Diclofenac
Übersicht
Medizin
Typ
Indikationen
- Schmerzhafte Schwellungen oder Entzündungen nach Verletzungen oder Operationen
- Rheumatologische Erkrankungen
- Thrombophlebitis
- Chronische und akute
Arthritiden (einschließlich akuter Gichtanfall)
- Aktinische Keratose (lokale
Anwendung)
Kontraindikationen
Absolute Kontraindikationen
- Hämorrhagische Diathese
- Analgetika-Intoleranz
- Beim Auftreten von Reaktionen wie z.B. Asthma bronchiale oder Urtikaria
auf vorherige Diclofenac-Exposition oder andere NSAR, sollte Diclofenac
nicht angewendet werden.
- Ulcus duodeni, Ulcus ventriculi
- Schwangerschaft (3. Trimenon)
- Vorzeitiger Verschluss des Ductus arteriosus möglich
- Stillzeit, Kinder unter 6 Jahren
Relative Kontraindikationen
- Akute hepatische Porphyrie
- Schwangerschaft (1. und 2. Trimenon)
-
Gastrointestinale Beschwerden und Vorerkrankungen
- Niereninsuffizienz, schwere Leberinsuffizienz
-
Asthma bronchiale
- Bevorstehende operative Eingriffe
- Herzinsuffizienz
der NYHA-Stadien II bis IV, ischämische Herzerkrankung, periphere
Arterienerkrankung oder Erkrankungen der Hirngefäße
- Strenge Indikationsstellung, allerdings praktisch nur bei geplanter
längerer Anwendung erforderlich
- Digoxin, Lithium
- Wirkungsverstärkung der genannten Substanzen aufgrund einer
Erhöhung der Plasmakonzentration
- Glukokortikoide, Nicht-steroidale
Antiphlogistika
- Gegenseitige Verstärkung der ulzerogenen Wirkung
- Methotrexat
- Erhöhte Toxizität des Methotrexats
- Diuretika, Antihypertensiva
- Verminderung der Wirkung der genannten Substanzen
- Bei kaliumsparenden Diuretika
zusätzlich erhöhtes Risiko für eine Hyperkaliämie
- Gyrasehemmer
- Für die Kombination von Diclofenac mit Gyrasehemmern ist ein
erhöhtes Risiko für Krämpfe beschrieben. Diese Interaktion ist
jedoch insgesamt selten.
- Ciclosporin
-
Antikoagulantien
- Die gleichzeitige Behandlung mit gerinnungshemmenden
Arzneistoffen, wie z.B.
Phenprocoumon,
sollte vermieden werden, da es zu einer Verstärkung der gerinnungshemmenden
Wirkung kommen
kann. Dieser Rat gilt, obwohl bislang in Studien keine klinisch
relevanten Interaktionen zwischen Vitamin-K-Antagonisten und Diclofenac
gefunden werden konnten. Daher sollte die Abgabe nur nach Rücksprache mit dem behandelnden
Arzt erfolgen. Der oft empfohlene Austausch gegen
Paracetamol ist aufgrund des deutlich
anderen Wirkspektrums oft nicht wirklich möglich.
- Magen-Darm-Beschwerden (6 - 14 %)
- Übelkeit, Erbrechen
- Durchfall
- (geringfügige) Magen-Darm-Blutungen
- ZNS-Störungen (gelegentlich)
- Kopfschmerzen
- Reizbarkeit
- Erregung
- Schlaflosigkeit
- Müdigkeit
- Benommenheit
- Schwindel
- Allergische Reaktionen
(selten)
- Juckreiz
- Ekzeme
- Erytheme
- Urtikaria (sehr selten)
- Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko
- Die Einnahme höherer Dosen über längere Zeit erhöht das
kardiovaskuläre Risiko, also z.B. das Risiko für Herzinfarkte, nachweislich. Hinsichtlich der Risikoerhöhung
finden sich Werte bis etwa Faktor 2 (Ø 1,55).
- Auch das Risiko für Schlaganfälle und andere arteriell-thrombotische
Ereignisse ist bei Langzeitanwendung erhöht und dem anderer, selektiver
COX-2-Hemmer vergleichbar.
