Nicht-steroidale Antiphlogistika (NSA)
Synonyme
- COX-Hemmer, Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), Non-steroidal
anti-inflammatory drugs (NSAID)
Übersicht
Medizin
Typ
Definition
- Antiphlogistisch, analgetisch und antipyretisch wirkende Substanzen, deren
entzündungshemmender Wirkung im
Wesentlichen eine Hemmung der Prostaglandinsynthese durch nicht-selektiven
Angriff an den Isoformen 1 und 2 der Cyclooxygenase
zugrunde liegt.
Untertyp
Indikationen
- Entzündliche und entzündlich aktivierte degenerative rheumatische
Erkrankungen
- Nichtrheumatische, mit Schmerzen einhergehende Entzündungen
und Schwellungen (z.B. bei Verletzungen oder nach Operationen)
- Akute Gelenkentzündungen, Gicht
(akuter Gichtanfall)
- Weichteilrheumatismus
- Verschluss eines nach der Geburt offen gebliebenen Ductus
arteriosus
Kontraindikationen
Absolute Kontraindikationen
Relative Kontraindikationen
- Schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen
- Starker Volumenmangel oder Salzmangel
- In diesen Fällen ist das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System
voll bereits stark aktiviert, wofür auch Prostaglandine in der Niere
verantwortlich sind. Eine Hemmung der Prostaglandinsynthese durch
COX-Hemmer könnte zu einer akuten Verschlechterung der GFR bis hin zum
Nierenversagen führen. Durch die verminderte GFR können weniger
Natrium und Kalium ausgeschieden werden, wodurch insbesondere über die
verminderte Natriumausscheidung Ödeme und eine Erhöhung der Vorlast
des Herzens auftreten können, durch die verminderte Ausscheidung von
Kalium eine Hyperkaliämie.
- Allgemein meist gastrointestinale Störungen unterschiedlichen
Schweregrads (z.B.
Magenbeschwerden, Magenschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Mikroblutungen, Ulzera)
- Etwa 50 % der Patienten, die regelmäßig (täglich) nicht-steroidale Antiphlogistika
einnehmen (etwa 5 % der Bevölkerung!) bekommen Magenbeschwerden. 10 % der Patienten entwickeln ein
Ulcus
ventriculi bzw.
duodeni,
bei 1 % kommt es zu Komplikationen mit Blutungen und Perforation, 0,1 %
der Patienten sterben an diesen Komplikationen!
- Die Wahrscheinlichkeit für solche Komplikationen steigt mit
zunehmender Einnahmedauer an und korreliert zudem mit der
inhibitorischen Wirkung auf die COX-1.
- Überempfindlichkeitsreaktionen
- Asthma
bronchiale
- Bei besonders disponierten Patienten, insbesondere Asthmatikern,
besteht die Gefahr der Auslösung eines Asthmaanfalls (pseudoallergische
Reaktion).
- Dabei werden durch die Hemmung der Cyclooxygenase
und des dadurch erhöhten Substratangebots an die Lipoxygenase weniger
bronchodilatierende Prostaglandine und mehr bronchokonstriktorische Leukotriene
gebildet.
- Kopfschmerzen, Müdigkeit, Verwirrtheit, Schwindel, Ohrensausen
- Störungen der Nierenfunktion, Ödeme,
Hypertonie
- Die Substanzen hemmen durch ihre allgemeine COX-Hemmung auch die
Produktion von Prostaglandinen in der Niere. Da diese die Durchblutung der Nieren
erhöhen, kommt es somit nun zu einer verringerten Nierendurchblutung. Dies
kann zu die Nierenfunktion beeinträchtigen und zu Nierenschäden führen.
Aufgrund der verminderten Flüssigkeitsausscheidung sind Ödeme, Störungen
im Elektrolythaushalt (v.a. Na+ und K+) und Hypertonie
möglich.
- Erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse
- Durch Hemmung der COX-2 wird in den Endothelzellen der Gefäße
weniger vasodilatatorisch und antiproliferativ wirkendes Prostacyclin
gebildet. Über die ebenfalls gehemmte Expression von Thrombomodulin
werden auch antiaggregatorische Effekte vermindert. Die Hemmung der
COX-1 hingegen unterdrückt die durch Thromboxan
A2 vermittelte Plättchenaggregation, Vasokonstriktion und
Proliferation der glatten Muskulatur am Gefäß.
- Prostaglandine aus den Endothelzellen spielen auch eine Rolle bei der
Stabilisierung von Plaques in den Gefäßen. Es wird diskutiert, dass
daher eine Verminderung von v.a. Prostaglandin E2 und I2
das Risiko für Thromboembolien erhöht.
- Störungen der Hämatopoese
- Störungen der Leberfunktion
- Blutungen
- Bis auf Acetylsalicylsäure, bei der die erhöhte Blutungsneigung über 4 - 7
Tage bestehen bleibt, hält die gerinnungshemmende Wirkung der Substanzen nur
wenige Stunden (in etwa der Wirkdauer entsprechend) an.
- Das Risiko für diese Art der Nebenwirkung korreliert direkt mit der
inhibitorischen Wirkung auf die COX-1.
- Uteruskontraktionshemmung
- Vorzeitiger Verschluss des Ductus
arteriosus
Anwendung
Bemerkungen
- Die Angaben über eine Veränderung des Risikos für kardiovaskuläre
Ereignisse (Myokardinfarkt, Apoplex, etc.) schwanken von Studien zu Studie
zum Teil deutlich, daher sind die hier aufgeführten Werte nicht als Absolut-,
sondern als Tendenzwerte zu verstehen.
