Humanes Immundefizienz-Virus (HIV)

Synonyme

  • AIDS-Virus, HI-Virus, Human immunodeficiency virus [engl.] 
  • AIDS-assoziiertes Retrovirus (ARV) [obsolet], Humanes T-Zell lymphotropes Virus III (HTLV-III) [obsolet], Human t-cell lymphotropic virus III (HTLV-III) [engl., obsolet], Lymphadenopathie-assoziiertes Virus (LAV-I) [obsolet], Lymphadenopathy associated virus I (LAV-I) [engl., obsolet]

Übersicht


Medizin

Medizinische Bedeutung

  • Das HI-Virus ist der Erreger der HIV-Erkrankung, die üblicherweise in ihrem Spätstadium zu AIDS führt.

Untertypen

  • Man unterscheidet zwei wichtige Subtypen des HI-Virus, die sich in den von ihnen ausgelösten Krankheitsbildern gleichen, jedoch unterschiedlicher Herkunft, pathologischer Bedeutung und Aminosäuresequenz ihrer Proteine sind: 
    1. HIV-1 
    2. HIV-2
  • Die Homologie zwischen HIV-1 und HIV-2 beträgt auf Ebene ihrer Aminosäuresequenzen nur etwa  45 - 50 %.
  • Klinisch relevant ist diese Unterteilung in HIV-1 und HIV-2, da nicht alle Medikamente gegen beide Subtypen einsetzbar sind. Grund hierfür sind die eben genannten Unterschiede der Aminosäuresequenzen, die zu unterschiedlichen Tertiärstrukturen der als Arzneistofftargets dienenden Enzyme führen.

HIV-1

  • HIV-1 wird anhand bestimmter mikrobiologischer Parameter in drei weitere Gruppen aufgegliedert, die wiederum  in weitere Subtypen untergliedert werden. Die drei Hauptgruppen sind:
    • HIV-1 Gruppe M ("Main")
    • HIV-1 Gruppe O ("Outlier", gelegentlich auch als "HIV-0" bezeichnet)
    • HIV-1 Gruppe N (eigentlich wohl für "Non-M, Non-O", z.T. aber auch als von "New" abgeleitet bezeichnet)
  • Eine Übersicht der Subtypen gibt die folgende Tabelle.
Subtyp Verbreitung
Gruppe M
  A Zentral- und Ostafrika, nur selten in Nordamerika und Europa
  B Europa, Indien, Indochina, seltener Zentralafrika, Nordamerika, Südamerika
  C Zentral- und Südafrika, Europa, Indien, Indochina
  D Zentralafrika, Europa
  E Zentral-, Ost- und Südafrika, Europa, Indien, Indochina
  F Zentralafrika, Südamerika, Europa
  G Zentral- und Westafrika, Europa
  H Zentralafrika, Europa
  J Nahost
  K  
Gruppe O (auch als HIV-0 bezeichnet)
  0 Westafrika und Zentralafrika (dort ca. 2 - 4 % der Infektionen), seltener in Europa und Nordamerika
Gruppe N
    Bislang nur in Kamerun nachgewiesen
  • HIV-1 ist bislang der weltweit vorherrschende Erreger der HIV-Erkrankung.
  • Die klinisch bislang bedeutsamsten Typen sind 1A, 1B, 1C und 1D, sowie die Typen 1E, 1G und 1H, die alle jedoch eng mit HIV-1A verwandt scheinen.
  • Der Einfluss verschiedener Subtypen von HIV-1 auf die Infektiosität kann noch nicht abschließend bewertet werden. 
    • Für den in den USA und Westeuropa vorherrschenden Subtyp B wird dennoch manchmal eine geringere Infektionswahrscheinlichkeit bei heterosexueller Übertragung postuliert. Hingegen soll der Subtyp E besonders leicht durch auch heterosexuellen Vaginalverkehr übertragbar sein und auch für den Subtyp C findet man Behauptungen, dass dieser leichter sexuell bzw. von der Schwangeren auf das Kind übertragen wird.

HIV-2

  • HIV-2 wird als weniger aggressiv eingestuft, da es sich bisher weniger schnell ausgebreitet hat.
  • Letzteres erkennt man auch in der folgenden Übersicht der von HIV-2 unterschiedenen Subtypen.
Subtyp Verbreitung
A Weltweit
B Westafrika, Europa, Indien
C Westafrika
D Westafrika
E Westafrika
F Westafrika
G Westafrika
H Westafrika

Übertragung

  • Das HI-Virus wird von Mensch zu Mensch durch direkten Kontakt von Körperflüssigkeiten, vorwiegend Blut, Sperma und Vaginalsekret, übertragen.
    • HIV ist in nahezu allen Körperflüssigkeiten (Blut, Lymphe, Speichel, Sperma, Vaginalsekret, Muttermilch, Liquor cerebrospinalis, Gelenkflüssigkeit etc.) nachzuweisen. Die Konzentration ist jedoch deutlich unterschiedlich, so ist sie z.B. im Sperma eines Infizierten deutlich höher, als in seinem Blut; im Speichel findet man so niedrige Konzentrationen, dass Übertragungen durch Speichel bei intakter Mundschleimhaut als nahezu ausgeschlossen gelten.
  • Aus diesem Grund sind die folgenden Übertragungswege als die wichtigsten zu nennen:
    • Direkter Blutkontakt
      • Außer beim intravenösen Drogenkonsum mit Benutzung der gleichen Nadel durch mehrere Personen ist die Übertragung infizierten Blutes heute meist auf Unfälle (z.B. Nadelstichverletzungen) zurückzuführen.
    • Geschlechtsverkehr
      • Ungeschützter Geschlechtsverkehr ist der derzeit wichtigste Übertragungsweg, wobei Analverkehr ein höheres Übertragungsrisiko als Vaginalverkehr hat.
    • Perinatale Übertragung
      • HIV ist wahrscheinlich nicht oder zumindest nur in extrem geringem Ausmaß plazentagängig. Es kann aber durch Blutkontakte während des Geburtsvorganges auf das Neugeborene übertragen werden. Da eine Übertragung durch Muttermilch nicht auszuschließen ist, sollte das Kind nicht gestillt werden.
  • HIV ist sehr empfindlich gegenüber Luftexposition und Desinfektionsmitteln, so dass eine Übertragung durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion nahezu ausgeschlossen ist. Bislang sind keine Fälle einer Übertragung auf diesen Wegen bekannt geworden.
    • Somit sind persönliche Kontakte wie Händeschütteln, Abschieds- und Begrüßungsküsse oder gemeinsames Benutzen von Toiletten, zumindest so lange die beteiligten Haut- oder Schleimhautareale intakt sind, als ungefährlich anzusehen.
    • Auch für eine Übertragung durch Insekten liegen bislang keine Beweise vor.
  • Der Kontakt mit infiziertem Material führt - je nach seiner Art und dem Ort, an dem er stattfindet - zu einem unterschiedlich hohen Risiko einer Aufnahme des Virus in den Körper. Die Infektionswahrscheinlichkeiten wichtiger Übertragungswege werden im nachfolgenden Abschnitt behandelt.

