Theophyllin

Synonym

  • 1,3-Dimethylxanthin

Übersicht


Medizin

Typ

Indikationen

  • Chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen
  • Asthma bronchiale
    • I.v. oder p.o. im akuten Anfall, p.o. in retardierter Form (als Basismedikation ab Stufe 3, weitgehend obsolet)

Kontraindikationen

Relative Kontraindikationen

Arzneimittelinteraktionen

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Bemerkungen

  • Bereits im therapeutischen Bereich von 5 - 15 µg/ml (max. 20 µg/ml) können bei der obligaten systemischen Applikation unerwünschte, extrapulmonale Wirkungen auftreten. Diese sind zumeist dosisabhängig, so dass stets möglichst niedrig dosiert werden sollte.

Anwendung

Dosierung

Tagesdosis 200 - 800 mg
(Zielkonzentration: 8 - 15 µg/ml)
Einzeldosis (retard.) 200 - 800 mg

Dosierungshinweise (für Retardpräparate)

  • Die Dosierung sollte stets individuell und unter engmaschiger Kontrolle (Symptome, Lungenfunktion, Blutspiegel) erfolgen. Aufgrund der interindividuell stark schwankenden subjektiven Verträglichkeit ist das Auftreten von Nebenwirkungen als alleiniger Marker für Dosisanpassungen und Therapiekontrollen ungeeignet.
    • Für ein erstes Abschätzen der benötigten Dosis stehen verschiedene Methoden (z.B. Nomogramme, Korrekturfaktoren) zur Verfügung.
  • Die therapeutische Breite von Theophyllin ist ausgesprochen klein, unerwünschte Wirkungen wie Anorexie, Nausea, Erbrechen und Angstzustände können sich schon bei Plasmakonzentrationen von 15 µg/ml bemerkbar machen und treten dann ab 20 µg/ml häufig auf. Daher sollte die Plasmakonzentrationen im Bereich von 5 - 15 µg/ml, bzw. 8 - 15 µg/ml liegen.
    • Plasmakonzentrationen über 40 µg/ml können mit bedrohlichen Nebenwirkungen, wie tachykarden Arrhythmien und Krampfanfällen einhergehen.
  • Die Kontrolle der Plasmakonzentration ist daher während einer Theophyllin-Therapie ("Drug monitoring") unabdingbar.
    • Ein Drug monitoring sollte auf jeden Fall erfolgen bei allgemein unzureichender Wirkung, Verdacht auf (schwere) Nebenwirkungen, Wechselwirkungen oder mangelnde Compliance sowie bei Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, in der Schwangerschaft und beim Auftreten von Asthmaanfällen unter der Therapie.
    • Bei Fehlen der vorgenannten Faktoren reicht eine halbjährliche Blutspiegelkontrolle aus.

Anwendungshinweise (für Retardpräparate)

  • Theophyllinpräparate sollten mit viel Flüssigkeit mindestens 1 h vor, oder 2 h nach einer Mahlzeit eingenommen werden. 
  • Wichtig ist die Einnahme zu möglichst konstanten Zeiten und im gleichen Abstand zur nächsten bzw. letzten Mahlzeit, da es ansonsten zu stärkeren Schwankungen der Plasmakonzentration kommen kann.

Patientenhinweise (für Retardpräparate)

Bemerkungen

  • Eine Indikation für orales Theophyllin besteht heute nur noch bei schwer kontrollierbaren nächtlichen Atemnotanfällen und bei mittelschwerem bis schwerem Asthma, wenn mit inhalativen Glukokortikoiden und β2-Adrenozeptor-Agonisten keine Beschwerdefreiheit erreicht werden kann.
  • Bei Säuglingen und Kleinkindern sollte Theophyllin nur unter Drug monitoring und als ultima ratio eingesetzt werden.
  • Auch bei älteren Patienten (> 55 a) sollte der Einsatz nur unter Drug monitoring erwogen werden, da hier zahlreiche pharmakokinetische Parameter (z.B. Clearance, Verteilungsvolumen, Plasmaproteinbindung) verändert sein können und aufgrund der meist größeren Begleitmedikation verstärkt Wechselwirkungen auftreten können.