1,36 [1,21 - 1,54] / 1,40 [1,16 - 1,70] |
1,06 [0,95 - 1,18] / 1,07 [0,97 - 1,18] (bei hoher Dosierung
[> 1200 mg/d] höher) |
1,30 [1,07 - 1,60] |
1,06 [0,70 - 1,59] |
0,96 [0,84 - 1,10] / 0,97 [0,87 - 1,07] |
- Als Vergleich sei Rofecoxib aufgeführt, dass aufgrund seiner
kardiovaskulären Risiken vom Markt genommen wurde. Hier wird das relative
kardiovaskuläre Risiko mit 1,33 bei Dosierungen bis 25 mg/d und 2,09 bei
höherer Dosierung angegeben (2006).
Pharmakologie
Wirkmechanismen
- NSARs hemmen unspezifisch die Cyclooxygenase,
die Arachidonsäure und
andere ungesättigte C20-Säuren in cyclische Endoperoxide, die
Vorstufen der Prostaglandine sowie von Thromboxan
A2 und Prostacyclin,
überführt.
- Prostaglandine
sind an der Entstehung des Schmerzes und des Fiebers
sowie an entzündlichen Reaktionen wesentlich beteiligt.
- Es ist somit leicht einzusehen, dass Verbindungen, die die Bildung von
Prostaglandinen
blockieren, gleichzeitig schmerzunterdrückend, fiebersenkend und
entzündungshemmend wirken.
- Auch eine Reihe weiterer Effekte lässt sich über eine
Prostaglandinsynthesehemmung erklären.
- So ist die allgemeine Prostaglandinsynthesehemmung auch für die im
Prinzip bei allen NSARs gleichen Nebenwirkungen verantwortlich.
- Nicht alle Wirkungen der nicht-steroidalen Antiphlogistika
können jedoch auf eine Hemmung der Prostaglandinsynthese zurückgeführt
werden. Diese ist nur ein, wenn auch sehr bedeutsamer, Teilaspekt.
- So besteht z.B. keine eindeutige Korrelation zwischen der analgetischen
Wirkung und der Unterdrückung der Prostaglandinbildung.
- Es kann als sicher gelten, dass es auch zu Wechselwirkungen
mit anderen Mediatoren
und Enzymsystemen sowie zu einer Beeinflussung von Immunreaktionen und einer
verringerten Bildung von aktiven Sauerstoffspezies kommt.
- Insgesamt sind die genauen molekularen Wirkmechanismen noch immer
weitestgehend unbekannt.
- Darüber hinaus weisen die einzelnen Verbindungen noch gewisse
substanztypische Wirkungen auf.
- Die "klassischen" sauren Antiphlogistika
werden allgemein rasch und gut resorbiert.
- Sie reichern sich in den Zellen des entzündeten Gewebes an.
- Der pH-Wert des Gewebes ist in diesem Bereich geringer, so dass dort
mehr ungeladener
Arzneistoff
vorliegt und so auch mehr
Arzneistoff
die Zellmembran durchdringen kann.
- Dies verringert zum einen die Nebenwirkungen auf den Gesamtorganismus,
da weniger hohe systemische Konzentrationen erforderlich sind, zum
anderen erklärt dies aber auch das Auftreten von Nebenwirkungen v.a. am
Magen, da dort physiologisch bereits ein niedriger Gewebe-pH-Wert
vorliegt.
- Die erhöhte Gefäßpermeabilität im entzündeten Gewebe und die
allgemein hohe Plasmaproteinbindung
saurer NSARs von über 99 % führt darüber hinaus zu einem schnellen
Transport der Substanzen in entzündete Gewebe.
Bemerkungen
Topische Anwendung
- Nicht-steroidale Antiphlogistika wie Diclofenac
oder Ibuprofen können auch
über die Haut resorbiert werden. Dabei werden in den topisch behandelten
Gebieten klinisch wirksame Wirkstoffkonzentrationen erreicht. Besonders
indiziert scheinen lokale Applikationen bei weichteilrheumatischen Symptomen
zu sein.
- Lokale Hautreaktionen sind unter der Therapie mit nicht-steroidalen
Antirheumatika nicht häufiger als bei Placebos, so dass die auftretenden
Reaktionen den Arzneistoffträgern zugeschrieben werden können.
- Die lokale Anwendung zeigt keine systemischen Nebenwirkungen, insbesondere
Einflüsse auf Magenschleimhaut und Nieren
wurden nicht beobachtet.
Gastrointestinale Nebenwirkungen
- Die Nebenwirkungen auf den Gastrointestinaltrakt sind durch galenische
Maßnahmen, wie z.B. die Herstellung magensaftresistenter Tabletten, oder
die Gabe von Suppositorien anstelle einer oralen Applikationsform kaum zu
vermeiden, da eine Schädigung der Magenschleimhaut vor allem durch die
systemische, nicht durch die lokale, Hemmung der Prostaglandinsynthese
hervorgerufen wird.
- Insgesamt korreliert das Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen gut
mit der COX-1-hemmenden Wirkung der Substanzen.
- Substanzen wie Ibuprofen oder - wohl etwas weniger - Diclofenac werden
in der Regel besser vertragen als etwa Indometacin, Ketoprofen, Naproxen
oder Piroxicam.
Chemie
Bemerkungen
- Saure NSARs besitzen einen lipophilen und einen hydrophilen Molekülteil.
- Ihre pKS-Werte
liegen allgemein im Bereich zwischen 3 und 6.
Substanzklassen
Beispiele
Substanzen
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