Asthma bronchiale

Synonyme

  • Asthma, Bronchialasthma

Übersicht


Medizin

Definition

  • Entzündliche Erkrankung der Atemwege mit Hyperreaktivität des Bronchialsystems und anfallsweise auftretender, variabel ausgeprägter, Atemwegsobstruktion.

Häufigkeit

  • 5 - 10 % der Erwachsenen in Industrienationen
    • Die Prävalenz von Asthma bronchiale in verschiedenen Staaten ist deutlich unterschiedlich. Nachfolgend die Zahlen für einige Staaten (Stand 2004): Schottland 18,4 %, England 15,3 %, Australien 14,7 %, USA 10,9 %, Deutschland 6,9 %, Hong-Kong 6,2 %, Österreich 5,8 %, Schweiz 2,3 %, Russland 2,2 %, VR China 2,1 %, Griechenland 1,9 %, Indonesien 1,1 %, Macau 0,7%.
  • 10 - 15 % der Kinder in Industrienationen
  • Tendenz steigend

Symptome

  • Typische Symptome sind:
    • Anfallsweise auftretende Atemnot (insbesondere nachts und am frühen Morgen) mit Stridor
    • Pfeifende und giemende Geräusche bei der Auskultation
      • Bei starker Lungenüberblähung oder Sekretverlagerung können die Geräusche auch fehlen.
    • Husten
    • Abhusten von glasig-zähem Schleim.
  • Die Einengung der Atemwege wird dabei durch Mediatoren, insbesondere Entzündungsmediatoren, hervorgerufen, die folgende Effekte hervorrufen:
    • Spasmus der Bronchialmuskulatur
    • Ödematöse Schwellung der Bronchialwand
    • Gesteigerte Sekretion (Hyperkrinie) von Schleim zäher Konsistenz (Dyskrinie).

Bemerkungen

  • Während im Anfangsstadium der Krankheit die Patienten im Intervall zwischen den Anfällen vollkommen beschwerdefrei sind, wird später auch zwischen den Anfällen verstärkt Schleim sezerniert und nur unvollständig abtransportiert.
  • Dadurch ist nicht nur die Lungenfunktion dieser Patienten nun dauerhaft gestört, sondern es besteht außerdem eine zusätzliche Gefährdung durch sekundäre bakterielle Infektionen.
  • Typisch für v.a. das intrinsische Asthma bronchiale (s.u.) sind die nächtlich auftretenden Anfälle. Sie werden durch die endogene Rhythmik des Endokriniums und des vegetativen Nervensystems ausgelöst: Nachts sind die Konzentrationen von Epinephrin und Hydrocortison im Blut niedrig, außerdem überwiegt der Vagotonus. 
    • Damit sinkt der bronchodilatierende Einfluss der β2-Adrenozeptoren zu Gunsten der durch M3-Rezeptoren vermittelten bronchokonstriktorischen Effekte. Gleichzeitig kann sich die Entzündung aufgrund geringerer Entzündungshemmung verstärken.
  • Es kommt somit zu einer deutlichen Begünstigung für das Auftreten eines Bronchospasmus durch Mediatorfreisetzung.
    • Die Wahrscheinlichkeit einen nächtlichen Anfall zu erleiden wird, sofern nicht andere auslösende Faktoren vorliegen, mit bis zu 100fach höher, als am Tag angegeben.
    • Als typische Zeitspanne für das Auftreten dieser nächtlichen Anfälle gilt (bei normalem Schlaf-Wach-Rhythmus) etwa die Zeit von 3 - 5 Uhr morgens.
    • Aus diesem Phänomen heraus ergibt sich der Ratschlag, langwirkende Antiasthmatika, sofern nicht anders angegeben, bevorzugt abends einzunehmen.

