β2-Adrenozeptor-Agonisten

Synonyme

  • β2-Mimetika, β2-Sympathomimetika

Übersicht


Medizin

Typ

Indikationen

Lokale Anwendung

  • Asthma bronchiale
    • Kurzwirkende inhalativ applizierte β2-Adrenozeptor-Agonisten sind Mittel der ersten Wahl bei der bedarfsorientierten Behandlung des akuten Asthmaanfalls.
      • Zur Behandlung der Atemnot haben sich die handelsüblichen Dosieraerosole bewährt, da durch die topische Applikation kardiale Nebenwirkungen reduziert werden können und die Wirkung schneller eintritt.
      • Die richtige Handhabung der Dosieraerosole ist entscheidend für den Therapieerfolg und muss deshalb geübt werden. 
        • So sind bereits Todesfälle beschrieben, die auf kardiale Ereignisse nach Überdosierungen durch zu häufige oder fehlerhafte Anwendung zurückgeführt werden. Andererseits führt die falsche Handhabung der Dosieraerosole auch oft zur Unterdosierung und kann daher eine Wirkungslosigkeit vortäuschen.
    • Neuere Empfehlungen zur Langzeitbehandlung des Asthma bronchiale sehen eine Monotherapie mit diesen Substanzen nur bei geringgradigen Formen mit nicht mehr als drei behandlungsbedürftigen Anfällen pro Woche vor.
      • Als Standardsubstanz gilt Salbutamol.
      • Salmeterol weist zwar eine vergleichsweise lange Wirkdauer auf, ist jedoch wegen des langsamen Wirkungseintritts nicht zur Behandlung einer plötzlich auftretenden Atemnot (Asthmaanfall) geeignet.

Systemische Anwendung

  • Asthma bronchiale
    • Die systemische Therapie mit β2-Adrenozeptor-Agonisten bei Asthma bronchiale ist nur bei mittelschweren bis schweren Formen indiziert, bei denen eine inhalative Anwendung keine ausreichende Wirkung zeigt.
    • Aus praktischen Gründen werden bei der systemischen Therapie langwirkende Arzneistoffe bevorzugt.
  • Tokolyse
    • Hexoprenalin, Ritodrin und Fenoterol werden zur Tokolyse (Verminderung des Tonus der Uterusmuskulatur), z.B. bei drohendem Abort, vorzeitigen Wehen mit der Möglichkeit einer Frühgeburt oder operativen Eingriffen eingesetzt (parenteral). Die hierfür erforderliche höhere Dosierung führt allerdings zu deutlichen kardialen Nebenwirkungen.
  • Periphere Durchblutungsstörungen
    • Die Substanzen Buphenin, Bamethan und Isoxsuprin sind als Vasodilatoren zur Behandlung von peripheren Durchblutungsstörungen ausgewiesen. Der Nutzen einer solchen Therapie ist umstritten.
  • Herzrhythmusstörungen (Überleitungsstörungen)

Kontraindikationen

Absolute Kontraindikationen für systemische, relative für inhalative Anwendung

  • Hypertrophe, obstruktive Kardiomyopathie
  • Tachykardie, Tachyarrhythmie
  • AV-Block III. Grades, verlängertes QTC-Intervall
  • Thyreotoxikose

Relative Kontraindikationen

  • Frischer Myokardinfarkt, dekompensierte Herzinsuffizienz
  • Diabetes mellitus (schwer kontrollierbarer)
  • Idiopathische, hypertrophe subvalvuläre Aortenstenose
  • Gastroösophagaler Reflux als Ursache der nächtlichen Asthmaanfälle
    • β2-Agonisten sollten hier nur bei strenger Indikationsstellung eingesetzt werden, da sie (wie Methylxanthine auch) den Tonus des unteren Ösophagussphinkters herabsetzen.
  • Hypertonie (schwere, schlecht eingestellte)
  • Schwangerschaft

