HIV-Protease-Inhibitoren (PI)

Synonyme

  • Protease-Hemmer

Übersicht


Medizin

Typ

Indikationen

Arzneimittelinteraktionen

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

  • Fettstoffwechselstörungen, Lipodystrophie, Lipoatrophie, Hyperlipidämie (häufig)
    • Der Grund hier für die genannten Nebenwirkungen ist wahrscheinlich, ähnlich wie bei den NRTIs, in einer "mitochondrialen Toxizität" zu sehen.
  • Störungen des Glucosestoffwechsels (häufig)
  • Gastrointestinale Beschwerden

Anwendung

Dosierungshinweise

  • Aufgrund relativ kurzer Plasmahalbwertszeiten von oft deutlich unter 8 h müssten viele der Substanzen eigentlich dreimal täglich eingenommen werden. Durch Boostern mit Ritonavir (s.u.) lässt sich die Halbwertszeit jedoch verlängern, so dass dann meist eine Gabe ein- oder zweimal pro Tag ausreicht.

Bemerkungen

  • In klinischen Studien wurde eine gute Wirksamkeit der HIV-Protease-Inhibitoren nachgewiesen. Sie haben zu einer deutlichen Verbesserung der Therapie beigetragen.
  • Der anfängliche Optimismus, den die Einführung der Proteaseinhibitoren in die Therapie auslöste, ist inzwischen jedoch deutlich gebremst, da sich in der Langzeitbehandlung z.T. starke Nebenwirkungen und Probleme gezeigt haben.
    • Aus diesem Grund wird ein regelmäßiges Monitoring von Blutfett- und Blutglucosewerten empfohlen.
  • HIV-Protease-Inhibitoren haben üblicherweise starke Wechselwirkungen, da sie mit Cytochrom-P450-Enzymen der Leber interagieren und somit den Abbau zahlreicher anderer Substanzen über diesen wichtigen Metabolisierungsweg beeinflussen.

Pharmakologie

Typ

Pharmakodynamik

Wirkspektrum

  • Nahezu alle aktuell (2007) auf dem Markt befindlichen Substanzen sind bei Infektionen mit HIV-1 und HIV-2 einsetzbar. Eine Ausnahme stellt Indinavir dar, das nur gegen HIV-1 einsetzbar ist.

Wirkmechanismen

  • Die HIV-Protease ist ein Dimer aus zwei identischen, gefalteten Untereinheiten aus je 99 Aminosäuren. Ihr Substrat ist das gag-pol-Polyproteins, eine virale Proteinvorstufe. Aus diesem spaltet sie hydrolytisch Bindungen zwischen Phenylalanin und Prolin, wodurch die funktionsfähigen Enzyme des HI-Virus und dessen Kapsidproteine entstehen.
    • Dieses Spaltungsmuster ist für retrovirale Proteasen spezifisch.
  • HIV-Protease-Inhibitoren wirken in der Posttranslationsphase der HIV-Replikation.
  • Sie imitieren das natürliche Substrat des Enzyms und binden wie dieses am aktiven Zentrum der HIV-Protease. Da sie jedoch anschließend nicht hydrolysiert werden können, verbleiben sie am Enzym und blockieren es somit irreversibel.
  • Ohne die Spaltung des viralen gag-pol-Polyproteins werden somit zwar aus infizierten Zellen weiter Viruspartikel freigesetzt, diese sind jedoch nicht mehr infektiös, so dass die Virusausbreitung effektiv gehemmt wird.

Bemerkungen

  • Die Affinität zur viralen Protease ist höher als zu humanen Enzymen (z.B. zu Renin, ebenfalls einer Aspartatprotease), was ihre therapeutisch meist ausreichende Selektivität begründet. Die fehlende absolute Selektivität erklärt einen Teil der unerwünschten Arzneimittelwirkungen.

Pharmakokinetik

Metabolisierung

  • HIV-Protease-Inhibitoren werden in der Leber durch Enzyme des Cytochrom-P450-Systems metabolisiert. 
  • Die wichtigste metabolisierende Unterfamilie ist dabei CYP3A. 
  • Eine Übersicht über die an der Metabolisierung (und dem Transport) der einzelnen Substanzen beteiligten Enzyme gibt die folgende Tabelle.

