Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI)

Synonym

Übersicht


Medizin

Typ

Indikationen

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Häufig

  • Kopfschmerzen
  • Gastrointestinale Beschwerden, Völlegefühl oder Übelkeit, Erbrechen und Diarrhoen
  • Allgemeine Müdigkeit

Bei längerer Anwendung (ohne Angabe der Häufigkeit)

  • Lactazidose
    • Lamivudin scheint keine Lactazidosen zu verursachen.
  • Myelotoxizität
  • Polyneuropathie
  • Pankreatiden
  • Lipodystrophie
    • Thymidinanaloga wie Zidovudin und Stavudin scheinen besonders starke Auslöser einer Lipodystrophie zu sein, andere Basenanaloga weniger.
  • Lebervergrößerung, Leberverfettung

Bemerkungen

  • Der gemeinsame Ursprung der Mehrzahl der Nebenwirkungen ist in einer Schädigung von Mitochondrien (s.u.) zu sehen.

Pharmakologie

Typ

Pharmakodynamik

Wirkspektrum

  • Bis auf Stavudin sind alle Substanzen gegen Infektionen durch HIV-1 und HIV-2 einsetzbar.

Wirkmechanismen

  • Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren weisen eine den natürlichen Substraten der Reversen Transkriptase, einer RNA-abhängigen DNA-Polymerase, ähnliche Struktur auf, weshalb sie vom Enzym als Substrat erkannt werden. Sie sind somit Substrat-Analoga.
  • Die Arzneistoffe dieser Gruppe sind eigentlich Prodrugs. Sie müssen zunächst durch Enzyme der Wirtszelle in die Triphosphate überführt werden. Die eigentlichen Wirkformen stellen somit Nukleotide dar.
  • Diese Nukleotide konkurrieren mit den physiologischen Nukleotiden um die Bindungsstelle der Reversen Transkriptase und ihren Einbau in die DNA-Kette.
  • Durch die vorhandenen Modifikationen gegenüber den natürlichen Substraten führt ihr Einbau jedoch zum Abbruch der synthetisierten DNA-Kette.

Bemerkungen

Pharmakokinetik

Absorption

  • NRTI werden unverändert in die Zelle aufgenommen und dort durch Phosphorylierung aktiviert.

Metabolisierung

  • NRTI werden nur in sehr geringem Ausmaß in der Leber verstoffwechselt.
  • Eine Übersicht über die an der Metabolisierung (und dem Transport) der einzelnen Substanzen beteiligten Enzyme gibt die folgende Tabelle.

Substanz

Metabolisierung

Transport

Abacavir

Alkoholdehydrogenase, UDP-Glukuronyl­Transferase

 

Didanosin

Xanthin-Oxidase

CNT2 (Concentrative Nucleoside Transporter 2)

Lamivudin

Sulfoxidase
(über 70 % werden unverändert ausgeschieden)

 

Stavudin

 

CPNT, ENT (Equilibrative Nucleoside Transporter)

Zalcitabin

 

CNT

Zidovudin

UGT2B7

CNT

Elimination

  • NRTI werden überwiegend renal eliminiert.

Resistenzentwicklung

  • Resistenzen gegen NRTIs entstehen entweder durch Mutation der viralen Zielstruktur oder durch vermehrten Einbau von Transportproteinen (Membran-Effluxpumpen) in infizierte Zellen, die eingedrungenen Arzneistoff aktiv aus dieser befördern.
  • NRTI sind hierbei Substrate des Multidrug-resistance-assoziierten Proteins 4 (MRP-4), das in der Membran resistenter Lymphozyten vermehrt nachgewiesen wurde.
  • Die günstigen Kombinationseffekte, die durch den Einsatz zweier NRTIs entstehen, sind zum Teil darauf zurückzuführen, dass Resistenz-Mutationen gegenüber einer Substanz, durch Resistenz-Mutationen gegenüber einer anderen Substanz abgeschwächt oder aufgehoben werden können. Einige Beispiele:
    • Eine Mutation am Codon 74 des für die Reverse Transkriptase kodierenden Gens, die unter Behandlung mit Didanosin selektiert wird, führt dazu, dass der gleiche Virusstamm, sofern er eine für Zidovudin typische Resistenzmutation an Position 215 aufweist, gegenüber Zidovudin wieder empfindlicher wird.
    • Lamivudin selektiert eine Mutation im Gen der Reversen Transkriptase an Position 184. Auch dadurch wird ein aufgrund von Mutationen an Position 41 und 215 gegenüber Zidovudin bereits weitgehend resistentes Virus wieder Zidovudin-empfindlich.

Toxikologie

  • NRTIs zeigen eine relativ hohe Nebenwirkungshäufigkeit. Für diese wird eine toxische Wirkungen auf Mitochondrien verantwortlich gemacht.
  • Sie hemmen die Polymerase-γ der Wirtszellen, ein für die Synthese der mitochondrialen DNA essentielles Enzym über den gleichen Mechanismus wie die virale Reverse Transkriptase.
    • Auch die Mitochondrien in den Körperzellen benötigen Nukleotide und bauen somit auch aktivierte NRTIs anstelle der physiologischen Nukleotide in ihre DNA ein.
    • Es kommt Degeneration der Mitochondrien und zu Stoffwechselstörungen.
  • Tatsächlich können viele als Nebenwirkungen auftretende Organstörungen durch die mitochondriale Toxizität der NRTI erklärt werden. Am besten dokumentiert ist dies für die Lactazidose mit Lebersteatose, Pankreatitis, Myopathie und Polyneuropathie.
  • Mit großer Wahrscheinlichkeit spielen NRTI auch eine Rolle in der Entwicklung des Lipodystrophiesyndroms.
  • Hinsichtlich der Toxizität der einzelnen Substanzen gibt es dennoch deutliche Unterschiede.

Geschichtliches

  • Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren waren die erste gegen HIV verfügbare Arzneistoffgruppe.
  • Bereits 1986 konnte Zidovudin in die Therapie eingeführt werden. Es folgten - in chronologischer Reihenfolge - Didanosin, Zalcitabin, Lamivudin und Stavudin.

Beispiele

Substanzen

Aufgegebene Substanzen

 

www.BDsoft.de
pharm@zie
-
Bücher zum Thema Pharmazie bei Amazon