Pathogenese

  • Ursache des Bronchialasthmas ist eine durch eine Reihe von Faktoren hervorgerufene entzündliche Reaktion des Bronchialgewebes mit verstärkter Freisetzung von Entzündungsmediatoren.
  • Diese liegen in der Zelle entweder bereits in Speichergranula vor (z.B. Histamin) oder werden auf einen Reiz aus Arachidonsäure-haltigen Membranlipiden (Leukotriene, Prostaglandine, PAF) bzw. im Rahmen der Proteinsynthese (Interleukine [v.a. IL-4 und IL-13], GM-CSF) gebildet.
  • Hauptquellen der Mediatoren sind in der Frühphase der asthmatischen Reaktion (Sofortreaktion) die im Lungengewebe stets vorhandenen Mastzellen, bei der Spätreaktion und der chronischen Entzündung dagegen vor allem die durch Interleukine, GM-CSF, PAF und andere Mediatoren chemotaktisch angelockten eosinophilen Granulozyten. Ein wesentlicher Teil der Zytokine wird zudem von T-Lymphozyten gebildet.
  • Die entzündlichen Reaktionen führen auch zu einer verstärkten Reaktivität (Hyperreaktivität) des Bronchialsystems.
    • Langfristig verstärken sie die auch die beim intrinsischen Asthma bronchiale (s.u.) bereits vorliegende Hyperreagibilität des Bronchialsystems weiter.
    • Diese nimmt so im Verlauf der Erkrankung (und mit ihr die Schwere der Erkrankung) zu; in fortgeschrittenen Stadien können so bereits geringe bronchokonstriktorische Reize einen Asthmaanfall auslösen.
  • Als wesentlicher Faktor für das Zunehmen der Reaktivität wird PAF angesehen.
    • PAF trägt neben aktiven Sauerstoffspezies zur Zerstörung der Epithelzellen bei, wodurch das Eindringen körperfremder (immunogener und nichtimmunogener) Stoffe erleichtert wird.
    • Ebenso führt PAF zur Bildung von zähem Schleim (Dyskrinie).
  • Auch Leukotriene scheinen eine wichtige Rolle zu spielen:
    • Bei Asthmatikern finden sich erhöhte Konzentrationen sogenannter Cysteinyl-Leukotriene (CysLTs) wie LTC4, LTD4 und LTE4 in Blut und Urin.
      • Cysteinyl-Leukotriene (CysLTs) entstehen indem freigesetzte Arachidonsäure zunächst an das Membran-Protein FLAP (five lipoxygenase activating protein) gebunden wird.
      • Dort wird wird sie durch die 5-Lipoxygenase (5-LOX) zu Leukotrien A4 (LTA4) oxidiert.
      • Das instabile LTA4 wird nun entweder durch die LTA4-Hydrolase zu LTB4 abgebaut, oder durch Übertragung eines Glutathionrestes auf LTA4 durch die LTC4-Synthase zum Cysteinyl-Leukotrien LTC4 umgewandelt.
      • LTD4 und LTE4 entstehen aus LTC4 durch zwei weitere enzymatische Reaktionen.
      • Cysteinyl-Leukotriene werden v.a. in basophilen und eosinophilen Granulozyten gebildet.
      • Über CysLT1-Rezeptoren steigern Cysteinyl-Leukotriene die Schleimproduktion im Bronchialsystem, führen zu einer erhöhten Gefäßpermeabilität und somit zu Ödemen, schädigen das Bronchialepithel und verengen so die Bronchien.
  • Bedingt durch die Hyperreaktivität des Bronchialsystems rufen die verschiedenen Mediatoren, insbesondere die Arachidonsäure-Derivate, eine Bronchokonstriktion und damit einen Asthmaanfall hervor.

