Hypertonie
Synonyme
- Arterielle Hypertonie, Bluthochdruck, Hypertonus, Hypertension
Definition
- Anhaltende Erhöhung des arteriellen Blutdrucks in körperlicher Ruhe
über 140 mmHg systolisch bzw. 90 mmHg diastolisch.
Bemerkungen
- Als beobachtungsbedürftiger Grenzbereich wird ein systolischer Blutdruck
von 130 - 150 mmHg bzw. ein diastolischer von 90 - 95 mmHg angesehen.
- Werden nur zeitweise erhöhte Werte gemessen, so spricht man von einer
labilen Hypertonie.
Blutdruckwerte / Klassifikation
< 120 |
< 80 |
- Keine Maßnahmen erforderlich
|
120 - 129 |
80 - 84 |
- Keine Maßnahmen erforderlich
|
130 - 139 |
85 - 89 |
- Allgemeinmaßnahmen
- Kontrolle nach 1 Jahr
|
140 - 149 |
90 - 94 |
- Allgemeinmaßnahmen
- Individueller Beginn einer Arzneimitteltherapie in 1 - 6 Monaten
|
150 - 159 |
95 - 99 |
- Allgemeinmaßnahmen
- Individueller Beginn einer Arzneimitteltherapie in 1 - 6 Monaten
|
160 - 179 |
100 - 109 |
- Allgemeinmaßnahmen
- Individueller Beginn der Arzneimitteltherapie innerhalb weniger
Tage
|
> 179 |
> 109 |
- Allgemeinmaßnahmen
- In der Regel sofortiger Beginn der Arzneimitteltherapie, bei
maligner Hypertonie unter stationären Bedingungen
|
> 139 |
< 90 |
- Allgemeinmaßnahmen
- Individueller Beginn der Arzneimitteltherapie bei systolischen
Werten > 160 mmHg
|
Einteilung nach Organschäden
- Zusätzlich zur Stufeneinteilung der WHO nach Blutdruckwerten existiert
auch eine klinische Einteilung nach Organschäden. Zur Abgrenzung von den
Stufen der ersteren Einteilung, wird hier von Graden gesprochen.
- Grad I: Hypertonie ohne Endorganschäden
- Grad II: Milde Schäden (z.B. Fundus hypertonicus Grad I und II, Plaquebildung in größeren Gefäßen, leichte Nieren- und Herzschäden)
- Grad III: Schwere Organschäden mit manifesten kardiovaskulären
Folgeerkrankungen (z.B. Angina
pectoris, Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt,
neurologische Symptome (TIA, Schlaganfall), periphere Verschlusskrankheit, Aortendissektion, Fundus Hypertonicus
Grad III und IV).
Bemerkungen
- Zur Diagnose sind mindestens 3 Messungen an zwei verschiedenen Tagen unter
gleichen (Ruhe-)Bedingungen erforderlich!
Prävalenz
- Etwa 10 - 50 % der deutschen Gesamtbevölkerung, in anderen
Industrienationen ähnlich. Mit zunehmendem Alter ansteigend.
- Bei etwa 20 % der erwachsenen Mitteleuropäer liegt der systolische
Blutdruck über 160 mmHg. Auch hier steigt der Anteil mit dem Alter an,
so sind bei den über 80-Jährigen bereits ca. 30 % von einer mindestens
mittelschwerer Hypertonie betroffen.
- Die Verteilung der Hypertonie zwischen Männern und Frauen ist etwa
ausgeglichen. Bei jüngeren Patienten sind Männer etwa im Verhältnis 3:2
mehr betroffen, bei Personen über 60 Jahren liegt das Verhältnis hingegen
bei ca. 4:3 mit einer höheren Prävalenz bei Frauen.
Formen
Primäre Hypertonie (essentielle, genuine, idiopathische)
- Die primäre Hypertonie macht ca. 90 % aller Fälle von Bluthochdruck
aus.
- Die Ursachen dieser Form der Hypertonie sind noch weitgehend
unbekannt. Man diskutiert jedoch auslösende Faktoren wie
Bewegungsarmut, häufigen Stress, genetische Disposition,
Überernährung etc.
- Als genetische Disposition wird vor allem eine verminderte basale
Ausscheidung von Na+-Ionen durch die Niere
vermutet.