Handelsnamen

  • Bronchoparat, Euphyllin, Euphylong, Euspirax

Pharmakologie

Typ

Pharmakodynamik

Wirkeintritt (p.o.) 5 - 10 min
Wirkmaximum (p.o.) ca. 0,5 h
Wirkdauer (p.o.) ca. 6 - 8 h

Wirkungen

Wirkmechanismen

  • Obwohl die Anwendung von Theophyllin und seinen Derivaten in der Asthmatherapie bereits seit langer Zeit etabliert ist, herrscht über den antiasthmatischen Wirkmechanismus bis heute keine abschließende Klarheit.
  • Es werden drei unterschiedliche Angriffspunkte für die bei Asthma bronchiale gewünschten Effekte von Theophyllin diskutiert (in Klammern angegeben ist die jeweils erforderliche Plasmakonzentration):
  • Bei therapeutischen Konzentrationen kommt nur der erstgenannte Effekt zum Tragen.
  • Für einen zumindest teilweise zentralen Effekt spricht, dass die bronchospasmolytische Wirkung nicht lokal ausgelöst werden muss und in vivo deutlich niedrigere Theophyllin-Konzentrationen notwendig sind, als bei Untersuchungen am isolierten Organ.
  • Da für die bronchospasmolytische Wirkung hohe Plasmakonzentrationen erforderlich sind (10 - 20 µg/ml), werden für Theophyllin auch antiinflammatorische und zentral atemanaleptische Effekte diskutiert, die bereits bei Plasmakonzentrationen von 5 - 10 µg/ml auftreten sollen.
  • Theophyllin wiest auch antiinflammatorische Wirkungen auf. Hierfür wird eine Steigerung der Aktivität von Histon-Deacetylasen (HDAC2) an Genen die für entzündliche Reaktionen codieren verantwortlich gemacht.

Pharmakokinetik

Bioverfügbarkeit (BVabs) (allgemein) 65 - 100 %
(p.o., nicht retardiert) ca. 100 %
Clearance (CLtot) ca. 50 ml/min
Eliminationshalbwertszeit (t1/2) (Kinder) ca. 3,5 h
(Raucher) 4 - 5 h
(Nichtraucher) 7 - 9 h
(Neugeborene) > 10 h
(Frühgeborene) > 24 h
(Herz- und Leberinsuffiziente) > 24 h
Extrarenale Eliminationsfraktion (Q0) 0,8
Plasmaproteinbindung (PB) 55 - 60 %
(andere Quelle) 40 %
tmax (p.o.) 2h
Verteilungsvolumen (Vapp) 0,2 - 0,6 L/kg

Bemerkungen

  • Die Plasmahalbwertszeiten unterscheiden sich, wie in der Tabelle angegeben, bereits beim Erwachsenen erheblich. Kinder (> 1 Jahr) zeigen Werte von 3 - 5 h, Frühgeborene von über 24 h.
  • Deutlich verlängerte Plasmahalbwertszeiten treten auch bei Patienten mit Epilepsie, Hyperthyreose, Herzrhythmusstörungen, hypertropher obstruktiver Kardiomyopathie und Lebererkrankungen auf.
  • Der intravenöse Einsatz von Theophyllin ist auf die ärztliche Gabe in Notfallsituationen (z.B. beim Status asthmaticus) beschränkt.
  • Theophyllin zeigte im Tierversuch an Mäusen und Hühnern teratogene Wirkungen, für den Menschen liegen bislang jedoch keine Hinweise auf ein erhöhtes Missbildungsrisiko vor.