Formen

Exogen-allergisches (extrinsisches) Asthma

  • Das exogen-allergische Bronchialasthma, das bei etwa 30 - 50 % der Asthmatiker vorliegt, beruht vor allem auf einer IgE-vermittelten Überempfindlichkeitsreaktion.
  • Diese in den letzten Jahrzehnten zunehmend häufigere Erkrankung tritt - oftmals neben der allergischen Rhinitis und dem atopischen Ekzem - bei entsprechend prädisponierten Personen, sogenannten Atopikern, auf.
    • Allergene der verschiedensten Art (Pollen, Kot der Hausstaubmilben, Tierhaare usw.) induzieren bei diesen Patienten zunächst die Bildung von IgE-Antikörpern (Sensibilisierung), die sich auf der Oberfläche von Mastzellen, aber auch basophilen und eosinophilen Granulozyten u.a., festsetzen.
    • Werden beim erneuten Allergenkontakt zwei benachbarte IgE-Antikörper durch das Allergen überbrückt, so tritt eine Degranulation dieser Zellen und damit eine Freisetzung von Mediatoren ein.
  • Beim allergischen Asthma kommt es nach dieser IgE-vermittelten Sofortreaktion, die vor allem von Mastzellen an der Oberfläche der Bronchialschleimhaut ausgeht, und der Auslösung eines ersten Asthmaanfalls sehr häufig auch zu einem zweiten Anfall 4 - 8 h später.
  • Dieser kommt durch die allergische Spätreaktion zustande. Die während der Sofortreaktion freigesetzten Mediatoren schädigen das Bronchialepithel und locken zahlreiche weitere Mastzellen und andere Entzündungszellen aus tieferen Gewebsschichten an, die nun zeitversetzt ebenfalls Mediatoren freisetzen und eine Entzündung auslösen.
    • Diese führt zu Hyperämie, Exsudation und Ödemen. Die Schleimproduktion wird erhöht (Hyperkrinie), das gebildete Sekret zugleich zäher (Dyskrinie).
  • Für den typischen Bronchospasmus ist jedoch die - oft hypertrophierte - Bronchialmuskulatur verantwortlich.
    • Besonders bei Vorliegen einer bronchialen Hyperreaktivität ist dieser Bronchospasmus stark ausgeprägt.
      • Im Status asthmaticus sind durch den Bronchospasmus die Bronchien eng gestellt, während die Bronchiolen durch Schleim verlegt sind.
  • Die Hyperreaktivität des Bronchialsystems kann sich z.B. während der "Heuschnupfensaison" verschlimmern, ebenso nimmt sie nach Infekten zu. Substanzen wie SO2, NO2, O3 oder Isocyanate erhöhen sie ebenso wie aktives oder passives Rauchen.

Intrinsisches (kryptogenes) Asthma

  • Dem intrinsischen Asthma werden verschiedene Unterformen, z.B. das Infektasthma, das physikalisch-irritative, chemisch-toxische oder medikamentös bedingte Asthma zugeordnet.
  • Beim intrinsischen Bronchialasthma sind keine spezifischen, den akuten Anfall auslösenden Allergene bekannt.
  • Vorraussetzung ist vielmehr eine Hyperreagibilität des Bronchialsystems, als deren Ursache eine genetische Disposition diskutiert wird.
  • Bei den Patienten führen bereits unspezifische Reize, wie z.B. Infekte, die Inhalation von Tabakrauch, Kaltluft, Nebel oder Luftverunreinigungen, zu einer überschießenden Reaktion des Bronchialsystems.
    • Die Reize aktivieren Rezeptoren in der Bronchialwand, die als Irritant Receptors bezeichnet werden.
    • Reflektorisch kommt es nun zur Erregung efferenter Vagusfasern, deren Überträgerstoff Acetylcholin nun über M3-Rezeptoren die glatte Bronchialmuskulatur zur Kontraktion veranlasst (Reflexbronchokonstriktion).
    • Acetylcholin bewirkt außerdem eine Mastzelldegranulation und damit die weitere Auslösung der oben geschilderten Pathomechanismen.
    • Der gesamte Prozess wird durch einen positiven Rückkopplungsmechanismus verstärkt:
      • Acetylcholin und das durch dieses freigesetzte Histamin stimulieren nämlich ihrerseits die Irritant Receptors, woraus wiederum eine verstärkte Vaguserregung resultiert.
  • Als wesentlicher Faktor wird die Undichtigkeit des Bronchialepithels diskutiert.
    • Die Irritant Receptors, die zwischen und unter den Epithelzellen liegen, sind normalerweise vor der Einwirkung äußerer Reize durch Tight junctions geschützt. Werden diese nun aber bei entsprechend disponierten Personen durchlässig, können physikalische und chemische Reize die Rezeptoren ungehindert erreichen.
Medikamentös bedingtes Asthma bronchiale
  • Über wieder andere Mechanismen werden die medikamentös bedingten Asthmaformen ausgelöst, von denen als wichtigste das β-Adrenozeptor-Antagonisten-induzierte Asthma und das "Analgetika-Asthma" zu nennen sind.
  • Das als Geschmacksverstärker eingesetzte Kaliumglutamat (weniger Natriumglutamat) und Tyramin z.B. in fermentiertem Käse oder Rotwein können bei Asthmatikern ebenfalls zu einer Beeinträchtigung der Lungenfunktion bis zum akuten Asthmaanfall führen. Gleiches gilt z.B. auch für die als Konservierungsmittel eingesetzten Benzoesäure-Derivate ("Parabene") und Sulfite.