Arzneimittelinteraktionen

Bemerkungen

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

  • Feinschlägiger Tremor der Skelettmuskulatur, insbesondere der Hände
    • Häufigste, subjektiv oft gut tolerierbare Nebenwirkung
    • Der Tremor tritt v.a. während der ersten 3 - 6 Tage der Behandlung auf und lässt danach meist nach bzw. verschwindet völlig.
    • Diese Nebenwirkung ist bei systemischer Gabe deutlich häufiger, als bei inhalativer (ca. 37 - 50 % der Patienten nach p.o.-Gabe von 10 - 15  mg Fenoterol vs. 6 - 21  % der Patienten nach inhalativer Applikationen von 250 - 600 µg)
  • Zentrale Nebenwirkungen
    • Agitiertheit, Nervosität
  • Stoffwechseleffekte
    • Hyperglykämie
      • Aufgrund einer verstärkten Glykogenolyse
    • Hypokaliämie
      • Durch eine Aktivierung der Na+/K+-ATPase in der Skelettmuskulatur wird Kalium vermehrt in die Skelettmuskulatur aufgenommen
  • Kardiovaskuläre Nebenwirkungen
    • Reflextachykardie
      • Die Reflextachykardie tritt als Folge der Senkung des peripheren Widerstandes auf und verschwindet meist relativ schnell unter der Therapie.
    • Tachykardie
      • Durch nicht ausschließliche Selektivität zu β2-Adrenozeptoren werden, vor allem bei höher dosierter systemischer Applikation auch β1-Adrenozeptoren am Herzen erregt, was zu einer Erhöhung der Herzfrequenz führt.
    • Positiv inotrope Effekte
      • Positiv inotrope Effekte können auftreten, da auch 20 - 30 % der β-Rezeptoren am Herzen zum β2-Subtyp gehören.

Bemerkungen

  • Unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind nach systemischer Gabe in der Regel deutlich stärker zu erwarten als nach inhalativer Applikation, da dort allgemein deutlich niedrigere Dosierungen eingesetzt werden.

Anwendung

Dosierung

  • Die Dosierung beim Einsatz als Antiasthmatika sollte so niedrig wie möglich gewählt werden. Durch Kombination mit anderen Antiasthmatika kann meist eine Dosisreduktion erreicht werden.

Bemerkungen

  • β2-Adrenozeptor-Agonisten sind auch bei Asthma bronchiale im Kindesalter die Mittel der ersten Wahl.
  • Bei vielen älteren Patienten sind hingegen m-Cholinozeptor-Antagonisten ähnlich oder sogar besser wirksam.
  • Die inhalative Anwendung kann auch in der Schwangerschaft problemlos weitergeführt werden.

Pharmakologie

Typ

Pharmakodynamik

Wirkeintritt

(e.b.) < 5 min
(p.o.) ca. 15 min

Wirkdauer

 (kurzwirkende Substanzen) ca. 3 - 4 h
(langwirkende Substanzen) ca. 12 h

Wirkungen

  • Bronchospasmolyse und Tokolyse
  • Hemmung der Degranulation von Mastzellen
    • Damit gute Wirkung auf eine allergische Sofortreaktion, nicht jedoch auf die allergischen Spätreaktionen, da für diese auch andere Zellen, als Mastzellen verantwortlich sind.
  • Antiödematös
    • Durch Senkung der mikrovaskulären Permeabilität im Bereich der Venolen.
  • Steigerung der mukoziliären Clearance
    • Durch Anregung des Flimmerepithels sowie vermehrten transmembranösen Wassertransport und damit positiven Einfluss auf die Viskosität des Bronchialsekrets.
  • Steigerung der Zwerchfellmotilität
  • Druckminderung im Pulmonalkreislauf
  • Positiv inotrope Wirkung