Resorption

  • Nach peroraler Applikation wird Theophyllin rasch und vollständig resorbiert. Die gleichzeitige Einnahme von Nahrung führt zu einer verlangsamten, aber insgesamt nicht verminderten Resorption.
    • Diese Angaben beziehen sich auf nicht-retardierte perorale Darreichungsformen, bei retardierten Formen kann es durch Nahrungseinflüsse zu einer klinisch relevanten Veränderung der Resorption kommen.
  • Die inhalative Applikation ist ineffektiv und aufgrund der Gefahr der Auslösung eines Bronchospasmus bei hyperreagiblen Patienten abzulehnen.
  • Auch bei der (obsoleten) rektalen Anwendung in Form von Klysmen ist die Resorption gut und nahezu vollständig. Theophyllin aus Suppositorien wird hingegen nur langsam und in stark schwankendem Umfang aufgenommen. Zudem treten bei rektaler Applikation häufig lokale Reizerscheinungen (Proktitis) auf.

Distribution

  • Theophyllin ist liquor-, plazenta- und milchgängig (Vapp 0,2 - 0,6 L/kg KG, bei Neugeborenen niedriger).
    • Bei Neugeborenen wurden perinatal vergleichbar hohe Blutspiegel wie bei der Mutter selbst gefunden.
      • Passagere Tachykardien und Übelkeit sind in diesem Zusammenhang möglich, Folgeschäden wurden nicht beobachtet.
  • Die Plasmaproteinbindung beträgt etwa 60 %. Sie ist verringert bei Patienten mit schweren Leberfunktionsstörungen, Schwangeren und Neugeborenen. Die Bindung erfolgt überwiegend an Albumin.

Metabolisierung

  • Resorbiertes Theophyllin wird in der Leber zu 70 - 90 % biotransformiert. Der Abbau erfolgt vor allem über CYP1A2, daneben aber auch CYP2E1, CYP3A4 und die Adenosin-Deamidase.
  • Die Biotransformation umfasst die N-Demethylierung zu 1-Methylxanthin oder 3-Methylxanthin sowie die 8-Hydroxylierung zu 1,3-Dimethylharnsäure.
    • Die N-Demethylierung wird hauptsächlich über CYP1A2 katalysiert, das auch teilweise an der 8-Hydroxylierung beteiligt ist.
    • CYP3A4 katalysiert wahrscheinlich ebenfalls beide Metabolisierungswege.
      • In vitro Versuche zeigten eine Reduktion der N-Demethylierung um 16 % bei weitestgehend isolierter Hemmung von CYP3A4.
      • Die davon z.T. deutlich abweichenden Effekte auf die Metabolisierung von Theophyllin  bei Kombination mit CYP3A4-Inhibitoren wie dem Makrolid-Antibiotikum Erythromycin in vivo wird daher insbesondere von der individuell variierenden Aktivität von CYP1A2 abhängig gemacht. 
        • Personen mit einer hohen Aktivität von CYP1A2 sind beim Abbau von Theophyllin weniger auf den Ausweichmechanismus der Metabolisierung über CYP3A4 angewiesen und somit nicht so empfindlich für eine Hemmung von CYP3A4. Personen mit niedriger CYP1A2-Aktivität bauen Theophyllin verstärkt über CYP3A4 ab, so dass hier eine Hemmung dieses Isoenzyms einen stärkeren Effekt hat.
    • Für CYP2E1 wird eine Bedeutung vor allem bei der 8-Hydroxylierung diskutiert.
  • Etwa 6 % einer Theophyllindosis wird durch komplette N-Demethylierung zu Coffein umgewandelt.
    • 1-Methylxanthin wird anschließend durch die Xanthinoxidase zu 1-Methylharnsäure hydroxyliert.
  • Die entstandenen Metaboliten 3-Methylxanthin und Coffein sind noch pharmakologisch aktiv, alle weiteren nicht mehr.
  • Insgesamt ist die Metabolisierung deutlich interindividuell unterschiedlich und von Wechselwirkungen mit anderen Substanzen beeinflusst.
    • Einen beschleunigten Metabolismus findet man allgemein bei Rauchern und Kindern, einen verlangsamten bei interkurrenten Infektionen, dekompensierter Herzinsuffizienz und Gravidität.

Exkretion

  • Etwa 10 - 20 % des Wirkstoffs werden unverändert renal ausgeschieden.
  • Bei hohen Dosen ist die Ausscheidung verlangsamt, da die biotransformierenden Enzyme abgesättigt werden. Die Ausscheidung erfolgt dann nach einer Kinetik 0. Ordnung.