Bemerkungen

  • Im Laufe der Zeit kommt es bei Patienten mit allergischem Asthma bronchiale oftmals dazu, dass neben den eigentlichen Allergenen nun auch unspezifische Reize einen Asthmaanfall auslösen; das allergische Asthma ist in eine Mischform mit dem intrinsischen Asthma übergegangen.
  • Allgemein sind die beiden genannten Hauptformen selten rein ausgeprägt; häufiger treten sie als Mischformen mit fließenden Übergängen auf.

Stufenschema

  • Außer anhand der Pathogenese kann das Bronchialasthma auch nach der Schwere der Symptome eingeteilt werden. 
  • Man unterscheidet (2008) vier Stufen:
Stufe 1 (intermittierendes Asthma)
  • Maximal zweimal wöchentlich kurz anhaltende Anfälle
  • Nächtliche Anfälle nicht mehr als zweimal monatlich
  • Lungenfunktion nur um bis zu 20 % gegenüber dem Sollwert verringert (PEF > 80 %)
  • Zwischen den Anfällen keine Beeinträchtigung der Lungenfunktion und keine Symptome
Stufe 2 (persistierendes leichtes Asthma)
  • Maximal einmal täglich auftretenden Beschwerden 
  • Mehr als zwei nächtliche Anfälle pro Monat
  • Peak-Flow mindestens 80 % des Sollwertes
  • Beeinträchtigungen der Aktivität und des Schlafes möglich
Stufe 3 (persistierendes mittelschweres Asthma)
  • Häufigere, insbesondere nächtliche, Anfälle 
    • Anfälle können täglich auftreten, nächtliche Anfälle treten mehr als einmal pro Woche auf
  • Peak-Flow 60 - 80 % des Sollwertes
  • Beeinträchtigungen der Aktivität und des Schlafes obligatorisch
Stufe 4 (persistierendes schweres Asthma)
  • Nächtliche Anfälle mehrmals pro Woche
  • Peak-Flow unter 60 % des Sollwertes
  • Starke Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, praktisch ständige Beschwerden
  • Akute, z.T. lebensbedrohliche Verschlimmerungen möglich
  • Hinsichtlich der angegeben Peak-Flow-Werte zur Beurteilung der Lungenfunktion ist anzumerken, dass diese physiologisch im Tagesverlauf um über 15 % schwanken können.
  • Die angesprochenen Sollwerte ergeben sich aus den beobachteten Durchschnittswerten der nicht erkrankten Bevölkerung und können individuell berechnet, oder aus Nomogrammen abgelesen werden. Die individuelle Berechnung bietet den Vorteil, dass mehr Parameter wie Alter, Geschlecht, Körpergröße, Körpergewicht und sonstiger Allgemeinzustand mit berücksichtigt werden können. Für eine schnelle Übersicht reichen die Nomogramme jedoch meist aus:

Peak-Flow-Normwerte für Erwachsene

Auf der X-Achse ist das Alter in Jahren, auf der Y-Achse der Peak-Flow in l/min angegeben. Die Kurven geben den mittleren Peak-Flow gesunder Personen des gekennzeichneten Geschlechts mit der jeweils angegebenen Körpergröße an. 

