Hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART)
Synonym
- Highly Active Antiretroviral Therapy (HAART) [engl.]
Definition
- Bezeichnung für die heute bei einer HIV-Erkrankung
bzw. AIDS durchgeführte medikamentöse
Standardtherapie mit antiretroviral wirksamen Virustatika.
Allgemeines
- Die HAART stellt eine begriffliche Abgrenzung zur zuvor praktizierten,
weniger wirksamen "antiretroviralen Therapie" (ART) dar.
- Im Rahmen der ART wurden, v.a. aufgrund mangelnder Verfügbarkeit
wirksamer Substanzen, nur Therapien mit einzelnen Arzneistoffen
durchgeführt (beginnend 1986 mit dem NRTI
Zidovudin).
- Da das Virus gegen einzelne Arzneistoffe jedoch schnell Resistenzen
entwickelt, werden im Rahmen der HAART mehrere (meist drei) Arzneistoffe mit
unterschiedlichen Ansatzpunkten gleichzeitig eingesetzt.
- Die HAART ist somit stets eine Kombinationstherapie, mit allen sich daraus
ergebenden Vor- und Nachteilen.
- Zur Anwendung kommen vor allem Arzneistoffe der folgenden Klassen:
- Weitere z.T. noch in der Entwicklung befindliche Substanzklassen sind:
- Die HAART kann das Leben HIV-Infizierter deutlich verlängern, vermag
jedoch nicht die HIV-Erkrankung zu heilen.
Zudem treten oft schwerwiegende Nebenwirkungen auf.
- Eine einmal begonnene HAART sollte nur noch unter bestimmten, eng zu
definierenden Umständen abgesetzt werden, da dies eine Resistenzbildung des
Virus fördern kann. Eine regelmäßige Anwendung der Arzneimittel ist somit
sehr wichtig.
- Insgesamt muss die Therapie stark an den einzelnen Patienten angepasst
werden.
Therapiebeginn
- Zum idealen Zeitpunkt für einen Beginn der antiretroviralen Therapie
bestehen unterschiedliche Ansichten.
- Wurde zunächst so lange gewartet, bis erste AIDS
typische Erkrankungen auftraten, so ging man mit Einführung der HIV-Protease-Inhibitoren
gegen Mitte der 1990er Jahre zu einer möglichst früh einsetzenden
Therapie über. Da sich inzwischen sowohl die Hoffnung, dass diese
Arzneistoffe die Erkrankung heilen könnten, als auch die, dass sie sehr
gut verträglich sind, als falsch erwiesen hat, wurde die Devise "hit
hard and early" wieder weitgehend verlassen. Ein weiteres Problem
war das unnötig frühe "Züchten" resistenter Virusstämme.
- Nachfolgend sind einige Indikationen für eine antivirale Therapie
angegeben, die weitgehend akzeptiert sind:
- Symptomatische HIV-Infektion, insbesondere bei Auftreten von
Krankheiten der Kategorien B und C der CDC-Klassifikation, unabhängig
von der Immunsituation.
- Entwicklung eines (symptomlosen) Immundefekts mit einer Anzahl von
Helferzellen unter 350 µl-1.
- Erhöhung der Viruslast über 30.000 Kopien HIV-RNA pro ml Blut (bei
niedrigen CD4-Zell-Konzentrationen evtl. auch schon früher).
- Patienten, die unter der Überwachung während der Latenzphase eine
plötzliche Zunahme der Viruslast um mehr als 90 % oder eine Abnahme der
CD4-Zellen um mehr als 25 % zeigen.
Therapieziele
- Ziel der Therapie ist eine möglichst starke Senkung der Viruslast (wenn
möglich unter die Nachweisgrenze) und damit eine Verbesserung der
zellulären Immunität, v.a. der CD4-Zellen, so dass keine opportunistischen
Infektionen auftreten können.
- Eine Senkung der Viruslast unter die Nachweisgrenze ist z.T. möglich,
jedoch darf daraus keine Heilung der Infektion abgeleitet werden. Das HI-Virus
kann als Provirus sehr lange in Körperzellen persistieren, wo er durch
die üblichen HIV-Tests nicht erfasst werden
kann.
- Durch die Senkung der Viruslast wird auch die Reproduktionshäufigkeit des
Virus deutlich verringert, wodurch die Resistenzentwicklung verzögert
werden kann. Im Idealfall wird durch die HAART zudem nur noch die Ausbildung
von Virusstämmen zugelassen, die in ihrer Wachstums- und
Replikationskinetik im Vergleich zur initialen Viruspopulation deutlich
eingeschränkt sind (geringere virale "Fitness").
