Acquired Immune Deficiency Syndrome (AIDS)

Synonym

  • Erworbenes Immunmangelsyndrom

Definition

  • AIDS entspricht der Phase 3 (ausgeprägte Immuninsuffizienz) der HIV-Erkrankung. Es handelt sich nicht um eine einzelne, genau definierte Erkrankung, sondern um einen charakteristischen Komplex verschiedenster, durch die Immunschwäche möglicher Erkrankungen.

Bemerkungen

  • AIDS wurde als Krankheitsbild erstmals 1981 beschrieben.
  • Man beobachtete eine ausgeprägte zelluläre Immunschwäche mit rezidivierenden Erkrankungen durch opportunistische Erreger und Parasiten sowie spezifische Malignome wie das Kaposi-Sarkom und Lymphome.
  • Inzwischen werden eine Vielzahl weiterer Erkrankungen als typisch aufgefasst. Diese sind unten aufgeführt.

Klinik

  • Im Verlauf der HIV-Erkrankung treten typische "AIDS-Symptome" erst nach längerer Latenzzeit auf.
  • Meist ist das erste Symptom eine generalisierte Lymphknotenschwellung, die bereits bei einer CD4-Zellanzahl von > 500 µl-1 auftreten kann.
  • Aufgrund des zunehmenden Zusammenbruchs der zellvermittelten Immunität kommt es in der Folge zu weiteren typischen Erkrankungen, bis hin zum Vollbild von AIDS, für das die Lymphadenopathie plus 2 zusätzliche Leitsymptome (s.u.) als definierend gelten.
  • Nach der Definition der Centers for Disease Control (CDC) unterscheidet man die drei klinische Kategorien (A bis C), zu denen jeweils verschiedene typische Erkrankungen gerechnet werden. Die Klassifikation der CDC ist nachfolgend abgebildet.
Laborkategorie (CD4-Zellen) Klinische Kategorie
A B C
1 (> 499 µl-1) Stadium I Stadium I Stadium III
2 (200 - 499 µl-1) Stadium I Stadium II Stadium III
3 (< 200 µl-1) Stadium II Stadium II Stadium III

Die hier verwendeten Bezeichnungen "Stadium I - III" haben nichts mit den verschiedenen Stadien der HIV-Erkrankung zu tun, sondern sind unabhängig davon als Maß des Schweregrades der Immuninsuffizienz zu verstehen.

  • Problematisch an dieser Definition ist, dass keine Rückstufungen vorgesehen sind, wie sie inzwischen dank besserer Therapien eigentlich notwendig  wären, und die Kategorisierung zudem praktisch ausschließlich auf in den USA bis 1993 aufgetretenen opportunistischen Infekten beruht.

Kategorie A (kein AIDS im eigentlichen Sinne)

  • In die Kategorie A fallen asymptomatische HIV-Infektionen, sowie - als relativ unspezifische Erkrankung - die persistierende, generalisierte Lymphadenopathie (LAS = Lymphadenopathie-Syndrom).
  • Auch die akute, symptomatische Phase der HIV-Erkrankung wird in diese Kategorie eingeordnet.

Kategorie B

  • In die Kategorie B fallen Krankheitssymptome und Erkrankungen, die nicht in die AIDS-definierende Kategorie C fallen, aber dennoch einen kausalen Zusammenhang zur HIV-Erkrankung bzw. der dadurch ausgelösten Immunschwäche haben. Dazu gehören:
    • Bazilläre Angiomatose
    • Oropharyngeale Candida-Infektionen
    • Vulvovaginale Candida-Infektionen, die entweder chronisch (> 1 Monat) oder nur schlecht therapierbar sind
    • Zervikale Dysplasien oder Carcinoma in situ
    • Konstitutionelle Symptome wie Fieber > 38,5 °C oder Diarrhoe, jeweils länger als 4 Wochen bestehend
    • Orale Haarleukoplakie
    • Zoster bei Befall mehrerer Dermatome oder nach Rezidiven in einem Dermatom
    • Idiopathische thrombozytopenische Purpura
    • Listeriose
    • Entzündungen des kleinen Beckens, bei Komplikationen eines Tuben- oder Ovarialabszesses
    • Periphere Neuropathie
    • Kala-Azar (viszerale Leishmaniose)