Peak-Flow-Normwerte für Kinder zwischen 6 und 15 Jahren

Auf der X-Achse ist die Körpergröße, auf der Y-Achse der Peak-Flow in l/min angegeben. Die Kurven geben den Mittelwert gesunder Kinder sowie die Grenzen des 95 %-Konfidenzintervalls für noch physiologische Werte an.

Diagnostik

  • Lungenfunktionstest
    • Mittels Spirometer oder Bodyplethysmographie
  • Sputum-Untersuchung

Therapie

Medikamentöse Therapie

  • Zur medikamentösen Therapie steht mit den Antiasthmatika eine eigene Medikamentengruppe zur Verfügung.
  • Die Anwendung der dort beschriebenen einzelnen Gruppen sollte sich an dem folgenden Stufenplan (2016) orientieren:
Therapiestufe Controller Bemerkungen
Stufe 1
  • Keiner
  • Eine Therapie ist nur im akuten Anfall indiziert.
  • Es werden inhalativ applizierte, kurzwirkende β2-Adrenozeptor-Agonisten eingesetzt.
Stufe 2
  1. Glukokortikoid (inhalativ)
  2. CysLT1-Rezeptor-Antagonist (p.o.)
  • Eine regelmäßige inhalative Applikation von Glukokortikoiden zur Entzündungshemmung wird empfohlen.
  • Alternativ sind CysLT1-Rezeptor-Antagonisten indiziert.
    • Hemmstoffe der Mediatorfreisetzung wie Cromoglicinsäure werden nicht mehr empfohlen, können aber bei individuell nachgewiesenem Nutzen additiv verwendet werden.
  • Die Therapie des akuten Anfalls richtet sich nach dem für Stufe 1 beschriebenen Schema.
Stufe 3
  1. Glukokortikoid (inhalativ) + β2-Adrenozeptor-Agonist (langwirkend, inhalativ)
  2. CysLT1-Rezeptor-Antagonist (p.o.) + Glukokortikoid (inhalativ)

 

  • Als Basistherapie wird, zusätzlich zu inhalativ eingesetzten Glukokortikoiden, ein inhalativ applizierter, langwirkender β2-Adrenozeptor-Agonist eingesetzt.
  • Alternativ wird in dieser Stufe der CysLT1-Rezeptor-Antagonist der Stude 2 mit einem inhalativ eingesetzten Glukokortikoid kombiniert, wobei diese Kombination deutlich schwächer ist.
    • Auch retardierte Theophyllin-Präparate können eingesetzt werden, sollten jedoch aufgrund der geringen therapeutischen Breite vermieden werden und sind in neuen Leitlinien nicht mehr enthalten.
    • CysLT1-Rezeptor-Antagonisten können als weitere Zusatztherapie verwendet werden.
  • Die Therapie des akuten Anfalls richtet sich nach dem für Stufe 1 beschriebenen Schema.
Stufe 4
  1. Glukokortikoid (inhalativ) + β2-Adrenozeptor-Agonist (langwirkend, inhalativ) + Tiotropiumbromid (inhalativ)
  2. Glukokortikoid (inhalativ) +/- β2-Adrenozeptor-Agonist (langwirkend, inhalativ) +/- Tiotropiumbromid (inhalativ) +/- CysLT1-Rezeptor-Antagonist (p.o.)
  • Die Therapie erfolgt grundsätzlich wie bei Stufe 3 - lediglich die Dosierungen sind höher. Zusätzlich wird nun der Einsatz von Tiotropiumbromid empfohlen.
  • Auf Neueinstellungen mit Theophyllin sollte verzichtet werden, da die therapeutische Breite relativ gering ist.
  • Die Therapie des akuten Anfalls richtet sich nach dem für Stufe 1 beschriebenen Schema.
Stufe 5
  • Therapie der Stufe 4 + Anti-IgE-Antikörper oder Anti-IL-5-Antikörper +/- Glukokortikoid (p.o.)
  • Die Therapie erfolgt grundsätzlich wie bei Stufe 4 allerdings mit der Erweiterung um einen Anti-IgE-Antikörper oder Anti-IL-5-Antikörper (sofern möglich).
  • Erst in Stufe 5 sollte von einem inhalativen Glukokortikoid auf ein systemisch appliziertes Glukokortikoide gewechselt werden, bzw. dieses sollte zusätzlich in die Therapie aufgenommen werden..
  • Auf Neueinstellungen mit Theophyllin sollte verzichtet werden, da die therapeutische Breite relativ gering ist.
  • Die Therapie des akuten Anfalls richtet sich nach dem für Stufe 1 beschriebenen Schema.
Akuter Asthmaanfall Reliever  
Leichter Asthmaanfall  
Schwerer Asthmaanfall  
Lebensbedrohlicher Asthmaanfall
  • In neueren Leitlinien wird die Indikation für Theophyllin zunehmend eingeschränkt. Inzwischen wird es - vor allem aufgrund der geringen therapeutischen Breite - nur noch beim lebensbedrohlichen Asthmaanfall empfohlen.
Therapie mit Sauerstoff
  • Eine Langzeittherapie mit 2 - 4 l/min Sauerstoff, der über eine Nasensonde der normalen Atemluft zugegeben wird, kann bei Patienten mit einem chronischen arteriellen Sauerstoffpartialdruck von unter 55 mmHg indiziert sein.
  • Zu Beginn dieser Therapie sollte nach einigen Stunden eine weitere Blutgasanalyse durchgeführt werden. Nur wenn hier eine Verbesserung des arteriellen pO2 um mindestens 5 mmHg und keine Erhöhung des pCO2 feststellbar ist, sollte die Therapie fortgesetzt werden.
  • Bei Patienten, die auf eine erhöhte Sauerstoffzufuhr mit einer Verminderung des Atemantriebs reagieren, käme es zu einem Ansteigen des pCO2-Wertes. Hier besteht die Gefahr, dass die Patienten beim Erreichen sehr hoher pCO2-Spiegel in eine CO2-Narkose geraten und ersticken.