Veränderungen im Immunsystem bei erfolgreicher HAART
- Jede erfolgreiche antiretrovirale Therapie muss die pathologisch
gesteigerte T-Zell-Proliferation und die Menge der nachweisbaren Plama-RNA
drastisch senken.
- Die Apoptoserate der CD4-Zellen (und damit auch der Bedarf für deren
Nachproduktion) sinkt innerhalb einer Woche deutlich, die Proliferation der
CD8-Zellen normalisiert sich innerhalb von etwa 6 Monaten.
- Nach 48 Wochen zeigte sich in einer Studie für ein
HAART-Therapieregime, das einen HIV-Protease-Inhibitor
enthielt eine vollständige Normalisierung der Apoptoserate der
CD4-Zellen.
- Das Ansteigen der CD4-Zellanzahl zu Beginn der HAART wird mit der
Mobilisation präformierter, reifer CD4-Zellen (v.a. von Gedächtniszellen
(CD4+/CD45RO+)) aus dem lymphatischen Gewebe
begründet. Die CD4-Zellanzahl im Blut steigt monatlich um bis zu 50 µl-1.
- In einer zweiten Phase bleibt die Konzentration der Gedächtniszellen
weitgehend konstant, während nun aus dem Thymus nachgebildete naive TH-Zellen
(CD4+/CD45RA+) für ein weiteres Ansteigen der
CD4-Zellanzahl sorgen.
- Das Ausmaß des Anstiegs der CD4-Zellanzahl unter einer HAART ist
abhängig von:
- Alter des Patienten
- Thymusaktivität
- CD4-Zellanzahl zu Beginn der Therapie
- Infektdauer
- Initiale Viruslast
- Kapazität der CD4-Vorläuferzellen
- Effektivität der HAART hinsichtlich Verminderung der Viruslast
- Trotz teilweise sehr guter Ergebnisse hinsichtlich der Immunparameter
CD4-Zellanzahl, CD4/CD8-Quotient etc. kann nicht davon ausgegangen werden,
dass es zu einer Viruseradikation kommt!
Veränderungen immunologischer Parameter bei erfolgreicher HAART
HI-Viren im Plasma |
Deaktivierung von T-Zellen |
Produktiv infizierte CD4-Zellen |
T-Gedächtniszellen (CD4+/CD45RO+) |
Latent infizierte CD4-Zellen |
Naive T-Zellen (CD4+/CD45RA+) |
Infizierte langlebige Zellen (Makrophagen, dendritische
Zellen) |
Antigen-präsentierende Zellen |
Therapieablauf
- Auch für den Ablauf der Therapie liegen keine verbindlichen Schemata vor.
Allerdings folgt die Gabe von Medikamenten einigen Grundsätzen, so z.B.
dem, dass mit einer dreifach Kombination mehrerer Medikamente mit
unterschiedlichen Ansatzpunkten begonnen wird, um eine Bildung resistenter
Viren zu verzögern.
- Wenn unter der Therapie die Viruslast wieder ansteigt, ist von einer
Resistenzbildung auszugehen; es sollten dann mindestens zwei der
Kombinationspartner ausgetauscht werden.
- Bei untragbaren UAW
wird das die UAW
auslösende Medikament gewechselt.
- Welche Kombination die beste ist, lässt sich nur für jeden Patienten
individuell entscheiden, denn alle drei üblichen Kombinationsschemata haben
Vor- und Nachteile:
-
- Die Kombination aus 2 NRTI
und einem PI
wurde bislang am umfangreichsten getestet. Zudem liegen Daten aus
Langzeitstudien zum klinischen Effekt vor.
- Diese Kombination ist relativ widerstandsfähig gegenüber
Resistenzen.
- Die z.T. recht hohe Anzahl einzunehmender Tabletten / Kapseln
(v.a. ungeboosterter HIV-Protease-Inhibitoren),
kann jedoch für die Adherence des Patienten problematisch sein.
Zudem sind längerfristig starke Nebenwirkungen zu erwarten.
-
- Die Kombination zweier NRTI
mit einem NNRTI
scheint eine der zuvor angesprochenen Kombination gleichwertige
Virus-Suppression zu haben. Allerdings beruht diese Einschätzung
noch nicht auf klinischen Langzeitstudien.