Kategorie C

  • Die in die Kategorie C fallenden Krankheiten werden auch als AIDS-definierende Erkrankungen bezeichnet. In diese Kategorie gehören:
    • Pneumocystis-Pneumonie
    • Zerebrale Toxoplasmose
    • Ösophageale Candida-Infektionen oder Befall von Bronchien, Trachea oder Lunge
    • Chronische Herpes-simplex-Ulzera oder Herpes-Bronchitis, -Pneumonie oder -Ösophagitis
    • CMV-Retinitis
    • Generalisierte CMV-Infektionen (nicht von Leber oder Milz)
    • Rezidivierende Salmonellen-Septikämien
    • Rezidivierende Pneumonien innerhalb eines Jahres
    • Extrapulmonale Kryptokokken-Infektionen
    • Chronische intestinale Kryptosporidien-Infektion (-> Diarrhoe)
    • Chronische intestinale Infektion mit Isospora belli
    • Disseminierte oder extrapulmonale Histoplasmose
    • Tuberkulose
    • Infektionen mit Mycobacterium avium complex (MAC) oder Mycobacterium kansasii, disseminiert oder extrapulmonal
    • Kaposi-Sarkom
    • Maligne Lymphome (Burkitt's Lymphom, immunoblastisches Lymphom, primär zerebrales Lymphom)
    • Invasives Zervix-Karzinom
    • HIV-Enzephalopathie
    • Progressive multifokale Leukoenzephalopathie
    • Disseminierte Kokzidioidomykose (außerhalb der oder zusätzlich zur Lunge)
    • HIV-Auszehrungs-Syndrom
  • Bei Kindern unter 13 Jahren fallen weitere Erkrankungen in diese Kategorie, z.B.:
    • Lymphoide interstitielle Pneumonie und/oder pulmonale lymphoide Hyperplasie (LIP/PLH-Komplex)
    • Schwere multiple oder rezidivierende bakterielle Infektionen durch die gleichen Erreger innerhalb von 2 Jahren
  • Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über einige, bei verschiedenen CD4-Zellkonzentrationen sehr häufig auftretende Erkrankungen der Kategorie C.
CD4-Zellen [1/µl] Häufige AIDS-Manifestationen
> 200 Frühe Manifestationen eines Kaposi-Sarkoms, eines Non-Hodgkin-Lymphoms oder einer Tuberkulose
< 200 Pneumocystis-Pneumonie, Candida-Infektionen, rezidivierende bakterielle Pneumonien
< 100 Toxoplasmose-Enzephalitis, Salmonellen-Septikämie und nekrotisierende Herpes-Infektionen
< 50 Disseminierte CMV- und MAC- und MAI-Infektionen, Kryptokokken-Meningitis, Kryptosporidien-Infektion und invasive Aspergillose

Opportunistische Infekte

Bemerkungen

  • Patienten mit AIDS sterben nicht "an AIDS selbst", sondern an verschiedenen Infekten, die ihr angegriffenes Immunsystem nicht mehr abwehren kann, oder anderen Sekundärerkrankungen.
  • Nachfolgend werden einige AIDS-typische Infektionen hinsichtlich ihrer Bedeutung bei AIDS etwas ausführlicher aufgeführt.