Wirkmechanismen

  • β2-Adrenozeptor-Agonisten binden am extrazellulären N-terminalen Ende des β2-Adrenozeptors, was zu einer Konformationsänderung des Rezeptorproteins führt. Dadurch wird ein GS-Protein freigesetzt, das die Adenylatcyclase aktiviert, die nun ihrerseits den second messenger cAMP bildet.
  • Dessen intrazellulärer Rezeptor ist die AMP-abhängige Proteinkinase A (PKA), die Phosphorylierungen verschiedener Proteine katalysiert und somit deren Funktion kontrolliert.
  • Durch eine Absenkung des intrazellulären Ca2+-Spiegels - aufgrund seiner Aufnahme ins sarkoplasmatische Retikulum und vermehrten Ausscheidung in den Extrazellularraum - wird die Startreaktion der kontraktilen Elemente der glatten Muskelzellen gehemmt.
  • Es kommt zu einer ausgeprägten Relaxation der glatten Muskulatur der Bronchien (broncholytische Wirkung) und des Uterus (tokolytische Wirkung), während der Tonus der peripheren Gefäße weniger beeinflusst wird.
    • Besonders bei der zur Tokolyse notwendigen höheren Dosierung, aber auch bei der Anwendung als lokale oder systemische Broncholytika, sind kardiale Nebenwirkungen zu erwarten bzw. möglich.
  • β2-Adrenozeptor-Agonisten zeigen darüber hinaus eine Hemmwirkung auf die Bildung bronchokonstriktorisch wirkender second messenger des cholinergen Systems (v.a. von M3-Rezeptoren) in glatten Muskelzellen sowie auf die cholinerge Transmission auf ganglionärer Ebene.
  • Ein gewisser Anteil der bronchospasmolytischen Wirkung ist auch auf eine Hemmung der Mediatorfreisetzung aus Mastzellen (diese besitzen ebenfalls β2-Adrenozeptoren auf ihrer Oberfläche) und Stimulation der Freisetzung von Ep-DRF zurückzuführen, einem relaxierenden Faktor aus Zellen des Bronchialepithels.

Bemerkungen

  • Bei längerer, ununterbrochener Therapie mit β2-Adrenozeptor-Agonisten kommt es normalerweise zu einer Abnahme der durch diese Arzneistoffe maximal erreichbaren Wirkung. 
  • Hierfür werden verschiedene Mechanismen diskutiert:
    • Abkopplung des Rezeptors vom GS-Protein durch eine am C-terminalen Ende des Rezeptors befindliche β-Rezeptoren-Kinase. Diese wird im Rahmen einer negativen Rückkopplung durch die Proteinkinase A phosphoryliert und aktiviert. Die Abkopplung des Rezeptors vom GS-Protein führt zu einer Desensibilisierung des Rezeptors gegenüber seinen Agonisten. Dieser Effekt tritt relativ rasch ein und kann ebenso rasch wieder aufgehoben werden.
      • Diese Abkopplung ist auch Voraussetzung für eine Rezeptorinternalisierung, bei der der Rezeptor von der Zellmembran ins Zellinnere transloziert und so einer möglichen Stimulation entzogen wird. Eine Rezeptorinternalisierung kann ebenfalls relativ rasch erfolgen, und im Verlauf von Stunden rückgängig gemacht werden.
    • Hemmwirkung von cAMP auf die Transkription des Gens, das für den β2-Adrenozeptor codiert. Hierdurch kommt es zu einer verminderten Produktion neuer β2-Adrenozeptoren und einer verminderten Expression des Rezeptors auf der Zelloberfläche (Down Regulation).
      • Diese Rezeptor-Down-Regulation kann durch die kurzfristige, hochdosierte Gabe eines Glukokortikoids relativ rasch aufgehoben werden, da Glukokortikoide die Wiederherstellung der ursprünglichen Rezeptordichte fördern. Dieser Wirkung wird auch als permissiver Effekt der Glukokortikoide bezeichnet.
  • Es gibt Hinweise, dass unter einer - nicht empfohlenen - Monotherapie mit einigen β2-Adrenozeptor-Agonisten die Hyperreagibilität des Bronchialsystems verstärkt wird, während für andere (z.B. Salmeterol) ein genau gegenteiliger Effekt vermutet wird.