- Vorteilhaft gegenüber der zuvor genannten Kombination ist die
geringere Anzahl von einzunehmenden Arzneimitteln, da NNRTI
nur einmal, NRTI
nur zweimal täglich anzuwenden sind, was eine höhere Adherence mit
sich bringt.
- Problematisch ist die hohe Anfälligkeit der NNRTI
gegenüber Resistenzen, die zudem als Kreuzresistenzen gleich die
gesamte Wirkstoffklasse unbrauchbar machen.
-
- Die Kombination von drei NRTI
bietet eine geringe Anzahl einzunehmender Arzneimittel und eine
einfache Dosierung, allerdings scheint ihre Wirkung hinsichtlich
einer Senkung der Viruslast auch etwas geringer zu sein.
- Zidovudin + Lamivudin
+ Abacavir gibt es
in einer Tablette (Trizivir®), die 2-mal täglich
eingenommen wird.
- Dass es nur diese Kombination in einer Tablette gibt,
liegt nicht an der Machbarkeit sondern an der Tatsache, dass
die Patente zumeist bei verschiedenen Firmen liegen und
keiner mit der Konkurrenz teilen will.
- In Indien, Südafrika, Brasilien und Kenia werden auch Generika
mit 2 NRTI
+ NNRTI
in einer Tablette produziert.
- Zwischen den Einzelsubstanzen der NRTI
scheint es kaum Interaktionen zu geben. Manche Kombinationen sind
dennoch kontraindiziert.
- Bei Unverträglichkeit und Resistenzen stehen noch 2 andere
Wirkstoffklassen zu Verfügung.
- Kritisch zu sehen ist, dass keine Langzeitdaten mit klinischen
Endpunkten vorliegen.
Therapiekontrolle
- Die Therapie muss regelmäßig überprüft werden; wichtigste Parameter
sind Viruslast, die Anzahl an CD4- und CD8-Zellen sowie deren Vorstufen und
der Quotient von CD4/CD8.
800 - 1200 µl |
Kurzfristiges Absinken um ca. 30 % während
der akuten Phase der HIV-Erkrankung |
keine bzw. nicht nachweisbar |
Angestrebt wird eine anhaltende Senkung unter
die Nachweisgrenze von ca. 20 HIV-RNA-Kopien pro ml. Ein negativer
Nachweis bedeutet jedoch nicht, dass tatsächlich kein HIV
mehr vorhanden ist. |
- Je nach eingesetzten Wirkstoffen kommen weitere klinische Parameter hinzu,
die aufgrund typischer Nebenwirkungen der Arzneistoffgruppen, regelmäßig
abgeklärt werden sollten.
- Jede Therapie muss klare Veränderungen der Labormarker bewirken (s.o.).
- Ein Wiederauftreten nachweisbarer HIV-RNA ist Anlass für eine Änderung
der Art und Häufigkeit des Monitoring, jedoch nicht zwangsläufig für eine
Therapiemodifikation.
- Bei Plasma HIV-RNA über 1000 ml-1 wird eine
Resistenzbestimmung durchgeführt.
- Diese Resistenzbestimmungen sind nötig, da das HI-Virus
aufgrund seiner - bei der Beschreibung des Virus bereits erwähnten -
hohen Mutationsrate häufig während der Therapie resistent wird.
- Isolierung und Anzüchtung patienteneigenen Materials
- Behandlung der angezüchteten Virenstämme mit antiviralen
Substanzen
- Resistente Stämme zeigen geringere Empfindlichkeit gegenüber
bestimmten Substanzen
|
- Informationen über Kreuzresistenzen
- Gesamteffekt des Effekts der verwendeten Arzneistoffe bestimmbar
- Sehr zeitaufwendig
- Teuer
|
- Isolierung viraler RNA aus dem Blut des Patienten
- Isolierte RNA wird in Standardlaborviren eingebracht
- Behandlung der angezüchteten Virenstämme mit antiviralen
Substanzen
- Resistente Stämme zeigen geringere Empfindlichkeit gegenüber
bestimmten Substanzen
|
- Informationen über Kreuzresistenzen
- Gesamteffekt des Effekts der verwendeten Arzneistoffe bestimmbar
- Sehr zeitaufwendig
- Teuer
|
- Isolierung viraler RNA aus dem Blut des Patienten
- Gezielte Untersuchung auf bestimmte bekannte Resistenzmutationen
mittels PCR
|
- Verbreitetes Verfahren
- Einfache Durchführung
- Oftmals schwierige Interpretation der Ergebnisse, besonders bzgl.