Infektionen der Lunge

Infektionen des Verdauungstraktes

  • Häufigste opportunistische Infektionen sind die orale und die oesopharyngeale Candidiasis. Die Schwere korreliert dabei gut mit dem Ausmaß der Immundefizienz.
  • Ulzera im Mund-Rachenraum werden häufig durch HSV und CMV ausgelöst, wobei diese Ulzera oft sehr groß und reaktionslos sind. CMV ist auch Erreger einer Gastritis und in vielen Fällen einer Kolitis.
  • Diarrhoen durch verschiedenste Erreger sind ebenfalls sehr typisch für AIDS-Patienten. Häufige Erreger akuter Durchfälle sind Salmonellen, Shigellen, Kampylobakter und, bei vorhergehender Antibiotikaeinnahme, Clostridium difficile. Bei chronischer Diarrhoe (> 1 Monat) kommen zusätzlich Kryptosporidien, Mikrosporidien, CMV, atypische Mykobakterien, sowie Wurmeier und Parasiten in Frage.
  • Das hepatobiliäre System nimmt bei der HIV-Infektion zunehmend eine zentrale Rolle ein, weisen doch fast alle HIV-Infizierten im Verlauf ihrer Erkrankung (meist bei CD4+-Zellen < 200 µl-1) Leberfunktionsstörungen auf.
    • Die Ursachen sind vielschichtig, da die Leber sowohl das Reservoir oft vorbestehender, mit unterschiedlichen Risikosituationen assoziierter Infektionen (Hepatitis B und C) als auch Zielorgan bestimmter opportunistischer Infektionen sein kann (Mykobakteriosen, CMV, Kryptokokkose, Krypto- und Mikrosporidiosen). Dazu kommt, dass viele antiretrovirale Arzneistoffe hepatotoxische Nebenwirkungen haben.
      • Vor allem Hepatitis C ist inzwischen zu einer der Hauptursachen für Morbidität und Mortalität bei HIV-Infizierten geworden.
      • Eine HIV-Infektion ist ein wichtiger Risikofaktor für eine raschere Progression der Hepatitis C, insbesondere wenn die CD4+-Zellen unter 200 µl-1 abgefallen sind.
    • Die Gallenwege, einschließlich der Gallenblase, sind in fortgeschrittenen Stadien der HIV-Infektion (CD4+-Zellen < 50 µl-1) häufig von Kryptosporidien, Mikrosporidien und/oder CMV befallen. Im Ultraschall zeigt sich eine Erweiterung der intra- und/oder extrahepatischen Gallenwege und Gallenblase und Wandverdickung (sklerosierende Cholangitis).

Infektionen des zentralen Nervensystems

  • Häufigste Infektionskrankheit des ZNS bei AIDS ist die zerebrale Toxoplasmose.
  • Die progressive multifokale Leukoenzephalopathie (PML) kann meist durch typische klinische (fokale!) und radiologische (vielgestaltige, nichtanspeichernde Läsionen ohne Raumforderung) Merkmale diagnostiziert werden. Der Nachweis von JC-Virus im Liquor mittels PCR gelingt in 80 - 90 % der Patienten. Eine gesicherte Therapie steht nicht zur Verfügung, viele Patienten sprechen jedoch auf eine antiretrovirale Therapie an.
  • Die Kryptokokkenmeningitis ist seit der häufigen Verwendung von Fluconazol zur Behandlung der Candidiasis selten geworden. Sie kann bei AIDS-Patienten ein sehr uncharakteristisches Bild zeigen: Meist nur Kopfschmerzen und Fieber, Fehlen von Meningismus und Entzündungszeichen im Liquor. Ein Antigennachweis aus dem Blut ist > 90 % positiv, im Liquor zu 100 %.
  • Die CMV-Enzephalitis führt, zumindest unbehandelt, zu einem dementiellen Syndrom. Die PCR-Technologie ermöglicht eine frühe Entdeckung und Behandlung.

Andere Infektionen

Infektionen und Komplikationen durch das Zytomegalievirus (CMV)
  • Bei bis zu 90 % der Patienten mit HIV/AIDS besteht eine latente CMV-Infektion (IgG-Antikörper nachweisbar). Vor Einführung der HAART entwickelten 20 - 40 % aller AIDS-Patienten manifeste CMV-Erkrankungen.
  • CMV-Komplikationen sind heute aber auch wegen des Einsatzes einer präemptiven Therapie bei CMV-Virämie (Nachweis von pp65 Antigen oder CMV-DNA) sehr selten geworden.
  • Die häufigste Manifestation ist CMV-Retinitis bei der Rezidive seit Einführung der HAART viel seltener geworden sind.
Disseminierte Infektion mit Mycobacterium avium-intracellulare
  • Vor Einführung der HAART zählte die disseminierte Infektion mit Mycobacterium avium-intracellulare (MAI) zu den wichtigsten (30 - 50 %) opportunistischen Infektionen bei AIDS-Patienten mit CD4+ T-Lymphozyten < 50 μl-1. Heute ist sie zu einer Rarität geworden. Die Therapie erfolgt mit Clarithromycin (oder Azithromycin) und Ethambutol und dauert in der Regel 12 Monate.