Pharmakokinetik

Resorption

Metabolisierung

  • Systemisch verabreichte Substanzen unterliegen einem relativ starken First-Pass-Effekt.

Exkretion

Bemerkungen

  • Neben der rasch einsetzenden bronchodilatatorischen Wirkung besteht eine günstige Beeinflussung der mukoziliären Clearance und eine geringe Wirkung auf die Mediatorfreisetzung von Mastzellen und Leukozyten.
  • Kurzwirkende β2-Agonisten führen in der Langzeittherapie zu einer Toleranzentwicklung bzgl. der antikonstriktorischen, nicht jedoch der bronchodilatatorischen Wirkung.
  • Das Ziel, die bronchoprotektive und bronchodilatatorische Wirkung von β2-Sympathomimetika über einen längeren Zeitraum nutzen zu können, führte zur Entwicklung langwirkender extrem potenter und hochselektiver Agonisten am β2-Rezeptor (Formoterol und Salmeterol).
  • Es gibt Hinweise, dass sich beim Gebrauch langwirkender β2-Sympathomimetika eine Toleranz sowohl bei der bronchodilatatorischen als auch der antikonstriktorischen Wirkung einstellt. Bei gleichzeitiger Verbesserung der klinischen Symptomkontrolle bleibt die klinische Relevanz dieses Phänomens jedoch zu hinterfragen

Geschichtliches

  • Bereits 1921 beobachteten Alexander und Paddock im Gegensatz zu gesunden Probanden bei Patienten mit Asthma bronchiale, denen sie Pilocarpin injizierten, eine "asthmatische Atmung". Die Autoren folgerten, dass die Symptome durch eine Bronchokonstriktion bedingt seien und durch ein Ungleichgewicht von cholinergen und sympathischen Nervenerregungen entstünden, da die Atemnot durch die Gabe von Adrenalin rasch beseitigt werden konnte.
    • Adrenalin war somit der Vorläufer der wichtigsten Medikamentengruppe zur Behandlung des Asthma bronchiale, der β2-Adrenozeptor-Agonisten.
  • 1948 zeigte Ahlquist, dass durch Adrenalin nicht nur ein, sondern zwei Rezeptortypen stimuliert werden. Diese nannte er α-Rezeptor bzw. β-Rezeptor.
    • α-Rezeptoren befinden sich weitgehend in den Blutgefäßen der Haut und der Schleimhaut, β-Rezeptoren am Herzmuskel und in der glatten Bronchialmuskulatur.
    • Dies erklärt, warum Adrenalin in der Asthmatherapie als potenter Bronchodilatator unerwünschte Nebenwirkungen wie Tachykardie, Blutdruckanstieg und Erhöhung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs hervorruft, die seinen therapeutischen Einsatz erheblich einschränken.
    • Auch erste synthetische Weiterentwicklungen des Adrenalins wie Orciprenalin hatten noch gravierende kardiale Nebenwirkungen.
  • 1967 gelang Lands der Nachweis von zwei unterschiedlichen Typen von β-Rezeptoren:
    • β1-Rezeptoren, die überwiegend im Herzmuskel anzutreffen sind,
    • β2-Rezeptoren, die hauptsächlich in der glatten Bronchialmuskulatur lokalisiert sind.
  • Dies ermöglichte die Entwicklung weitgehend selektiv wirkender β2-Sympathomimetika für die Therapie des Asthma bronchiale.
  • Die Synthese der ersten β2-Adrenozeptor-Agonisten gelang erstmals 1969/70 mit der Entwicklung von Terbutalin, Fenoterol und Salbutamol. Die β2-Selektivität wurde primär durch die Einführung voluminöser Substituenten am Stickstoff der Katecholaminseitenkette erreicht.

Beispiele

Substanzen

Kurzwirkende β2-Adrenozeptor-Agonisten

Langwirkende β2-Adrenozeptor-Agonisten

Ohne Angabe der Wirkdauer

 

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