Auswirkungen auf den Phänotyp
|
Therapieprobleme
- Das wichtigste Problem bezüglich der antiviralen Therapie ist das
Auftreten von Nebenwirkungen der eingesetzten Medikamente. 20 - 40 % der
Patienten brechen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab.
- Die üblicherweise innerhalb einer Kombinationstherapie applizierten
Medikamente führen zur verpflichtenden Einnahme großer Arzneimittelmengen,
so dass bereits aufgrund der schieren Menge an Medikamenten die Adherence
von HIV-Patienten ein Problem darstellt.
- Durch den Einsatz von Kombinationspräparaten kann die Anzahl der
benötigten Arzneimittel bei gleicher Wirkstoffgabe jedoch stark
reduziert werden. Zudem stehen inzwischen für praktisch alle wichtigen
Wirkstoffklassen auch Arzneimittel zur Verfügung, die nur noch einmal
täglich eingenommen werden müssen.
Immunrekonstitutionserkrankungen
- In den ersten Wochen bis wenige Monate nach Beginn einer HAART können
durch die einsetzende Immunrekonstitution inflammatorische Erkrankungen
auftreten (auch als paradoxe Reaktionen oder
Immunrekonstitutionserkrankungen bezeichnet).
- Hierbei kommt es entweder zur Verschlechterung einer vorhandenen oder
zur Manifestation einer bisher subklinischen opportunistischen
Infektion. Charakteristisch sind solche Reaktionen bei aktiver Hepatitis
B oder C, Komplikationen durch das Zytomegalievirus,
Mykobakteriosen und Systemmykosen.
- Auch das relativ häufige Auftreten eines Zoster
(etwa 15 %) und der eosinophilen Follikulitis in den ersten Monaten
einer HAART wird als Immunrekonstituionsphänomen erklärt. Die
Reaktionen sind im Prinzip selbstlimitiert, doch kann im Einzelfall eine
Therapie mit nicht-steroidalen
Antiphlogistika und/oder Glukokortikoiden
indiziert sein.
Compliance
- Die Compliance spielt eine zentrale Rolle bei der antiretroviralen
Therapie. Die virale Replikation wird nur dann langfristig unterdrückt,
wenn die Medikamenteneinnahme zu > 80 - 90 % korrekt erfolgt.
- Bei vielen anderen chronischen Erkrankungen sind vorübergehende
Fehler der Medikamenteneinnahme nachträglich korrigierbar, HIV verzeiht
Fehler jedoch kaum (sondern speichert die dadurch entstandenen
HIV-Mutationen im Genom).
- Die Therapie kann jedoch weitgehend ohne Gefahr der Selektion
bestimmter Mutanten unterbrochen werden, wenn die verwendeten
Medikamente eine ähnliche Halbwertszeit haben und gleichzeitig
abgesetzt werden.
Therapieversagen
Resistenzbildung
- Bislang (2007) gehen nur weniger als 8 % der Therapieversagen auf
Resistenzbildung und somit virologisches Versagen zurück.
- Während der Therapie mit antiretroviralen Substanzen haben HI-Viren
mit geringerer Empfindlichkeit gegenüber den eingesetzten Arzneistoffen
einen relativen Vorteil. Sie können sich bevorzugt vermehren und drängen
die empfindlicheren Viren zurück.
- Der in diesem Zusammenhang auftretende Begriff Resistenz ist nicht als
absolut aufzufassen. Vielmehr handelt es sich um graduelle Unterschiede
hinsichtlich der erforderlichen Wirkstoffkonzentrationen, die noch eine
Wirkung erzielen.
- Resistent ist ein Virus dann, wenn es nicht mehr durch therapeutisch
vertretbare Dosierungen beherrscht werden kann.
- Ein hoher Wirkungsverlust eines Arzneistoffs geht meist mit mehreren
Mutationen an seinen viralen Zielstrukturen einher. Allerdings kann auch
bereits eine einzelne Punktmutation einen merklichen Einfluss auf die
Empfindlichkeit des Virus haben.
- Die die Resistenz bedingenden Mutationen treten nahezu immer unabhängig
voneinander über mehrere Replikationszyklen auf.
- Dies macht man sich in den Kombinationstherapien der HAART zu Nutzen.