Prophylaxe opportunistischer Infekte

Primärprophylaxe

  • Bei einer Anzahl der TH-Lymphozyten unter 250 µl-1 wird eine prophylaktische Behandlung gegen die in diesem Bereich häufige Pneumocystis-Pneumonie empfohlen.
  • Eine primäre Prophylaxe der Toxoplasmose ist bei einem Absinken der CD4+-Zellen < 200 µl-1 indiziert.
  • Gegen Infektionen mit Mycobacterium avium complex ist ab einer CD4-Zellanzahl < 50 µl-1 eine primäre Prophylaxe mit Azithromycin oder Clarithromycin indiziert. Sie kann abgesetzt werden, wenn die CD4+-Zellanzahl über 3 Monate > 100 µl-1 liegt.
  • Eine Prophylaxe gegen Tuberkulose wird bei positivem Tuberkulintest (Knötchen > 5 mm bei 5 I.E. PPD) empfohlen. Mittel der Wahl ist Isoniazid über 9 Monate.
    • Die Rate falsch negativer Tuberkulinreaktionen nimmt mit der Progression der HIV-Infektion zu.
  • Komplikationen durch das Zytomegalievirus kommen fast nur vor, wenn die CD4+-Zellen auf < 50 µl-1 abgefallen sind. Eine primäre Prophylaxe mit antiviralen Medikamenten wird nicht empfohlen, üblich ist eine sogenannte präemptive Therapie bei Virämie.
  • Auch gegen andere opportunistische Infekte ist eine Primärprophylaxe meist nicht indiziert.

Sekundärprophylaxe

  • Da opportunistische Erkrankungen bei immundefizienten HIV-Erkrankten auch nach Abklingen der klinischen Symptome häufig erneut auftreten, ist eine prophylaktische Dauertherapie bei folgenden Infektionen zu empfehlen: Pneumocystis-Pneumonie, zerebrale Toxoplasmose, CMV-Retinitis, Histoplasmose, Kryptokokkose, atypische Mykobakteriose.

Andere "AIDS-typische" Erkrankungen

Bösartige Tumoren

  • Die Disposition von Immundefizienten zur Entwicklung von Neoplasien ist bekannt. Bei AIDS-Patienten ist diese Neigung in besonderer Weise ausgeprägt.
Kaposi-Sarkom
Non-Hodgkin-Lymphome
  • Non-Hodgkin-Lymphome treten bei bis zu 10 % aller AIDS-Patienten auf.
  • In der Mehrzahl handelt es sich um hochmaligne B-Zell-Lymphome, etwa gleich häufig lymphoblastische (Burkitt- und Non-Burkitt-Typen), großzellige und immunoblastische Lymphome.
  • Ihre Entstehung beruht nicht nur auf dem HIV-bedingten Immundefekt, sondern vor allem auf der kontinuierlichen Aktivierung von B-Lymphozyten durch HIV und EBV, die zur Translokation des c-myc-Onkogens und schließlich zur unkontrollierten Proliferation führen kann.
  • Eine klinische Besonderheit dieser AIDS-assoziierten Lymphome ist ihr häufiges primär extranodales Vorkommen; bevorzugt sind ZNS, Gastrointestinaltrakt und Knochenmark sowie ansonsten atypische Lokalisationen (Hoden, Lunge, Muskeln u.a.).
  • Der Einsatz der HAART führt zu einer Aufhebung der HIV-assoziierten Hämatosuppression, wodurch die Chemotherapien besser vertragen und voll dosiert werden können.
  • Zur Anwendung kommen das CHOP- oder ein modifiziertes m-BACOD-Schema, beide in Kombination mit Rituximab, wenn der Tumor CD20 exprimiert.
Anogenitale Plattenepithelkarzinome
  • Die Assoziation von Immundefizienz mit anogenitalen Plattenepithelkarzinomen ist lange bekannt; obwohl dies in den Statistiken bislang noch keinen Niederschlag findet.
    • Dies war bisher vermutlich nur die Folge der verkürzten Lebenszeit HIV-Infizierter; bei deren Ansteigen ist auch mit gehäuftem Auftreten von Analkarzinomen zu rechnen. Ein Hinweis darauf ist, dass High-risk-HPV-DNA und intraepitheliale Neoplasien in der Analhaut HIV-positiver homosexueller Männer viel häufiger gefunden wird als bei HIV-negativen.
Invasive Zervixkarzinome
  • Bei HIV-infizierten Frauen ist das Risiko einer zervikalen intraepithelialen Neoplasie deutlich erhöht, jedoch wurden bisher nur wenige Fälle invasiver Zervixkarzinome (Gebärmutterhalskrebs) beschrieben. Dennoch gehört das Zervixkarzinom seit 1993 zu den AIDS-definierenden Erkrankungen.