Infektionswahrscheinlichkeit

  • Die Angaben zur Wahrscheinlichkeit einer Infektion bei Kontakt mit erregerhaltigem Material sind höchst unterschiedlich. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass die Erhebung der Daten naturgemäß sehr schwierig ist: So sind HIV-Erkrankungen relativ selten (kleine Datenbasis), werden normalerweise erst nach Jahren bemerkt (wenn bereits die genauen Umstände der Infektion vergessen sein können), die Datenerhebung berührt u.U. sensible Punkte (Sexualpraktiken, Drogenkonsum etc.) und v.a. können nur epidemiologische Studien durchgeführt werden.
  • Allgemein geht man von relativ niedrigen Infektionswahrscheinlichkeiten aus, deutlich niedriger als bei Hepatitis C und immer noch niedriger als bei Hepatitis B.
  • Für die meisten Übertragungswege wird eine Infektionswahrscheinlichkeit von etwa 0,1 - 1 % angegeben, wobei diese Werte jedoch erheblich erhöht sein können bei:
    1. Bestimmten Übertragungswegen (s.u.)
    2. Bei hoher Viruslast des Überträgers bzw. der übertragenen Körperflüssigkeit (10 - 30fach höher)
    3. Bei vorbestehenden Haut- oder Schleimhautdefekten (5 - 10fach höher).
  • Die nachfolgend angegebenen Zahlen sind somit als Anhaltspunkte zu verstehen und dürfen keineswegs dazu verleiten das Risiko einer Infektion zu verharmlosen:
    • Bluttransfusionen
      • Das höchste Infektionsrisiko bedingt eine Bluttransfusion mit HIV-haltigem Blut, hier wird das Risiko einer Übertragung der Infektion mit ca. 95 % angegeben.
        • Seit etwa Mitte der 80er Jahre können Blutprodukte (aufgrund besserer Tests) als relativ sicher angesehen werden. In den letzten Jahren hat sich ihre Sicherheit durch die hohen Auflagen des Transfusionsgesetzes und den Einsatz der PCR so weit erhöht, dass sie heute praktisch keine Gefahr mehr darstellen.
    • Geschlechtsverkehr (ungeschützt)
      • Ungeschützter vaginaler Geschlechtsverkehr mit einem HIV-positiven Partner ist mit einem Risiko einer HIV-Infektion von ca. 0,05 - 0,15 % für die Frau, und etwa 0,03 - 5,6 % für Männer verbunden, tendentiell jedoch für Männer etwas geringer als für Frauen.
        • Geschlechtsverkehr während der Regelblutung der Frau ist mit einem erhöhten Infektionsrisiko für beide Partner vergesellschaftet.
        • Beschnittene Männer haben, aufgrund stärkerer Verhornung der Eichel und fehlender Vorhautschleimhaut, ein etwas geringeres Infektionsrisiko.
      • Bei Analverkehr treten häufig kleine Risse an der Schleimhaut auf. Dementsprechend liegt das Risiko für den passiven Teilnehmer beim Analverkehr um 0,8 % und um 0,3 % für den aktiven Teilnehmer.
      • Bei Oralverkehr bei der Frau (Cunnilingus) wird das Risiko für eine Infektion als geringer als beim vaginalen Geschlechtsverkehr angesehen.
      • Gleiches gilt für das Infektionsrisiko für Oralverkehr beim Mann (Fellatio). Hier ist die Infektionsgefahr jedoch wiederum höher als beim Cunnilingus, insbesondere wenn das Sperma in den Mund aufgenommen wird.
      • Eine Infektion durch Vorflüssigkeit ("Lusttropfen") gilt als sehr unwahrscheinlich, ist
      • Andere Sexualpraktiken, bei denen kein Kontakt zu Schleimhäuten, Blut, Sperma oder Scheidensekret besteht haben nur ein extrem geringes Infektionsrisiko.
      • Geschlechtskrankheiten und andere entzündliche Erkrankungen am Genitale öffnen physiologische Haut- und Schleimhautbarrieren und steigern das Risiko einer HIV-Infektion deutlich.
    • Nadelstichverletzungen
      • Das Infektionsrisiko durch Nadelstiche hängt sehr von der Situation ab. Das Infektionsrisiko wird durchschnittlich mit 0,3 % angegeben und steigt mit folgenden Faktoren:
        • Sehr tiefe Verletzungen (16fach erhöht)
        • Sichtbare Blutspuren auf der Nadel oder wenn die Nadel kurz vorher in einer Vene oder Arterie des Überträgers war (jeweils 5fach erhöht)
        • Hohe Viruslast des Überträgers (6fach erhöht).
      • Das Risiko bei Hohlnadeln ist höher als bei geschlossen Nadeln.
      • Das Risiko sich durch eine gemeinsame Nutzung einer Kanüle (z.B. beim Spritzen von Heroin) zu infizieren beträgt ca. 0,7 %. Es sinkt zwar mit zunehmendem zeitlichen Abstand zwischen den Injektionen, jedoch können in der Kanüle eingeschlossene Viren z.T. noch nach Tagen infektiös sein.
        • Das Risiko ist höher als bei Nadelstichverletzungen, da meist größere Mengen Blut übertragen werden.
      • Desinfektion oder Sterilisation bereits genutzter Injektionsnadeln sind als unsicher abzulehnen.
    • Perinatale Übertragung
      • Für die Übertragung des Virus von einer HIV-infizierten, nicht antiretroviral behandelten, schwangeren Mutter auf das Kind werden Infektionswahrscheinlichkeiten von 15 - 30 % angegeben. Durch konsequente antivirale Therapie während der Schwangerschaft und ausschließlich wehenlose Entbindung per Kaiserschnitt liegt das Infektionsrisiko für das Kind heute jedoch unter 5 %.
        • Dennoch zeigen alle Säuglinge HIV-positiver Mütter noch 18 bis 24 Monate nach der Geburt noch "positive" Ergebnisse bei auf Antikörper gegen das Virus reagierenden HIV-Tests, da sie noch IgG der Mutter besitzen.
        • Da eine Übertragung des HI-Virus durch Muttermilch nicht auszuschließen ist, sollte das Kind nicht gestillt werden.