Toxikologie

LD50 (Ratte, i.v.) 210 mg/kg
(Ratte, p.o.) 225 mg/kg
Pregnancy category C

Intoxikation

Symptome

  • Agitiertheit
  • Manisches Verhalten
  • Häufiges Erbrechen
  • Starker Durst
  • Fieber
  • Tinnitus
  • Krämpfe
  • Tachyarrhythmien

Bemerkungen

  • Symptome einer Intoxikation können bei manchen Patienten auch bereits bei noch im definierten therapeutischen Bereich liegenden Plasmakonzentrationen auftreten.
  • Das Risiko für die oben genannten toxischen Effekte nimmt mit jeder Erhöhung der Plasmakonzentrationen über 20 µg/ml hinaus deutlich zu.

Notfallmedizin

Indikation

  1. Schwerer Asthmaanfall
  2. Akute Rechtsherzinsuffizienz

Anwendung

Dosierung

  1. 350 mg bei 70 kg KG (5 mg/kg KG) sehr langsam i.v.
    • Evtl. Perfusor mit Erhaltungsdosis von 0,6 - 0,9 mg/kg KG/h

Bemerkungen

  • Kann auch peroral gegeben werden (gute Resorption, sehr bitterer, schlechter Geschmack).

Cave

  • Nach zu schneller intravenöser Applikation sind Todesfälle durch Herzrhythmusstörungen beschrieben!
  • Intramuskuläre Injektionen sind aufgrund lang anhaltender Schmerzen an der Einstichstelle zu vermeiden.

Chemie

Strukturformel

Summenformel

C7H8N4O2

Molekülmasse

  • 180,164

IUPAC

  • 1,3-Dimethyl-3,7-dihydro-1H-purin-2,6-dion

CAS-Nummer

  • 58-55-9

Eigenschaften

Schmelzpunkt 270 - 274 °C
(andere Quelle) 271 - 272 °C
Löslichkeit (H2O) < 5 g/L
(andere Quelle) 8,3 mg/mL
log P -0,8
pKS 8,6
(andere Quelle) 8,81
pKB 13,7

Anforderung (Ph.Eur.)

  • Theophyllin hat einen Gehalt von mindestens 99,0 und höchstens 101,0 %, berechnet auf die getrocknete Substanz.

Sonstige Eigenschaften

  • Weißes, kristallines Pulver.
  • Schwer löslich in Wasser (1:200) und wasserfreiem Ethanol (1:150); praktisch unlöslich in Aceton, Dichlormethan und Diethylether. Die Substanz löst sich in Alkalihydroxid-Lösungen, in Ammoniaklösung und Mineralsäuren.

Bemerkungen

  • Alkaloid aus der Gruppe der Methylxanthine.
  • Theophyllin ist saurer als Theobromin, da das entstehende Anion sich hier über 7 Atome stabilisieren kann, während die Ladung dort nur über 5 Atome delokalisiert werden kann.

Synthese

+

  • Durch Behandlung mit Natriumnitrit und Ameisensäure wird dieses Derivat nitrosiert; anschließend wird die Nitrosogruppe zur Aminogruppe reduziert:

  • Das Erhitzen mit konzentrierter Ameisensäure führt unter Wasserabspaltung zur Kupplung. Das anschließende Erhitzen auf 250 - 260 °C bewirkt die Abspaltung eines weiteren Moleküls Wasser und somit die Bildung von Theophyllin:


Analytik

Stas-Otto-Gang

Identität

Gehalt

IR-Spektrum

Massenspektrum

NMR-Spektrum

  • 90 MHz in DMS-d6

UV-Spektrum

  • Absorptionsmaximum in NaOH (0,1 mol/l) bei 275 nm (E = 630).

Biologie

Bemerkungen

Vorkommen

  • In geringer Menge im schwarzen bzw. grünen Tee.

Sicherheit

Gefahrstoffklasse

Xn

R- und S-Sätze

R-Sätze 22
S-Sätze  

 

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