- Leberschäden (bei höherer Dosierung)
- Nierenschäden (sehr selten, v.a. bei chronischer Anwendung)
- Phototoxizität (sehr selten)
- Eine erhöhte Lichtempfindlichkeit der Haut ist praktisch nur bei lokaler
Anwendung feststellbar.
- Störungen der Blutbildung (sehr selten)
- Auslösung eines Krankheitsschubs bei vorbestehendem Morbus Crohn oder
Colitis ulcerosa (sehr selten)
- Haarausfall (sehr selten)
Anwendung
Tagesdosis |
(p.o.) 100 - 200 mg
(p.o., max.) 300 mg
(i.m.) 150 mg |
Einzeldosis |
(p.o.) 25 - 50 mg
(i.m.) 75 mg |
Dosierungshinweise
- Bei älteren Patienten ist eine Dosisreduktion zu empfehlen.
Anwendungshinweise
- Magensaftresistente Formulierungen sollten ca. 1 h vor einer Mahlzeit
eingenommen werden. Bei empfindlichem Magen ist auch hier die Einnahme zu
einer Mahlzeit zu empfehlen.
Cave
- Nach intramuskulärer Applikation sollte der Patient mindestens 1 h
überwacht werden, da Schockgefahr besteht!
Rechtlicher Status
- In Deutschland ist Diclofenac grundsätzlich verschreibungspflichtig.
Ausgenommen von der Verschreibungspflicht sind Arzneimittel mit einer
Diclofenac-Konzentration bis 5 % zur Anwendung auf der Haut sowie perorale
Arzneiformen mit Einzeldosen bis 25 mg zur Fiebersenkung (maximale
Anwendungsdauer drei Tage) und zur Schmerzstillung (maximale Anwendungsdauer
vier Tagen) jeweils mit einer Tageshöchstdosis von 75 mg.
Bemerkungen
- Die antipyretischen Effekte sind nur schwach ausgeprägt, die
antiphlogistischen aber stark, weshalb Diclofenac primär als Antirheumatikum
eingesetzt wird.
-
Die Substanz tritt aus dem Plasma in die Synovialflüssigkeit über und wird aus
dieser nur langsam wieder freigesetzt. So ist in der Gelenkflüssigkeit auch
noch eine wirksame Arzneistoffkonzentration vorhanden, wenn diese im Plasma
bereits wieder unter die minimale Wirkkonzentration abgesunken ist.
- Die Konzentration in der Synovia kann insgesamt etwa 12 h höher als im
Plasma bleiben, jedoch liegt sie dabei nicht die gesamte Zeit im
therapeutischen Bereich.
- Werden die Dosierungsintervalle so gewählt, dass im Plasma und
normalen Geweben zwischen den Einzeldosen Intervalle verbleiben, in denen die
minimale Wirkkonzentration nicht erreicht wird, ist aufgrund der dann dort
ausbleibenden Prostaglandinsynthesehemmung mit weniger unerwünschten
Arzneimittelwirkungen auch bei Langzeitanwendung zu rechnen. Beim Einsatz hoher
Dosierungen ist dies jedoch praktisch kaum noch zu erreichen.
- Diclofenac kann bei Hunden und Katzen massive, z.T. tödlich verlaufende
Magen-Darm-Schädigungen hervorrufen.
- Die Behandlung von Rindern mit Diclofenac hat unter anderem in Indien in
den 1990er Jahren zu einem drastischen Rückgang der Geier-Populationen
geführt und Schutzmaßnahmen für die Tiere erforderlich gemacht.
- Die Vögel nahmen den Wirkstoff über die Haustierkadaver auf und zeigten
daraufhin zuerst gichtähnliche Symptome und starben schließlich an
Nierenversagen starben.
- Bei den in Abwässern und Klärschlamm regelmäßig gefundenen Rückständen
von Arzneimitteln handelt es sich nach Angaben der deutschen Bundesregierung
neben Carbamazepin vor allem um Diclofenac. Pro Jahr (2012) werden etwa 90
Tonnen Diclofenac in Deutschland verbraucht, von denen etwa 63 Tonnen
unverändert in die Umwelt gelangen.