Nachweis

  • Der Nachweis von HI-Viren aus diversen Proben erfolgt mittels diverser HIV-Tests, die gesondert beschrieben werden.

Resistenz

  • In Patienten mit einer bestimmten Mutation des Zytokinrezeptors CCR5, die als "Mutation Delta 32" bezeichnet wird, kann sich das HI-Virus nur schwer replizieren, da die Virusfusion erschwert ist.
  • Bei heterozygoten Merkmalsträgern ist die Infektion erschwert, bei homozygoten Personen scheint eine natürliche Resistenz gegen CCR5-trope HI-Viren vorzuliegen.

Mechanismen der Immunsuppression

  • Die genauen Mechanismen der Wirkung von HIV auf das Immunsystem sind noch immer in großen Teilen unbekannt.
  • Man weiß, dass nach einer Infektion TH-Lymphozyten direkt befallen und zerstört werden. Dennoch ist das Immunsystem über die primäre Immunantwort in der Lage, die Viruslast im Blut nahezu auf null zu senken.
    • Auch weiß man, dass das Virus mit Hilfe mehrerer Proteine versucht möglichst wenig CD4 auf bereits infizierten Zellen zu produzieren und dass es sich in Zellen mit hoher CD4-Rezeptordichte schlechter reproduziert, als in solchen mit niedriger.
      • Anscheinend führt die Vernetzung von CD4-Rezeptoren durch z.B. Interleukin 16 zu einer Aktivierung einer Signalkaskade, die die Virusreplikation um Faktor 10 zu verringern vermag.
  • Allerdings können HI-Viren als Provirus, chromosomal in TH-Lymphozyten und andere Zellen integriert, im Organismus persistieren. Dort entziehen sie sich dem Immunsystem vermutlich dadurch, dass die infizierten Zellen keine viralen Proteine auf ihrer Oberfläche exprimieren und somit nicht als befallen erkannt werden können.
  • Die sekundäre Immunantwort verläuft aufgrund der T-Zell-Hemmung nur schwach und spielt daher bei der Abwehr von HIV nur eine untergeordnete Rolle.
    • Die Anzahl der TH-Lymphozyten im Blut sinkt über eine lange Phase der Infektion stärker ab, als man dies nach den im Blut bestimmbaren Virustitern erwarten würde.
  • Man vermutet, dass es neben dem Befall dieser Zellen durch das HI-Virus noch andere Mechanismen gibt, die zu einer Suppression der T-Zell-vermittelten Immunantwort führen.
    • Die Zerstörung und der Ausfall der TH-Zellen führen zu schweren Störungen der Immunabwehr, so werden z.B. Interleukin 2 (IL-2) und Interferon-γ (IFγ) nicht mehr ausreichend produziert.
    • Es unterbleibt eine Aktivierung der Makrophagen, der TK-Zellen und der NK-Zellen; B-Lymphozyten werden, ebenso wie auch T-Lymphozyten, nicht weiter differenziert.
    • In der Folge kommt es zum Auftreten opportunistischer Erkrankungen, die kennzeichnend für das Spätstadium der HIV-Erkrankung bzw. AIDS sind.

Geschichtliches

  • Aktuell (2008) vermutet man, dass das HI-Virus erstmals zwischen 1884 und 1924 - mit einem Wahrscheinlichkeitsmaximum für das Jahr 1908 - in Zentralafrika durch eine Mutation eines vorher nur Affen infizierenden Virus, wahrscheinlich des so genannten SI-Virus (Simian Immunodeficiency Virus), aufgetreten ist.
  • Hier scheint HIV zunächst einige Jahre bis Jahrzehnte nur in einem relativ geschlossenen Endemiegebiet weiter aufgetreten.
  • Die älteste nachgewiesene HIV-Infektion beim Menschen ist auf das Jahr 1959 datiert. In einer eingefrorenen Blutprobe aus dem Kongo konnten Fragmente des HI-Virus (allerdings erst Jahrzehnte später) nachgewiesen werden.
    • Aufgrund dieser Probe wurde das vermutete Entstehungsdatum auf 1930 (+/- 30 Jahre) festgelegt. Im Jahr 2008 fand man jedoch in einer Blutprobe einer Frau (ebenfalls aus Kinshasa, Kongo), die aus dem Jahr 1960 stammte, ebenfalls HI-Viren. Ausgehend von der bekanten normalen Mutationsrate des Virus und den unterschieden zwischen den Viren in den beiden relativ zeitnahen Blutproben, korrigierte man den Zeitpunkt der vermuteten Entstehung auf das Zeitintervall von 1884 bis 1924.  
    • Weitere sehr frühe AIDS-Fälle sind inzwischen für einen 1969 in St. Louis (Missouri, USA) am Kaposi-Sarkom verstorbenen Teenager und einen norwegischen Seemann, seine Frau und Tochter, die alle 1976 verstarben bekannt.
  • Von Afrika lässt sich HIV zunächst nach Haiti und später in die USA verfolgen.
  • 1981 wurde man dort auf ein bis dahin unbekanntes Krankheitsbild aufmerksam, das epidemieartig insbesondere bei Homosexuellen auftrat. Aufgrund der beobachteten Krankheitssymptomatik nannte man diese Infektion AIDS (Acquired Immuno Deficiency Syndrome).
  • Von ersten Infektionen in Europa wurde 1982 berichtet.
  • Die erste Isolierung des HI-Virus gelang Luc Montagnier 1983 aus einem Patienten mit Symptomen einer Lymphadenopathie, weshalb er das Virus LAV (lymphadenopathia-associated virus) nannte. Dasselbe Virus wurde Monate später von Robert Gallo erneut isoliert, der es aufgrund seiner Ähnlichkeit zu den bereits bekannten lymphotropen Retroviren als HTLV III (human t-cell lymphotropic virus) bezeichnete.
    • Zwischen beiden Forschern entbrannte ein Streit um die Erstbeschreibung des Erregers, der erst durch eine gemeinsame Konferenz in Paris beigelegt werden konnte. Hier einigte man sich 1986 auch auf die Bezeichnung des Virus als HIV, die seitdem international offiziell gültig ist.
  • 1983/84 wurde die Bindung des Virus an den CD4-Rezeptor von T-Zellen und Makrophagen nachgewiesen.
  • 1985 konnte das Virus erstmals geklont und seine Nukleotidsequenz bestimmt werden.
  • Ebenfalls 1985 wurde der erste HIV-Test eingeführt, der auf dem Nachweis von Antikörpern gegen Proteine des Virus beruhte.
  • 1986 entdeckte man den Subtyp HIV-2 und begann erstmals mit einer lebensverlängernden antiviralen Therapie. Der dazu zunächst ausschließlich eingesetzte Arzneistoff Zidovudin war (mit anderer Indikation) bereits in den 1960er Jahren entwickelt worden.
  • Seit 1996 ist die Kombinationstherapie mit mehreren Virustatika Standard in der Behandlung von AIDS.