Nicht medikamentöse Therapie

  • Bei Patienten mit allergischem Asthma bzw. bei denen allgemein auslösende Faktoren bekannt sind, sollte die Vermeidung dieser Faktoren im Vordergrund stehen.
  • Zusätzlich kann ein Atemtraining durchgeführt werden, das folgende Bestandteile umfassen sollte:
    • Erlernen der Lippenbremse
    • Stärkung der Atemmuskulatur
    • Hustentraining (Sekretmobilisierung, Hustendisziplin)
    • Erlernen des Einsatzes von speziellen Hilfsmitteln zur Erleichterung des Schleimabhustens
    • Auswahl geeigneter Sportarten

Therapiekontrolle

  • Da Asthma bronchiale ein variabler Krankheitsprozess ist, der - unzureichend therapiert - langfristig zu funktionellen Veränderungen der Lunge führt, sollte die Lungenfunktion des Patienten regelmäßig überprüft werden. So können Verschlechterungen rechtzeitig erkannt und angemessen reagiert werden.
  • Diese Überprüfung kann und sollte vom Patienten selbst vorgenommen werden. Eine tägliche Kontrolle ist dabei wünschenswert; die ermittelten Werte sollten in ein Asthmatagebuch eingetragen werden.
  • Wichtigster Parameter bei der Ermittlung der Lungenfunktion ist der so genannte Peak-Flow (Peak expiratory flow, PEF), unter dem man die maximale Flussgeschwindigkeit des Atemstroms bei der forcierten Ausatmung versteht.
    • Der Peak-Flow eines Asthmatikers schwankt normalerweise abhängig von der Tageszeit (nachts und morgens niedriger als sonst), bessert sich normalerweise rasch nach der Inhalation von kurz wirksamen β2-Adrenozeptor-Agonisten und bessert sich allmählich bei regelmäßiger Anwendung von Glukokortikoiden.
Ampelschema
  • Die Aussagekraft eines isolierten Peak-Flow-Wertes ist zunächst gering. Um einen schnellen Eindruck von der aktuellen Lungenfunktion zu erhalten, wird er gemäß dem "Ampelschema" ausgewertet.
  • Grundlage des Ampelschemas ist zunächst der persönliche Bestwert des Peak-Flow des Patienten: Dieser ergibt sich als Maximum verschiedener Peak-Flow-Messungen über mehrere Wochen unter optimalen Bedingungen.
  • Dieser Bestwert dient nun als Vergleichsbasis für den aktuell ermittelten Peak-Flow. Daraus ergeben sich folgende Möglichkeiten:
Rot
  • Abfall des Peak-Flow unter 50 % des persönlichen Bestwertes.
  • Starke Symptome (Husten, Dyspnoe)
  • Sofortige Therapie mit inhalativen, kurzwirkenden β2-Adrenozeptor-Agonisten erforderlich; wenn keine Besserung innerhalb weniger Minuten unbedingt ärztliche Behandlung erforderlich.
Gelb
  • Peak-Flow zwischen 50 und 80 % des persönlichen Bestwertes.
  • Symptome wie Husten, Stridor, verminderte Belastbarkeit und gestörter Schlaf.