- Bei einer Monotherapie würde relativ schnell ein unempfindlicherer
Virusstamm bevorzugt und zum dominierenden Virus im Körper. Beim
Wechsel der Therapie auf eine neue Substanz, kann der Virus auf dieser
Stufe aufbauen und wiederum relativ schnell resistent werden.
- Durch den gleichzeitigen Angriff an mehreren Strukturen, müsste ein
Virusstamm, um bevorzugt zu werden, jedoch praktisch gleichzeitig gegen
drei Arzneistoffe eine Resistenz entwickeln.
- Die Wahrscheinlichkeit für das gleichzeitige Auftreten dreier
bestimmter Mutationen ist jedoch deutlich geringer, als die des
Auftretens einer einzelnen, auch wenn diese dafür dreimal
hintereinander auftreten müsste.
- So ist es z.B. auch wahrscheinlicher bei sechs Lottoziehungen
jeweils sechsmal mindestens 1 Zahl richtig zu haben, als einmal 6...
- Als Beispiel für das Ausmaß der Resistenzbildung sei hier das Beispiel Zidovudin
angeführt:
- Eine einzelne Mutation an Position 41 der Reversen Transkriptase
verringert die Empfindlichkeit des Virus gegenüber Zidovudin
um etwa Faktor 5, die Mutation von Position 41 und 215 gemeinsam um etwa
Faktor 50 und fünf bekannte Resistenz-assoziierte Mutationen der
Reversen Transkriptase zusammen um etwa Faktor 200.
- Auch wenn hier noch immer eine Empfindlichkeit gegenüber Zidovudin
besteht, so sind die nun erforderlichen Plasmakonzentrationen weit oberhalb des
therapeutischen Bereichs, so dass das Virus in der Praxis als resistent
gelten muss.
- Die Geschwindigkeit der Resistenzentwicklung ist interindividuell stark
unterschiedlich und wird v.a. durch die Replikationsrate des Virus bzw.
somit die Viruslast bestimmt.
- Je geringer die Virusreplikation, desto geringer die Anzahl von
Replikationen des Virusgenoms und damit auch die Wahrscheinlichkeit für das
Auftreten Resistenz-bedingender Mutationen.
- Bestimmte Arzneistoffkombinationen zeigen eine gegenseitige Beeinflussung
ihrer Wirksamkeit durch Selektion spezifischer Virusmutanten.
- So ist z.B. die Kombination von Zidovudin
und Lamivudin günstig: Lamivudin
induziert eine Mutation im Gen der Reversen Transkriptase an Position
184. Dadurch wird ein aufgrund von Mutationen an Position 41 und 215
gegenüber Zidovudin
bereits weitgehend resistentes Virus wieder Zidovudin-empfindlich.
- Wenn Patienten mit multiplen Resistenzmutationen in ihrer Plasma-HIV-RNA
die antiretrovirale Therapie absetzen, können diese Mutationen nach 12
Wochen nur mehr selten nachgewiesen werden.
- Ohne antiretrovirale Therapie besteht kein Selektionsdruck für
resistente Mutanten, so dass der Wildtyp HIV, der im "Archiv"
der proviralen DNA überdauerte, wieder überhand nimmt.
- Dieser Prozess wird durch die meist größere "Fitness" des
Wildtyps noch verstärkt.
- Manche Mutationen, wie die M184V-Mutation der reversen
Transkriptase und die meisten Mutationen des Proteasegens, sind mit
biologischen Nachteilen für das Virus assoziiert (Verlust an
"Fitness") - mit dem Ergebnis, dass trotz
"virologischen" Therapieversagens eine anhaltende
Immunrekonstitution zu beobachten ist ("diskrepantes"
Ansprechen).
- Deshalb wird in solchen Fällen, bei eingeschränkten Optionen,
die antiretrovirale Therapie trotz Resistenzbildung beibehalten.
- Ganz analog werden jedoch auch resistente Mutanten in der proviralen
DNA archiviert, so dass
- bei neuer Therapie - die resistenten Mutanten
selektiert werden können.
Therapieprognose
- Insgesamt lässt sich durch einen rechtzeitigen Behandlungsbeginn mit
antiviralen Substanzen die Progression der HIV-Erkrankung
deutlich verlangsamen und die Lebenszeit verlängern.
- Mit Immunmodulatoren wie Interferon-α (evtl. in
Kombination mit Zidovudin)
lässt sich möglicherweise die antivirale Resistenz verbessern, allerdings
oft bei erhöhten Nebenwirkungen.
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