Perspektiven

  • Eine suffiziente Therapie oder Heilung ist bis heute nicht in Sicht. Allerdings ist durch die Einführung wirksamer Medikamente das Bewusstsein der Gefahr einer HIV-Infektion in der Bevölkerung zurückgegangen.
  • Anders als zunächst vermutet, ist die Virusreplikation von SI-Viren in infizierten Schimpansen nicht anders als die von HIV in infizierten Menschen. Dennoch treten bei Schimpansen aus noch ungeklärten Gründen keine Symptome auf. Die Hoffnung aus dieser Symptomfreiheit neue therapeutische Möglichkeiten ableiten zu können ist daher deutlich gesunken.

Biologie

Typ

Epidemiologie

  • HIV ist inzwischen weltweit verbreitet. Besonders hohe Durchseuchungsraten mit dem Virus findet man in großen Teilen Afrikas und Südostasiens.
Prävalenz von HIV-Infektionen weltweit (UNAIDS, 2007)

HIV-1-M

  • Das östliche Äquatorialafrika, woher die AIDS-Pandemie beim Menschen ihren Ausgang genommen hat, ist das natürliche Habitat vom Schimpansensubtyp Pan troglodytes schweinfurtii.
  • Die Prävalenz von SIVcpz bei wildlebenden Pan troglodytes schweinfurtii ist jedoch sehr niedrig, und Isolate aus diesen Schimpansen zeigen auch keine besonders nahe phylogenetische Verwandtschaft mit HIV-1 Gruppe M ("Main") oder N (non-M, non-O bzw. "New").
  • Damit bleibt der genaue Ursprung von HIV-1-M derzeit noch weitgehend unklar.

HIV-1-O

  • Als wahrscheinlichster Vorläufer für HIV-1-O wird derzeit das bei Flachland-Gorillas entdeckte Virus SIVgor angesehen.

HIV-1-N

  • Viren, die aus Pan troglodytes troglodytes, einem im westlichen Äquatorialafrika heimischen Schimpansensubtyp, isoliert wurden, bilden ein phylogenetisch sehr nahe verwandtes Cluster mit HIV-1-Isolaten der Gruppe N, welches nur bei Personen aus dieser Region gefunden wurde.
  • Die Jagd auf Schimpansen und das Hantieren mit Schimpansenfleisch und -blut zum Verzehr ist im westlichen Äquatorialafrika durchaus üblich, so dass hier ein Wirtswechsel gut möglich erscheint, zumal die Durchseuchung mit SIVcpz bei den Schimpansen der Region recht hoch zu sein scheint (ca. 35 %).

HIV-2

  • Für HIV-2 ist der Herkunftsnachweis relativ leicht zu führen, da HIV-2 und SIVsm eine identische Genomstruktur aufweisen und nur diese beiden Viren vpx als akzessorisches Gen enthalten.
  • HIV-2 und SIVsm sind phylogenetisch eng verwandt und können entsprechend ihrem Ursprung nicht in entfernte phylogenetische Linien getrennt werden.
  • Sooty-Mangaben kommen zahlreich in Westafrika vor und sind in freier Wildbahn stark mit SIVsm durchseucht. Sie entwickeln jedoch keine Symptome.
  • Das natürliche Habitat dieser Mangaben korreliert mit den Regionen, in denen HIV-2 endemisch vorkommt.
  • Sooty-Mangaben werden wegen ihres Fleisches häufig gejagt und gelegentlich als Haustiere gehalten - somit bestehen genügend Gelegenheiten zu einer Übertragung.
  • Eine weitere Stütze dieser Theorie stellt folgender Sachverhalt dar:
    • Auch die Virusstämme SIVsm und SIVmac ähneln einander sehr. Man vermutet, dass SIVsm durch Mutation auf in Gefangenschaft gehaltene Makaken übergegangen ist.
    • Der neue, als SIVmac bezeichnete, Virus führt bei den Makaken zu einer AIDS-ähnlichen Erkrankung.
      • Diese Beobachtung legt nahe, dass Primaten-Lentiviren in ihren natürlichen Wirten apathogen sind, und dass erst eine cross-species-Übertragung zu einer Änderung ihrer Virulenz führen kann.