  • Zeitnahe Therapie mit inhalativen, kurzwirkenden β2-Adrenozeptor-Agonisten erforderlich. Basismedikation durch Arzt anpassen lassen.
Grün
  • Peak-Flow im Bereich von 80 bis 100 % des persönlichen Bestwertes.
  • Keine Symptome.
  • Keine Veränderung des aktuellen Therapieregimes notwendig.

Therapieziele

  • Vermeidung von akuten Asthma-Anfällen
    • Hierbei sollte dem Patienten der Sinn und die Notwendigkeit der Basismedikation klargemacht werden.
    • Vor allem Glukokortikoide werden aufgrund ihrer (bei inhalativer Anwendung kaum auftretenden) Nebenwirkungen häufig (Studien gehen von bis zu 75 % der Patienten aus) gar nicht oder nicht regelmäßig angewendet, da das Auslassen einer einzelnen Dosis auch keinen sofort spürbaren negativen Effekt zeigt.
    • Hier ist bei der Abgabe in der Apotheke unbedingt darauf hinzuweisen, dass hier eine alleinige Therapie akuter Anfälle mit β2-Adrenozeptor-Agonisten nicht ausreichend ist, da es so langfristig zu einer weiteren Verschlechterung des Krankheitsbildes kommen kann.
  • Wiederherstellung einer normalen oder bestmöglichen Lungenfunktion
  • Verhinderung krankheitsbedingter Beeinträchtigungen der körperlichen Aktivität
  • Verbesserung der Lebensqualität
  • Vermeidung von Problemen bei der Anwendung der eingesetzten Arzneimittel
    • Hierzu gehört v.a. die richtige Anwendung der für die endobronchiale Applikation eingesetzten Inhalationssysteme (z.B. Dosieraerosole, Pulverinhalatoren) und Inhalationshilfen. Diese sollte dem Patienten bei der erstmaligen Abgabe eines solchen Arzneimittels in der Apotheke unbedingt gezeigt werden. Auch im weiteren Verlauf der Therapie sollte dem Patienten zumindest angeboten werden, seinen Inhalator noch einmal erklärt zu bekommen.

Prognose

  • Eine unzureichende Behandlung führt langfristig zu irreversiblen funktionellen und strukturellen Veränderungen in der Lunge.
    • Hierbei scheint eine Verschiebung des Gleichgewichts zwischen Matrix-Metalloproteinen (MMPs) und ihren endogenen Inhibitoren (TIMPs - tissue inhibitors of metalloproteinases) von Bedeutung zu sein.
      • MMPs sind zinkhaltige Enzyme, die Proteoglykane und Proteine der extrazellulären Matrix des Bindegewebes (Kollagen, Glykosamine u.a.) abbauen.
    • Diese Gleichgewichtsverschiebung bei den Enzymen führt nachfolgend zu einer Gleichgewichtsverschiebung zwischen Abbau und Regeneration der extrazellulären Matrix.
  • Noch immer sterben, trotz guter Therapiemöglichkeiten, mehrere Tausend Menschen pro Jahr allein in Deutschland an Asthma.