Hautläsionen

  • Die meisten HIV-Infizierten entwickeln im Verlauf der ihrer Erkrankung Hautläsionen.
  • Einige der dabei beobachteten Dermatosen sind sehr charakteristisch (z.B. orale Haarleukoplakie, bazilläre Angiomatose, eosinophile Follikulitis), die Mehrzahl sind jedoch unspezifisch (z.B. seborrhoische Dermatitis, chronische bakterielle Follikulitis, Xerosis/Pseudoichthyosis).
Seborrhoische Dermatitis
  • Eine seborrhoische Dermatitis tritt bei etwa 80 % der HIV-Infizierten auf und ist nicht selten das erste klinische Zeichen der HIV-Infektion.
Psoriasis
  • Psoriasis ist bei HIV-Infizierten häufig. Oft triggert die HIV-Infektion eine Erstmanifestation, präexistente Psoriasis exazerbiert.
Papular dermatitis of AIDS
  • Nicht ungewöhnlich bei der HIV-Infektion sind schlecht definierbare, Neurodermitis- oder auch Psoriasis-ähnliche Bilder, die bei hoher Immundefizienz auftreten (CD4+-Zellen < 200 μl-1).
Hyperpigmentierungen
  • Hyperpigmentierungen sind ein häufiger Befund bei HIV-Infizierten. Sie manifestieren sich als diffuse, fleckige Läsionen des Gesichts (ähnlich dem Melasma), vorwiegend bei weit fortgeschrittener Infektion (CD4+-Zellen < 50 μl-1); sie sind meist mit generalisierter Xerosis assoziiert.
Orale Haarleukoplakie
  • Die orale Haarleukoplakie kommt nur selten außerhalb der HIV-Infektion vor (Transplantatempfänger, Chemotherapie). Ihre Bedeutung ist daher primär eine diagnostische (fast pathognomonisch für HIV-Infektion) und prognostische (Hinweis auf baldige Progression zu AIDS).
Sonstige Hautläsionen
  • Staphylococcus aureus ist der häufigste kutane Erreger bei HIV-Infizierten. Er kann eine Vielzahl von Läsionen hervorrufen, so z.B. Follikulitis (häufigste Manifestation; Prädilektionsstellen sind Gesicht, Stamm und Leistenregion), bullöse Impetigo, Furunkel, Phlegmone, Hidradenitis suppurativa-ähnliche Plaques.
  • Sehr häufig sind Infektionen sowohl mit HSV und VZV. Beide sind durch ihren schweren, nekrotisierenden und langwierigen Verlauf gekennzeichnet.
  • Mollusca contagiosa sind bei fortgeschrittener HIV-Infektion sehr häufig; Prädilektionsstellen sind Gesicht, Genitalregion und Stamm.
  • Skabies (Krätze) stellt bei der HIV-Infektion oft ein besonderes Problem dar. Bei fortgeschrittener HIV-Infektion stellen sich atypische Bilder ein: disseminierte Papeln ohne Juckreiz (anergische Form) oder generalisierter Befall mit disseminierten Papeln ähnlich einem Arzneimittelexanthem (exazerbierte Form) und schließlich eine generalisierte krustig-schuppige Form (Scabies norvegica).
  • Bedeutsam sind ferner Läsionen der Mundschleimhaut. Erkrankungen des gingivoparodontalen Gewebes werden bei bis zu 50 % der HIV-Infizierten gefunden:
    • HIV-assoziierte Gingivitis (Rötung der Gingiva (Zahnfleisch) entlang einer oder mehrerer Zahngruppen, auch in Abwesenheit von Plaques) und HIV-assoziierte Periodontitis (rascher und gleichzeitiger Verlust von Schleimhaut und Knochen mit nachfolgender Zahnlockerung und -ausfall) sind die häufigsten Formen.