Morphologie

Allgemeines

  • HIV ist ein annähernd kugelförmiges, behülltes Virus mit einem Durchmesser von etwa 100 nm.
  • Der Aufbau des Virus lässt sich zunächst grob gliedern in Kern, Kapsid und Hülle, die nachfolgend genauer betrachtet werden.
    • Die Bezifferung der dabei auftauchenden Proteine (p) und Glykoproteine (gp) erfolgt anhand ihrer Molekülmassen: Die Zahl entspricht ihrer Molekülmasse in kDa. Da sich diese früher nicht genau bestimmen ließ, findet man bei manchen Proteinen in der Literatur auch um etwa 1 abweichende Benennungen, so z.B. p18 statt p17 oder p7 statt p6.

 

Schematische Darstellung des HI-Virus

Kern

  • Der Kern besteht aus zwei Kopien des etwa 9,2 kB großen Virus-Genoms, bestehend aus einzelsträngiger RNA mit positiver Polarität, und daran gebundenen Proteinen.
  • Hierbei sind vor allem die Nukleinsäure-bindenden Proteine p7 und p9, zu nennen, aber auch die drei Hauptproteine des Virus (Reverse Transkriptase, HIV-Protease, Integrase) sowie die Ribonuclease h sind mit der RNA assoziiert.
  • Bei anderen Retroviren konnte eine helicale Struktur dieses Komplexes nachgewiesen werden, für HIV ist sie wahrscheinlich, aber noch nicht bestimmt.

Kapsid

  • Das Genom des HI-Virus ist von einem kegelförmigen bis zylindrischen Kapsid eingeschlossen, das aus dem Protein p24 gebildet wird.
  • Das Kapsid enthält auch zahlreiche Makromoleküle der Wirtszelle, so u.a. tRNAlys3, das als Primer für die reverse Transkription dient.
  • Das Kapsid ist von einer weiteren, kugelförmigen Schicht umgeben, die als Matrix bezeichnet wird.
  • Die Matrix besteht v.a. aus dem Protein p17 und befindet sich unmittelbar unter der Hülle.

Hülle

  • Bei der Freisetzung des Virus aus der Wirtszelle umgibt sich das Kapsid typischerweise mit einer Virushülle aus der Phospholipiddoppelschicht der Wirtszellmembran. In der Virushülle findet man daher Reste zellulärer Membranproteine der Wirtszelle (z.B. MHC-I und MHC-II). 
  • Ebenfalls findet man in der Hülle Adhäsionsproteine wie ICAM-1, die das Anheften an andere Zielzellen erleichtern.
  • Typische und für die Infektion unbedingt notwendige Bestandteile der Virushülle sind 72, jeweils etwa 10 nm große, virale Glykoproteinkomplexe aus gp41 und gp120. Da sie aus der Virusoberfläche herausragen, werden sie häufig als "Spikes" bezeichnet.
  • In diesen Komplexen ist das Transmembranprotein gp41 nicht-kovalent mit dem an der Hüllenoberfläche lokalisierten gp120 verbunden.
    • gp120 und gp41 werden im endoplasmatischen Retikulum der infizierten Zelle als gemeinsame Vorstufe gp160 gebildet und mit Golgi-Vesikeln zur Zellmembran transportiert. Dort werden sie zu gp120 und gp41 prozessiert.
  • Zusammen bilden gp120 und gp41 das virale Adhäsionsprotein, mit dem das Virus an seine Wirtszelle andockt.

Genom

  • Das Virusgenom besteht aus zwei Kopien einer RNA-Kette mit messenger-Polarität, die jedoch bei der Transkription nicht direkt als mRNA fungieren kann.
  • Die beiden RNA-Einzelstränge bestehen aus jeweils etwa 9.200 Nukleotiden und können sich zu einem Dimer zusammenlagern.
  • Am 5'- und 3'-Ende der RNA befinden sich sogenannte LTR-Regionen (long terminal repeats), die bei der Bildung viraler Genprodukte als starke Promotoren wirken; dazwischen befinden sich die Gene des HI-Virus, die für alle strukturellen und enzymatisch wirksamen Proteine kodieren:
Schematische Darstellung des Genoms von HIV-1
  • Das Genom des HI-Virus besteht aus 9 Genen, wovon nur 3 (env, gag, pol) sogenannte Strukturgene sind und die weitergegebenen Proteine codieren.
  • Die übrigen 6 Gene (nef, rev, tat, vif, vpr, vpu) dienen als Regulatorgene, die die Virusreplikation steuernde Regulationsfaktoren codieren. Die Gene nef, vif, vpr und vpu werden dabei auch als akzessorische Gene bezeichnet, da sie für die Virusreplikation, zumindest in vitro, nicht unbedingt erforderlich sind.
  • Die 9 Gene im Einzelnen:
    • env (envelope)
      • env beinhaltet die Erbinformation für die beiden Glykoproteine der Virushülle, gp41 und gp120.
    • gag (group specific antigen)
      • gag kodiert für die Proteine p7, p17 und p24.
      • Die Bezeichnung leitet sich daraus ab, dass p24 das im "normalen" HIV-Test nachgewiesene Protein ist.
    • nef (negative factor)
      • nef codiert ein regulatorisches Protein, das wie tat und rev bereits früh während des Replikationszyklus produziert wird. 
      • Es hemmt die Transkription einiger Gene der Wirtszelle und induziert so eine Downregulation von CD4 und von HLA-Klasse-I-Antigenen auf der Oberfläche infizierter Zellen.
        • Da zytotoxische T-Zellen HIV-typische Oberflächenstrukturen nur im Zusammenspiel mit HLA-Klasse I-Antigenen erkennen können, wird so die infizierte Zelle vor dem Immunsystem geschützt.
      • Das nef-Protein beeinflusst außerdem die Aktivierung von T-Zellen, indem es mit verschiedenen Proteinen interferiert, die intrazellulär in Signaltransduktionsketten involviert sind.
        • In Studien an SIV-infizierten Rhesusaffen konnte gezeigt werden, dass eine hohe Virusreplikation und schnelle Erkrankungsprogression an ein intaktes nef-Gen gekoppelt sind.
    • pol (polymerase)
      • pol enthält die Informationen für alle enzymatischen Proteine des Virus. Die Informationen für die Reverse Transkriptase, die Protease, die Integrase und die Ribonuclease h befinden sich alle im Bereich des pol-Gens.
    • rev (regulator of virion)
      • rev codiert ein regulatorisches Protein, das die Expression viraler Strukturproteine in der Wirtszelle stimuliert. 
      • Das rev-Protein akkumuliert im Zellkern und bindet dort an bestimmte Stellen der viralen DNA.
      • Es hat eine große Bedeutung bei der Umstellung der Expression von zunächst regulatorischen Proteinen auf später Strukturproteine.
    • tat (transactivation of transcription)
      • tat codiert ein regulatorisches Protein, das die die LTR-vermittelte Produktion viraler RNA in der Wirtszelle stimuliert. 
      • Das tat-Protein akkumuliert dazu im Zellkern und bindet dort an bestimmte Stellen der viralen DNA.
      • Es ist essentiell für die Virusreplikation in nahezu allen Kultursystemen. 
      • Der zelluläre Cofaktor ist Cyclin T1.
    • vif (virion infectivity factor)
      • Das durch vif codierte regulatorische Protein spielt eine wichtige Rolle bei der Replikation des HI-Virus selbst und der Fähigkeit andere Zellen zu infizieren. Essentiell dafür ist die Hemmung von APOBEC3G:
        • In Anwesenheit von vif-Protein wird APOBEC3G komplexiert und nicht in Virionen inkorporiert, die die Zelle verlassen. Diese sind somit replikationsfähig.