Substanz

Metabolisierung

Transport

Amprenavir

Vor allem CYP3A4, daneben CYP2D6, CYP2C9

P-Glykoprotein

Indinavir

CYP3A4, CYP3A5

P-Glykoprotein, MRP1/2 (Multidrug-Resistance Protein 1/2)

Lopinavir

CYP3A4, CYP3A5

 

Nelfinavir

CYP3A4 (52 %), CYP2C19, CYP2D6, CYP2C9

P-Glykoprotein, MRP2

Ritonavir

CYP3A4, CYP3A5, CYP2D6

P-Glykoprotein, MRP1, MRP2

Saquinavir

CYP3A

P-Glykoprotein, MRP2

Bemerkungen

  • Alle HIV-Protease-Inhibitoren hemmen das Cytochrom-P450-Enzym CYP3A4 in unterschiedlich starkem Ausmaß. Der stärkste Inhibitor ist Ritonavir.
    • Aufgrund dieser Eigenschaft setzt man Ritonavir in Kombination mit anderen HIV-Protease-Inhibitoren dazu ein, den Abbau der Proteaseinhibitoren insgesamt zu verlangsamen, dadurch die Plasmahalbwertszeiten zu verlängern und eine verringerte Dosierung zu ermöglichen.
    • Dieser Effekt wird auch als "Booster" bezeichnet.
      • Die fixe Kombination von Lopinavir mit Ritonavir als Booster ist unter dem Handelsnamen Kaletra® verfügbar. Dieser zeigt eine im Vergleich zu Lopinavir allein deutlich erhöhte Plasmakonzentration und -halbwertsweit. 
      • Durch die Kombination ist wohl auch die Entwicklung von Resistenzen erschwert. Die Kombination eignet sich oft auch noch bei Versagen der bisherigen Therapie.
  • Neben der Inhibition von CYP3A4 hemmen bzw. induzieren die verschiedenen Substanzen auch andere Enzyme. Nachfolgend eine kurze Übersicht hierzu:

Substanz

Inhibiert

Induziert

Amprenavir

CYP3A4

P-Glykoprotein

Indinavir

CYP3A4

CYP1A1

Nelfinavir

CYP3A4

CYP1A1, P-Glykoprotein

Ritonavir

CYP2D6, CYP2E1, CYP3A4, P-Glykoprotein

CYP1A1, CYP1A2, CYP1A4, CYP2C9, Glutathion-S-Transferase

Saquinavir

CYP2C9, CYP3A4

CYP1A1

Resistenzentwicklung

  • Eine Abnahme der Empfindlichkeit gegen HIV-Protease-Inhibitoren (so genannte "phänotypische Resistenz") erfordert in der Regel die Akkumulation mehrerer, schrittweise erfolgender Mutationen im Genom des HI-Virus (sogenannte "genotypische Resistenz"). Mit Ausnahme von Atazanavir und Nelfinavir sind HIV-Protease-Inhibitoren daher Substanzen mit "hoher genetischer Barriere".
  • Ein weiterer Resistenzmechanismus besteht im vermehrten Einbau von Transportproteinen (Membran-Effluxpumpen) in infizierte Zellen, die eingedrungenen Arzneistoff aktiv aus dieser befördern.
  • HIV-Protease-Inhibitoren sind dabei Substrate von P-Glykoprotein (p-gp, MDR1). Dieses kann dadurch unter der Therapie in den Epithelzellen der Blut-Hirn-Schranke und in den Hoden verstärkt gebildet werden und somit ZNS und Hodengewebe zu Virus-Reservoirs machen.

Geschichtliches

  • Die Struktur und Funktion der Protease von HIV-1 waren etwa seit 1989 bekannt, so dass die Entwicklung neuer Arzneistoffe gegen dieses Target nun begonnen werden konnte.
  • Die erste in die Klinik eingeführte Substanz der gegen dieses Enzym gerichteten neuen Arzneistoffgruppe der HIV-Protease-Inhibitoren war das 1995 in den USA zugelassene Saquinavir.

Chemie

Strukturmerkmale

  • Die chemischen Strukturen der HIV-Protease-Inhibitoren ähneln oft Peptiden, ohne selbst jedoch Peptide darzustellen.
  • Sie imitieren das natürliche Substrat des Enzyms und binden wie dieses an die HIV-Protease. Da sie jedoch anschließend nicht hydrolysiert werden können, verbleiben sie am Enzym und blockieren es somit irreversibel.

Beispiele

Substanzen

 

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