Neurologische Erkrankungen

HIV-assoziierte Enzephalopathie
  • Vor Einführung der HAART entwickelte etwa ein Drittel der Patienten mit AIDS eine Enzephalopathie als direkte Folge der HIV-Infektion.
  • Die HIV-Enzephalopathie ist ein langsam fortschreitender Prozess, der v.a. bei Patienten mit einer T-Lymphozytenzahl von unter 200 μl-1 auftritt.
  • Zunächst kommt es zu einer Störung des Kurzzeitgedächtnisses, psychomotorischer Verlangsamung und Beeinträchtigung koordinierter Bewegungen, in späten Stadien zu globaler Demenz.
    • HIV wird schon in frühen Stadien der Infektion über periphere Monozyten in das Gehirn verbracht (HIV ist neuroinvasiv)., die Effekte werden jedoch erst in späten Stadien der HIV-Infektion manifest (HIV ist neurovirulent).
    • Im Unterschied zu anderen viralen Enzephalitiden entstehen die schwerwiegenden Symptome jedoch wahrscheinlich nicht direkt durch Infektion der Neurone (HIV ist nicht neurotrop), sondern der im Gehirn vorkommenden Makrophagen, Mikroglia und vielkernigen Riesenzellen. Nach dieser Theorie erfolgt die Schädigung der Neurone somit indirekt durch Stoffwechselprodukte und Zytokine der infizierten und chronisch aktivierten Zellen des Monozyten-Makrophagen-Systems.
    • Eine andere Theorie lässt dem Oberflächenprotein gp120 eine Schlüsselrolle zukommen:
      • Die direkte Bindung von gp120 an Neuronen behindert die Neurogenese, also die Bildung neuer Neurone aus deren Vorläuferzellen, und kann auch zur Apoptose reifer Neuronen führen. Für beide Effekte wird eine Aktivierung des p38-MAPK-Weges postuliert, wodurch u.a. der Zellzyklus behindert wird. So werden die Vorläuferzellen in der G1-Phase des Zellzyklus festgehalten.
        • Die betroffenen Zellen zeigen, aufgrund der p38-MAPK-Aktivierung eine sehr hohe Konzentration von p38 MAPK (mitogen activated protein kinase), einem Protein, das die Zellteilung anhält, wenn Defekte im Erbgut der Zelle festgestellt wurden und somit vor Krebs schützt.
  • Die Diagnose der HIV-Enzephalopathie wird klinisch gestellt.
    • Die klinisch-neurologische Untersuchung zeigt keine fokalen Läsionen, im MRT findet man in fortgeschrittenen Fällen eine Atrophie und in der T-2 Gewichtung flockige Ödeme der weißen Substanz ohne Masseneffekt und ohne Kontrastmittelanspeicherung.
    • Im Liquor korreliert der Schweregrad der Enzephalopathie mit der Menge an HIV-RNA und den Zeichen der Immunaktivierung.
  • Die HIV-assoziierte Enzephalopathie ist im Anfangsstadium - das durchaus auch mit massiven Symptomen einhergehen kann - durch antiretrovirale Therapie reversibel.
Vakuoläre Myelopathie
  • Die vakuoläre Myelopathie ist eine meist gemeinsam mit der HIV-assoziierten Enzephalopathie auftretende subakute, langsam progrediente Erkrankung des Rückenmarks.
  • Klinisch finden sich relativ früh schwere Gangstörungen mit Ataxie und Spastik, Harn- und Stuhlinkontinenz.
  • Die Erkrankung ähnelt den degenerativen Veränderungen bei Vitamin-B12-Mangel.
Periphere Polyneuropathien
  • Je nach Stadium der HIV-Infektion werden unterschiedliche Formen von Polyneuropathien gefunden.
  • Mononeuritis multiplex oder akute demyelinisierende Polyneuropathie können (wenngleich selten) bereits in frühen Stadien auftreten.
  • In späten Stadien findet man sehr häufig eine distal betonte, vorwiegend sensorische axonale Neuropathie, ähnlich der Neuropathie bei Diabetes mellitus.
  • Die Behandlung ist symptomatisch; ein positives Ansprechen auf die antiretrovirale Therapie ist nicht beschrieben.

Hyperinflammatorische und Autoimmunphänomene

  • Die chronische HIV-Infektion führt neben der langfristig auftretenden Immundefizienz, auch zu einer Immundysregulation, die zum Auftreten vieler Autoimmunphänomene führt.
  • Diese treten auch bereits vor Beginn von AIDS, also noch in der zweiten Stufe der HIV-Erkrankung auf.
Diffuses infiltratives Lymphozytose-Syndrom
  • Gehäuft bei Personen mit bestimmten HLA-Merkmalen (HLA-DRB1 1102, HLA-DRB1 1301, HLA-DRB1 1302,) beobachtet man eine HIV-getriebene Expansion von CD8+ T-Lymphozyten, die als diffuses infiltratives Lymphozytose-Syndrom bezeichnet wird.
    • Symptome dieses Syndroms sind z.B. eine Vergrößerung der Speicheldrüsen (meist verknüpft mit milder Sicca-Symptomatik), Polyarthralgien, Myopathien, Neuropathien, lymphozytäre interstitielle Pneumonien, lymphozytäre Hepatitis, Fazialisparese und Nierensymptome.
    • Selten erfolgt eine diffuse Infiltration der Haut unter dem Bild eines Sezary-Syndroms.
HIV-assoziierte Thrombozytopenie
  • Die Inzidenz der HIV-assoziierten Thrombozytopenie korreliert nicht mit dem Fortschreiten der HIV-Infektion. Eine effektive antiretrovirale Therapie korrigiert die Werte meist soweit, dass keine weiteren Maßnahmen erforderlich sind.