        • In Abwesenheit von vif-Protein wird APOBEC3G in neu produzierte Virionen inkorporiert, so dass bei nachfolgender Infektion anderer Zielzellen in diesen die Synthese proviraler DNA blockiert wird. 

      • Hintergrund dieser Erkenntnis war die Auswertung folgender Beobachtungen:
        • vif-Protein defiziente HIV-1-Isolate konnten sich in Studien weder in primären CD4-positiven T-Zellen, noch in einigen anderen T-Zell-Linien oder in Makrophagen replizieren. Intrazellulär wurde zwar die reverse Replikation noch initiiert, es kam jedoch nicht mehr zur Synthese proviraler DNA. Weitere Experimente zeigten, dass die Fusion von "permissiven" und "nicht-permissiven" Zellen zu "nicht-permissiven" Zellen führt. Dies legte nahe, dass die Replikation von HIV von einem in der Wirtszelle angesiedelten inhibitorischen Faktor behindert werden kann, der schließlich als APOBEC3G identifiziert wurde.
          • vif-Protein bildet einen Komplex mit APOBEC3G, wodurch dessen inhibitorische Aktivität ausgeschaltet wird. Diese Blockade von APOBEC3G durch vif ist hochspezifisch für HIV: Obwohl APOBEC3G ein zwischen verschiedenen Spezies hochkonserviertes Enzym ist, wird z.B. murines oder simianes APOBEC3G nicht inhibiert.
          • APOBEC3G wird in Lymphozyten und Makrophagen exprimiert, also den wichtigsten Wirtszellen von HIV. Bislang ist noch unklar, wie hier die intrazelluläre Menge an APOBEC3G reguliert wird, ob es eine kritische Menge an APOBEC3G intrazellulär gibt, die die Zellen trotz vif-Protein resistent gegenüber einer HIV-Infektion macht, oder ob genetische Polymorphismen die Expression von APOBEC und somit potentiell den Verlauf der HIV-Infektion beeinflussen können. 
            • Neuere Daten zeigen, dass der Aktivitätszustand der Lymphozyten entscheidend die enzymatische Funktion von APOBEC3G beeinflusst. Die Bindungsstellen von vif-Protein an APOBEC3G wurden inzwischen charakterisiert und der intrazelluläre Abbauweg von APOBEC3G über proteasomale Degradation untersucht. Die Suche nach spezifischen Inhibitoren, die entweder die Inaktivierung von APOBEC3G durch vif-Protein oder aber die intrazelluläre Degradation von APOBEC3G inhibieren könnten, hat begonnen und könnte einen neuen attraktiven Therapieansatz für die HIV-Infektion darstellen. Da dies einen Angriff an Strukturen der Wirtszelle anstatt an denen des Virus bedeuten würde, geht man davon aus, dass dies das Risiko für das Auftreten von Resistenzen deutlich senken würde.
    • vpr (viral protein r)
      • Das von vpr codierte regulatorische Protein kann sowohl die HIV-LTR als auch eine Reihe von zellulären und viralen Promotern stimulieren und scheint für die Virusreplikation in nichtteilenden Zellen wie z.B. Makrophagen von Bedeutung zu sein. 
      • vpr-Protein ist für den Transport des viralen Präintegrationskomplexes zum Kern von Bedeutung und kann Zellen in der G2-Phase des Zellzyklus arretieren.
    • vpu (viral protein u)
      • Das durch vpu codierte regulatorische Protein spielt eine wichtige Rolle beim Ausknospen der neu entstandenen Viruspartikel ("budding"). Bei Mutationen in vpu kommt es nicht zur Ablösung der neu gebildeten Viren, sie bleiben an der Zelloberfläche hängen.
      • vpu-Protein ist zudem am Abbau von CD4-gp160-Komplexen im endoplasmatischen Retikulum beteiligt und sorgt so dafür, dass ausreichend gp160 für die Neubildung von Virionen bereitsteht.

Genom-Mutationen

  • HIV zeigt einen ausgeprägten genetischen Polymorphismus. Es besitzt nur einen Teil der Proteinausstattung, die für den Ablauf des viralen Vermehrungszyklus benötigt wird, so das es auf den Replikations- und Transkriptionsapparat der Wirtszelle angewiesen ist.
  • Nach Infektion einer Zelle wird das RNA-Genom des Virus in DNA transkribiert und in das Genom der Wirtszelle integriert.
  • Sowohl die Reverse Transkriptase als auch die beteiligten menschlichen RNA-Polymerasen bauen statistisch gesehen etwa jede 10.000. Base fehlerhaft ein.
  • Da beide Enzyme keine Möglichkeit des Proofreadings oder der Fehlpaarungs-Reparatur haben, verursachen sie damit mit einer Wahrscheinlichkeit von 10-4 fehlerhafte Informationen, so dass jede neu synthetisierte Nukleinsäure statistisch mehrere Fehler enthält.
    • An jedem Tag können daher theoretisch alle möglichen Punktmutationen in einem infizierten Individuum auftreten.
  • Auf diese Weise entstehen mit der Zeit diverse Mutanten des HI-Virus, von denen einige vermehrungsfähig sind und andere Zellen infizieren.
  • Sie weisen Unterschiede in der Aminosäuresequenz ihrer Proteine auf: Im Laufe der HIV-Erkrankung verändert sich damit die Struktur der Viren kontinuierlich und entzieht sich unter anderem so einer effektiven Immunabwehr.
  • Genom-Mutationen können zu insgesamt aggressiveren Virus-Varianten führen:
    • Anfang des Jahres 2005 wurde in New York bei einem HIV-Patienten eine neue Variante des HI-Virus gefunden, die einen deutlich schnelleren Erkrankungsverlauf verursacht und eine multiple Resistenz gegen HIV-Therapeutika besitzt ("Super-HIV").
    • Diese Virus-Mutation scheint die Cytokin-Rezeptoren CCR5 und CXCR4 (X4) gleichzeitig für die Virusbindung nutzen zu können.