- Die erhöhten Na+-Konzentrationen im Blut
führen im Hypothalamus zur Ausschüttung des sogenannten
natriuretischen Hormons, welches durch Hemmung der renalen Na+/K+-ATPase
die Na+-Ausscheidung erhöht und so die
Natriumionenbilanz normalisiert.
- Das natriuretische Hormon wirkt jedoch nicht selektiv auf die
Tubuli der Niere,
sondern auch an der glatten Gefäßmuskulatur, wo es ebenfalls
zu einer Hemmung der Na+/K+-ATPase
kommt.
- Die Folge ist eine Erhöhung der intrazellulären Na+-Konzentration,
was nun gleichzeitig einen Anstieg der intrazellulären Ca2+-Konzentration
und somit einen erhöhten Gefäßtonus bewirkt.
- Auf diesem Wege kommt es zu einer dauerhaften Steigerung des
peripheren Widerstandes und damit des arteriellen Blutdrucks.
- Als weitere mögliche genetische Disposition diskutiert man eine
verminderte Bildung körpereigener vasodilatierender Substanzen wie Bradykinin,
NO oder Prostaglandin
E2.
- Für die verminderte NO-Produktion wird eine verminderte
Aktivität der endothelialen NO-Synthase verantwortlich gemacht.
- Durch häufigen Stress wird eine andauernde Erhöhung des
Sympathikustonus vermutet.
- Bei Übergewichtigen entwickelt sich signifikant häufiger eine
Hypertonie, als bei Normalgewichtigen. Hier gibt es Hinweise auf
einen Zusammenhang mit einer Insulinresistenz und Hyperinsulinämie
(vgl. metabolisches Syndrom).
- Hier wird vermutet, dass die erhöhte Insulinkonzentration im
Blut die Retention von Natrium und damit Wasser in der Niere
fördert. Daneben hat Insulin einen proliferativen Effekt auf
die glatte Muskulatur in den Gefäßen, was zu einer Erhöhung
des peripheren Gefäßwiderstands führt.
- Insgesamt weist alles darauf hin, dass die primäre Hypertonie ein
komplexes und multifaktorielles Geschehen ist.
Sekundäre Hypertonie
- Sekundäre Hypertonien treten als Folge pathologischer Veränderungen
an verschiedenen Organen auf. Demzufolge unterscheidet man:
- Renale Hypertonie
- Die Unterformen der renalen Hypertonie machen zusammen ca. 6 -
8 % aller Hypertoniefälle aus.
- Man unterteilt die renale Hypertonie nach ihrer Ätiologie in:
- Renoparenchymale Hypertonie
- Infolge z.B. einer chronischen Glomerulonephritis,
pyelonephritischer Schrumpfniere, Zystenniere,
Amyloidose, Panarteriitis nodosa und als
Schwangerschaftsnephropathie.
- Renovaskuläre Hypertonie
- Infolge einer Stenosierung der Arteria renalis
- Endokrine Hypertonie
- Kardiovaskuläre Hypertonie
- Die kardiovaskuläre Hypertonie ist für ungefähr 1 % aller
Hypertonieerkrankungen verantwortlich.
- Sie tritt auf z.B. bei Aortenisthmusstenose, Aortensklerose,
totalem Herzblock oder hyperkinetischem Herzsyndrom.
- Neurogene Hypertonie
- Daneben kann eine sekundäre Hypertonie als unerwünschte
Arzneimittelwirkung einiger Arzneistoffgruppen (z.B. Ovulationshemmer)
oder als Folge eines Drogenabusus (z.B. Amphetamine,
Cocain) auftreten.
- In etwa 10 % aller Schwangerschaften kommt es ebenfalls zu einer
Hypertonie (vgl. Präeklampsie).
Symptomatik
Direkte Symptome
- Meist über Jahre symptomlos oder nur durch unspezifische Symptome
gekennzeichnet.
- Typische, aber an sich unspezifische Symptome sind z.B.
- morgentlicher Kopfschmerz, der sich durch eine Erhöhung des Bettkopfendes
bzw. Aufstehen verringern lässt
- Schwindel, Abgeschlagenheit, Schlaflosigkeit
- Bei stark erhöhten Blutdruckwerten können Symptome wie Übelkeit, Nasenbluten
(Epistaxis), Sehstörungen und kardiale Beschwerden auftreten (vgl. Hypertensive Krise).