Bemerkungen

Asthma und Schwangerschaft

  • Bei 80 % der schwangeren Asthmatikerinnen bessern sich die Symptome und die bronchiale Hyperreaktivität während der Schwangerschaft.
  • Die größte Gefahr für das ungeborene Kind geht von einer Hypoxie während eines Asthmaanfalles der Mutter aus. Daher ist die Therapie der Schwangeren unbedingt fortzusetzen.
  • Da keines der normalen Antiasthmatika teratogen ist, sind durch die Therapie keine erhöhten Gefahren für das Kind zu erwarten. Allerdings sollte gegen Ende der Schwangerschaft bei der oralen Gabe von β2-Adrenozeptor-Agonisten beachtet werden, dass diese tokolytisch wirken können.
  • Theophyllin und systemisch eingesetzte Glukokortikoide gehen in die Muttermilch über. Inhalativ verabreichte Medikamente (auch Glukokortikoide) erreichen nur so geringe Plasmaspiegel, dass keine Auswirkungen auf den Säugling zu erwarten sind.

Notfallmedizin

Symptomatik

  • Anfallsweise auftretende Atemnot mit exspiratorischem Stridor
    • Stridor und andere Atemgeräusche können bei starken Anfällen und bestehender Lungenüberblähung fehlen ("silent chest"). In diesen Fällen ist immer der Notarzt nachzufordern!
  • Dyspnoe oder Orthopnoe mit Einsatz der Atemhilfsmuskulatur
  • Quälender Hustenreiz
  • Abhusten von glasig zähem Schleim
  • Unruhe, Angst und Schweißausbruch
  • Verwirrtheit, Somnolenz

Kurzanamnese

Sofortdiagnostik

  • Basischeck
  • Puls (erhöht), SaO2 (erniedrigt), RR (erhöht), EKG
    • Bei leichten und mittelschweren Anfällen (Puls < 120, PEF > 50  % des persönliches Bestwertes) kann zunächst auf Nachforderung des Notarztes verzichtet werden, so eine Besserung der Beschwerden (PEF > 75 %) durch Gabe des Dosieraerosols erfolgt.
    • Bei schweren Anfällen (Puls > 120, PEF < 50 % des persönlichen Bestwertes) und im Status asthmaticus ist sofort der Notarzt nachzufordern!
  • Tachykarde Herzrhythmusstörungen, Hypertonie?
  • Zyanose?
  • Halsvenenstauung?

Sofortmaßnahmen

Alle Schweregrade

  • Beruhigen
  • Beengende Kleidung öffnen
  • Sitzende Lagerung oder stehend mit vorgebeugtem Oberkörper ("Torwarthaltung") zur Erleichterung des Einsatzes der Atemhilfsmuskulatur
  • Gegen zusammengepresste Lippen ausatmen lassen
  • Fenoterol als Dosieraerosol
    • Initial 2 Hübe, insgesamt - also inkl. bereits vom Patienten angewendeter β2-Adrenozeptor-Agonisten - jedoch nicht mehr als 4 Hübe innerhalb ca. 15 min, da bei dieser Dosierung bereits praktisch alle β2-Adrenozeptoren in den Bronchien besetzt sein sollten und durch eine Dosiserhöhung praktisch nur noch Nebenwirkungen auftreten! Wenn keine deutliche Besserung innerhalb 10 min Notarzt nachfordern!
  • Sauerstoffgabe
    • 2 - 4 l/min initial, bei bestehender Zyanose und Beatmungsbereitschaft auch mehr.

Schwere Anfälle

Erweiterte Maßnahmen

Schwere Anfälle

Status asthmaticus

  • Zusätzlich Vorbereitung der Intubation

Achtung

  • Die "Regel", dass bei Asthmatikern nur einen Sauerstoffflow von 2 l/min verwendet werden soll, gilt natürlich nicht bei zyanotischem Patienten! Bei Zyanose maximalen Flow verwenden, auf Atemdepression achten, Beatmungs- und Intubationsbereitschaft herstellen!

 

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