Proteom

  • Neben den regulatorischen Proteinen kodiert das Virusgenom vor allem für Strukturproteine und drei Enzyme, die nach der Freisetzung des Virus Bestandteil des Partikels sind.
  • Wichtige Strukturproteine sind die in den Genen gag und env codierten:
    • p6 
      • p6 ist ein auf dem gag-Gen codiertes Protein, das hilft vpr in die neu gebildeten Viruspartikel einzuschleusen.
    • p9
      • p9 ist Bestandteil des viralen Nukleokapsids und dient dort dazu die RNA im Kapsid zu fixieren.
    • p17
      • p17 ist ein unterhalb der Virushülle befindliches Matrixprotein.
    • p24
      • Das Protein p24 bildet den Hauptbestandteil des Kapsids.
    • gp41
      • Das aus dem Vorläuferprotein gp160 zusammen mit gp120 gebildete Glykoprotein durchzieht transmembranär die Virushülle.
    • gp120
      • Glykoprotein 120 ist mit gp41 assoziiert, mit dem zusammen es transkribiert wird und befindet sich auf der Außenseite der Virushülle.
  • Dazu kommen die im pol-Gen codierten Enzyme:
    • p11 (Protease)
      • Die Protease katalysiert die hydrolytische Spaltung der viralen Proteine, die zu mehreren in funktionellen Einheiten translatiert werden.
      • Von der Polypeptidkette, die vom pol-Gen kodiert wird, spaltet die Protease erst sich selbst ab und trennt danach die Reverse Transkriptase von der Integrase.
    • p32 (Integrase)
      • Die Integrase ist in der Lage, den von der Reversen Transkriptase synthetisierten DNA-Doppelstrang in das Genom der Wirtszelle einzubauen.
    • p66 (Reverse Transkriptase)
      • Die Reverse Transkriptase ist in der Lage, entgegen dem "zentralen Dogma der Zellbiologie" RNA in DNA zu transkribieren.
      • Sie benutzt dabei eine menschliche tRNA als Matrize.
      • Nach der Synthese von DNA baut die Reverse Transkriptase die RNA ab und und synthetisiert den komplementären DNA-Strang.

Infektions- und Replikationszyklus

  • Nach heutigem Wissensstand gliedert sich der virale Zyklus in sieben Phasen, die das Virus vom Befall der Wirtszelle bis zu seiner erneuten Freisetzung durchlaufen muss.

Virusadsorption

  • Nach dem Eindringen des Virus in die Blutbahn des Menschen bindet HIV über sein pilzförmig aus der Virusoberfläche herausragendes Oberflächenprotein gp120 ("Spike") an den CD4-Rezeptor verschiedener CD4+-Zellen.
    • Betroffen sind weitgehend selektiv TH-Lymphozyten; prinzipiell sind jedoch alle Zellen, die den CD4-Rezeptor exprimieren, potentielle Zielzellen des Virus. Dazu gehören viele Zellen des Monozyten-Makrophagen-Systems.
    • Man vermutet, dass HIV aber auch Zellen infizieren kann, die nicht CD4 auf der Zelloberfläche tragen, wie zum Beispiel B-Zellen, CD8-Zellen sowie Makrophagen, Astrozyten und Endothelzellen. V.a. Makrophagen wird eine Rolle als Reservoir von HIV im Organismus zugeschrieben.
  • Durch die Bindung an CD4 kommt es zu einer Konformationsänderung des gp120, was seine Bindung an einen Corezeptor ermöglicht.
  • Die von gp120 nun gebundenen Corezeptoren stammen aus der Familie der Cytokin-Rezeptoren.
    • Auf Makrophagen dient CCR5 als typischer Corezeptor, auf TH-Lymphozyten CXCR4 (Fusin).
      • Daher spricht man bei Virenstämmen, die bevorzugt CCR5 nutzen auch von M-Tropismus, und bei Zellen die CXCR4 bevorzugen von T-Tropismus.
      • Diese Unterscheidung hat für die initiale Infektion Bedeutung, da durch Mutationen jedoch häufig im Laufe der Zeit T-trope Virenstämme überwiegen ist die weitere Bedeutung u.U. gering.
    • Zusätzliche Chemokinrezeptoren (CCR2b, CCR3) können ebenfalls als Corezeptoren für HIV dienen, ihre Bedeutung ist jedoch gering.
    • Bei HIV-2 tritt CXCR4 als alleiniger primärer Rezeptor auf; die sexuell verbreiteten Viren nutzen meist CCR5 als Corezeptor.
    • Die Art der vom Virus benutzten Rezeptoren und ihre individuelle Ausprägung beeinflussen somit die Ansteckungswahrscheinlichkeit und den Verlauf der HI-Infektion mit.

Virusfusion

  • Durch die Bindung des HI-Virus mit seinem Oberflächenprotein gp120 an die Wirtszelle und gleichzeitiger Kopplung an einen der benötigten Corezeptoren, kommt es zu einer Konformationsänderung des gp120, wodurch zwei helicale hydrophobe Strukturen des transmembranären Glykoproteins gp41 freigelegt werden.
  • Die nun freigelegten Bereiche weisen eine hohe Affinität zueinander auf, so dass sie sich nun zusammenlagern, wobei es zu einer Kontraktion des gp41 kommt. Dadurch werden die Membranen des Erregers und der Wirtszelle so weit angenähert, dass sie schließlich miteinander fusionieren und das Kapsid des Virus ins Cytosol der Wirtszelle freigesetzt wird.