- Allvoran, Arthrex, Benfofen, Delphinac, Diclac, Diclo [...], Diclofenac
[...], Diclophlogont, Effekton, Jenafenac, Rewodina, Voltaren
Pharmakologie
Typ
Wirkmechanismen
- Diclofenac wirkt über eine Hemmung des Enzyms
Cyclooxygenase, was
die Prostaglandin- und Thromboxansynthese vermindert und so zu den
antiphlogistischen, antipyretischen, analgetischen und
thrombozytenaggregationshemmenden Effekten der Substanz führt.
- Neben dieser Wirkung nimmt man einen zusätzlichen inhibitorischen Effekt
auf den Lipoxygenase-Weg an, was eine verminderte Produktion von Leukotrienen
zur Folge hat.
- Die Konzentration der freien Arachidonsäure
im Plasma sinkt unter einer Therapie mit Diclofenac, was auf eine Hemmung
ihrer Freisetzung und eine Beschleunigung ihrer Wiederaufnahme
zurückgeführt wird.
- Mit diesen drei Wirkmechanismen stellt Diclofenac eine Besonderheit unter
den nicht-steroidalen
Antiphlogistika
dar.
Bemerkungen
- Für Diclofenac-Kalium wird teilweise ein schnellerer Wirkeintritt
berichtet als für Diclofenac-Natrium.
- Diclofenac wird nach oraler Gabe schnell und in hohem Ausmaß resorbiert. Maximale Plasmakonzentrationen werden bei normalen Tabletten nach ca. 1 h, bei
magensaftresistent überzogenen nach ca. 1,5 - 2,5 h, erreicht.
- Durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme wird die Resorption verlangsamt,
sonst jedoch nicht beeinträchtigt.
- Der Arzneistoff
zeigt eine hohe Plasmaeiweißbindung von 99,7 %, weit überwiegend an
Albumin (99,4 %).
- Die Substanz wird vor allem durch CYP2C9 abgebaut. Beteiligt sind aber
auch CYP1A2, CYP2C8, CYP2C19, CYP2D6 und die Glucuronosyltransferase.
Insgesamt werden jedoch nur etwa 30 % der resorbierten Arzneistoffmenge
verstoffwechselt.
- Die Substanz wird zu etwa 66 % renal ausgeschieden. Der Rest findet sich
in den Fäzes.
LD50 |
(Maus, p.o.)
390 mg/kg
(Ratte, p.o.) 62,5 mg/kg |
Pregnancy category |
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Geschichtliches
- Diclofenac wurde in den 1960er Jahren von Alfred Sallmann und Rudolph
Pfister bei der Schweizer Firma J. R. Geigy (heute in der Firma Novartis
aufgegangen) erstmals synthetisiert.
Chemie
Strukturformel
C14H11Cl2NO2
IUPAC
- 2-(2,6-Dichloranilino)phenylessigsäure
- 15307-86-5
- 15307-79-6 (Na-Salz)
- 15307-81-0 (K-Salz)
Eigenschaften
Sonstige Eigenschaften
Synthese
+
+ HCl
+ HCl
- Anschließend wird durch Zusatz von NaOH das Säureamid gespalten; es
entsteht das Natriumsalz des Diclofenacs.
+ NaOH Na+
+ H2O
Bemerkungen
- Der INN lässt sich aus der englischen IUPAC-Bezeichnung ableiten:
2-[2-(2,6-Dichlorophenylamino)phenyl]acetic acid)
Analytik
Identität
- Probe
auf organische Säuren
- Weitere Identitätsreaktion
- Etwa 10 mg der Substanz werden in 10 ml Ethanol
96 % gelöst.
- 1 ml dieser Lösung wird mit 0,2 ml einer frisch zubereiteten Mischung
aus gleichen Volumenteilen Kaliumhexacyanoferrat(III)-Lösung 0,6 %
(m/V) und Eisen(III)-chloridlösung 0,9 % (m/V) versetzt.
- Der Ansatz wird 5 min im Dunkeln stehen gelassen, anschließend mit 3
ml verdünnter Salzsäure 1 % (m/V)
versetzt und weitere 15 min unter Lichtschutz stehen gelassen.
- Es entwickeln sich eine blaue Färbung und ein Niederschlag.
Sicherheit
GHS-Kennzeichnung
H- und P-Sätze
H-Sätze |
301 |
P-Sätze |
310+310 |
Gefahrstoffklasse
T |
R- und S-Sätze
R-Sätze |
24/25-63 |
S-Sätze |
22-36 |
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