Längerfristig auftretende Folgeschäden
- Hypertrophie des Myokards
- Nierenschäden
- Gefäßveränderungen, u.a. Veränderungen der Netzhautgefäße am Auge
(sogenannter Fundus hypertonicus), mit allgemeiner Erhöhung der Gefahr von
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfällen
Kurzanamnese
Diagnostik
- Blutdruckmessung
- Für eine endgültige Diagnose sind mindestens 3 voneinander
unabhängige, bestätigende Messungen an verschiedenen Tagen innerhalb
ca. eines Monats, jeweils unter Ruhebedingungen nötig. Zusätzlich
sollte eine 24 h-Messung sowie eine Messung unter kontrollierten
Belastungsbedingungen erfolgen. Eine zusätzliche Selbstmessung durch
den Patienten kann erwogen werden.
- Laboruntersuchung
- Insbesondere zur Erfassung bestimmter Risikofaktoren bzw. eventuell
bereits vorliegender Folgeschäden sollten folgende Parameter
überprüft werden: Cholesterol und Triglyceride, Glucose, Kalium,
Kreatinin, Harnsäure, Urinstatus.
- Bei Verdacht auf sekundäre Hypertonie sollten weitere Laborparameter
untersucht werden, z.B. Calcium, Renin und Angiotensin, Glukokortikoide,
Katecholamine, TSH.
- EKG, Sonographie des Abdomens, Funduskopie (bei RRdiast >
115 mmHg)
- Bei Verdacht auf sekundäre Hypertonie können weitere Untersuchungen,
z.B. eine Angiographie, notwendig werden.
Therapie
Allgemeines
- Die Therapie richtet sich insbesondere nach dem ermittelten
Blutdruckstatus, dem aktuellen Risiko für bzw. dem Vorliegen von
Folgeschäden, und dem Vorliegen bestimmter Risikofaktoren. Entsprechend
können bei leichten Fällen u.U. nichtmedikamentöse Maßnahmen bzw. eine
medikamentöse Monotherapie (zunächst) ausreichend sein. In
Hochrisikofällen sollte gleich mit einer Kombinationstherapie begonnen
werden, da der mit einer einzelnen Substanz erreichbare maximale
antihypertensive Effekt begrenzt ist.
- In jedem Fall sollte eine dauerhafte Senkung des arteriellen Blutdrucks
auf unter 140/90 mmHg angestrebt werden. Bei Vorliegen von Risikofaktoren /
Folgeschäden wie Diabetes mellitus, KHK, Nierenschäden (Mikroalbuminämie,
Niereninsuffizienz, Proteinurie) ist eine stärkere Senkung auf < 130/80
mmHg zu empfehlen.
Nichtmedikamentöse Therapie
- Einstellung des Rauchens
- Vermehrte körperliche Bewegung (min. dreimal wöchentlich 30 min
Ausdauertraining)
- Gewichtsreduktion (BMI < 27 kg/m2, besser < 25 kg/m2)
- Einschränkung der Kochsalzzufuhr (< 6 g/d)
- Einschränkung des Alkoholkonsums (< 20 g/d)
- Ernährungsumstellung
- Stressreduktion
Mittel der ersten Wahl bei Monotherapie
- Allgemein zählen zu den Mitteln der ersten Wahl (in alphabetischer
Reihenfolge, Stand 2016):
- Als Alternativen zu den obigen Arzneistoffgruppen gelten:
- Nicht mehr empfohlen werden:
Kombinationstherapie
Medikamentöse Therapie (basierend auf Alter, Lebensführung und
Begleiterkrankungen)
- Die folgende Tabelle ist 2017 schon ein wenig veraltet... Stellen, an
denen ACE-Hemmer
aufgeführt sind können praktisch immer auch mit AT1-Rezeptor-Antagonisten
ergänzt werden.
|
|
- Empfohlen
- Nicht mehr empfohlen
- Ungeeignet
|
|
|
|
- Empfohlen
- Nicht mehr empfohlen
|
|
- Nicht empfohlen
- Diuretika
- Diuretika führen zu einem Anstieg der
Harnsäurekonzentration im Blut
|
|
|
|
- Empfohlen
- Nicht mehr empfohlen
|
- Empfohlen
- Nicht mehr empfohlen
|
- Empfohlen
- Nicht mehr empfohlen
- Bedingt geeignet
- Ungeeignet
|
- Empfohlen
- Nicht mehr empfohlen
|
- Empfohlen
- Nicht mehr empfohlen
|
|
|
- Empfohlen (in der Prävention)
- Empfohlen (Frequenz-Kontrolle)
|
|