HIV-Auszehrungssyndrom

  • Gewichtsverlust ist ein sehr charakteristisches Symptom der HIV-Infektion und kann enorme Ausmaße annehmen (> 20 % des Körpergewichts); bei mehr als 10 % spricht man von einem HIV-assoziierten Auszehrungssyndrom.
  • Hauptfaktor ist die verminderte Nahrungsaufnahme. Eine solche ist zwar generell für systemische Infektionen typisch, aber meist von nur kurzer Dauer; bei der HIV-Infektion besteht sie jedoch entweder permanent oder wiederholt sich bei jeder Episode opportunistischer Infektionen ohne zwischenzeitliche Normalisierung des Gewichts.
  • Biochemische Mediatoren der Auszehrung wurden bisher nicht identifiziert.
  • Seit Einführung der HAART ist dieses Krankheitsbild meist reversibel.
    • Das HIV-Auszehrungssyndrom ist nicht mit einem schweren Lipodystrophiesyndrom (Verlust des subkutanen Fettgewebes in den Extremitäten und Gesicht) zu verwechseln.
    • Beim HIV-Auszehrungssyndrom nimmt die gesamte Körperzellmasse ab.
  • Die allgemeine Leistungsfähigkeit ist beim Lipodystrophiesyndrom nicht oder nicht wesentlich eingeschränkt, während beim HIV-Auszehrungssydrom eine massive Leistungseinbuße wichtiger Teil der Erkrankung ist.

Therapie

Antiretrovirale Therapie

  • Der Ablauf, die Ziele und Probleme sowie andere Fragen rund um die antiretrovirale Therapie werden aufgrund ihrer Komplexität unter dem Titel hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) gesondert behandelt.
  • Trotz guter Erfolge in den letzten Jahren mit der HAART und den dort eingesetzten Arzneistoffen, ist eine völlige Eradikation des HI-Virus durch die Therapie bislang nicht zu erwarten.

Supportive Therapie

  • Eine vollwertige, abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung kann den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen, v.a hinsichtlich des Allgemeinbefindens und des HIV-Auszehrungssyndroms.
    • Als konsumierende Erkrankung führt AIDS langfristig zu einer Reduktion der Körperzellmasse zugunsten des Wasser- und/oder Fettanteils im Körper.
    • Zahlreiche Mangelzustände wurden im Verlauf der HIV-Infektion beschrieben, z. B. an Zink, Selen, Vitamin A, Vitamin B6 und Vitamin B12.
      • Zur deren Behebung wurden ebenso zahlreiche Nahrungszusätze und Diäten entwickelt, ohne dass ein klarer Nutzen dokumentiert wurde.
      • Patienten, denen Zink verabreicht wurde, hatten sogar in mehreren Studien eine schlechtere Prognose, ähnliches gilt für die Substitution von Vitamin A.
  • Andere Therapiemodalitäten wie Psychotherapie, Sport oder Vorschläge zur Lebensgestaltung sind sicher ein Beitrag zum allgemeinen Wohlbefinden, haben jedoch nach derzeitigem Kenntnisstand keinen Einfluss auf die Progression der HIV-Infektion.

Prognose

  • Die Prognose von AIDS ist noch immer infaust, allerdings lassen sich mit konsequenter Behandlung und Prophylaxe opportunistische Infektionen sowie antiviraler Therapie erhebliche Verbesserungen der Lebensqualität und -zeit erreichen.
  • Früher starben ca. 95 % aller AIDS-Patienten innerhalb von 3 Jahren nach Auftreten der ersten opportunistischen Infektionen bzw. des Kaposi-Sarkoms; die mittlere Überlebenszeit wurde mit 18 Monaten angegeben.

 

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