Vergleich zu den nicht-selektiven β-Blockern ist nur relativ gering und bei den meisten Substanzen nur im Bereich von Faktor 10 bis 25 angesiedelt.

Chemie

Grundstrukturen

β-Blocker vom Aryloxyaminopropanol-Typ β-Blocker vom Phenylethanolamin-Typ
  • Die meisten β-Blocker folgen den oben abgebildeten zwei Aufbauprinzipien.
  • In beiden Fällen ist eine basische Seitenkette direkt oder über eine Etherbrücke mit einem aromatischen oder heteroaromatischen Rest verknüpft.

β-Blocker vom Aryloxyaminopropanol-Typ

  • Die Substanzen dieser Klasse, deren erster Vertreter Propranolol war, wurden aus dem β-Blockern vom Phenylethanolamin-Typ durch Einfügen einer -O-CH2-Gruppe entwickelt.
  • Sie besitzen heute die größte Bedeutung, die meisten β-Blocker folgen ihrem Aufbauprinzip.

β-Blocker vom Phenylethanolamin-Typ

Geschichtliches

  • Den ersten β-Blocker erhielt man durch das Ersetzen der beiden ringständigen OH-Gruppen durch Chlor aus Isoprenalin. Das so erhaltene Dichlorisoprenalin erlangte in der experimentellen Pharmakologie große Bedeutung, wurde jedoch wegen zu starker unerwünschter Arzneimittelwirkungen nicht therapeutisch eingesetzt.
  • Erster in den Handel gebrachter β-Blocker war Propranolol (1964), dem zahlreiche nach dem gleichen Prinzip aufgebaute Substanzen nachfolgten.

Beispiele

Substanzen

β1-selektiv

Nicht-selektiv

Nicht-selektiv mit zusätzlicher α1-antagonistischer Wirkung

Ohne Angabe der Selektivität


 

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