Freisetzung der Virus-RNA

  • In einem weiteren, als Uncoating bezeichneten Vorgang, setzt das Kapsid innerhalb des Zytoplasmas der Wirtszelle das Virusgenom frei. Die dabei relevanten Mechanismen sind noch weitgehend unverstanden.
    • Es ist bekannt, dass sich das HI-Virus in den meisten Primaten nicht replizieren kann. Sie haben durch die Expression des Proteins TRIM 5a einen natürlichen Schutz vor HIV, nicht aber vor SIV, einem HIV-ähnlichen Virus in Affen.

Reverse Transkription

  • Zusammen mit der Virus-RNA werden auch die im Viruskapsid enthaltenen Enzyme freigesetzt.
    • Das Erbgut des HI-Virus besteht zwar aus Plusstrang-RNA, dennoch wird diese nicht direkt als Matrize (mRNA) für die Proteinbiosynthese benutzt.
  • Die in die Zelle eingeführte Reverse Transkriptase beginnt unmittelbar mit der Synthese des komplementären DNA-Stranges.
  • Als Primer benutzt sie dabei menschliche tRNA-Moleküle, die im Zytoplasma vorhanden sind oder als Bestandteile des Kapsids aus lysierten Zellen mitgenommen wurden.
  • Nach partiellem Abbau der RNA-Vorlage durch die im Virus enthaltene Ribonuclease h beginnt die ebenfalls durch die Reverse Transkriptase katalysierte Synthese von DNA-Doppelsträngen, die sich zu Ringen schließen.
  • Sämtliche dieser Schritte laufen im Zytoplasma der Wirtszelle ab. Erst die gebildete Doppelstrang-DNA wandert in den Zellkern und wird durch die HIV-Integrase als Provirus in das Wirtsgenom eingebaut.

DNA-Integration

  • Die ringförmigen DNA-Doppelstränge werden durch die HIV-Integrase vermutlich an zufälligen Stellen in das Genom der Wirtszelle eingebaut; damit liegt das HI-Virus als sogenanntes Provirus vor.
    • Von der Bindung des Virus an die Wirtszelle bis zur Integration des Genoms vergehen etwa zehn Stunden.
    • Bei ruhenden als auch bei aktivierten CD4-positiven T-Lymphozyten ist der Der Anteil an Zellen, bei denen das Provirus stabil und replikationskompetent ins Genom der Wirtszelle integriert ist liegt, sowohl bei ruhenden, als auch bei aktivierten CD4-positiven T-Lymphozyten unter 0,1 %. Solche Zellen befinden sich bis zum Beginn der Virusexpression in einer sogenannten Post-Integrations-Latenz.
    • Unter den ruhenden CD4-positiven T-Lymphozyten kann ein viel höherer Anteil (ca. 1 %) darüber hinaus nicht-integrierte HIV-DNA im Zytoplasma beherbergen, die, wenn die Zelle längere Zeit nicht aktiviert wird, zerfällt. Man spricht hier von Prä-Integrations-Latenz.
  • Die Gene des Provirus lassen sich nun potentiell jederzeit durch die menschliche RNA-Polymerase II ablesen, wobei die LTRs als starke Promotoren wirken.
  • Dennoch können nach Einbau der viralen DNA noch Jahre vergehen, bis die Produktion der viralen Bestandteile effektiv beginnt und die Zelle schließlich unter Freisetzung neuer Viren lysiert wird.
  • Es ist bis jetzt nicht völlig verstanden, auf welchem Wege diese sogenannte Latenzperiode beendet wird, man schreibt jedoch dem Transkriptionsfaktor NFκ-B eine Funktion bei der Auslösung produktiver Zyklen zu.
    • Diese Annahme beruht darauf, dass sich viele Viren in ruhenden T-Lymphozyten nicht replizieren, vermutlich da dort kritische, induzierbare Wirtsfaktoren fehlen.
      • Werden die ruhenden CD4+-Zellen jedoch durch Antigene, Mitogene, bestimmte Zytokine (TNF-α, IL-1) oder Genprodukte verschiedener Viren (z.B. HTLV-I, Herpes simplex-, Epstein-Barr-, Zytomegalie-, Hepatitis B- oder humanes Herpesvirus 6) aktiviert, so kommt es zur Induktion bestimmter Transkriptionsfaktoren, v.a. solchen der NFκ-B-Familie, und zur HIV-Replikation.
        • NFκ-B reguliert normalerweise die Expression zellulärer Gene.
        • Sie binden und aktivieren nun aber die zwei B-Verstärkerelemente (Enhancer) der proviralen LTR-Region - ein wichtiger initialer Stimulus für den Übergang von der latenten in die produktive Infektion.
    • Neben den induzierbaren Transkriptionsfaktoren werden zur Transkription bestimmter HIV-1-Gene auch konstitutive Transkriptionsfaktoren der Wirtszelle (z.B. Sp1 und TATA) benötigt.
  • Auch während der Latenzzeit kann das Immunsystem kompromittiert sein; die Ursache hierfür ist ebenfalls bisher unbekannt.

Biosynthese viraler Proteine

  • Nach Beendigung der Latenzphase, wahrscheinlich durch Bindung induzierbarer und konstitutiver Transkriptionsfaktoren der Wirtszelle an die LTR-Region von HIV-1 (s.o.), beginnt die Wirtszelle mit der Transkription viraler Gene.
  • Zuerst werden lediglich die Regulatorgene tat, rev und nef transkribiert.
  • Diese steuern nun die Transkription der weiteren Gene, so dass nun in weiterer Folge env, gag, und pol transkribiert und in die entsprechenden Struktur- und Enzymproteine translatiert werden.
  • Die gebildeten Proteine des Virus werden z.T. noch posttranslational modifiziert: So sorgen z.B. zelleigene Glykosyltransferasen für die Glykosylierung der Hüllproteine gp41 und gp120, während die viruseigene Protease die beiden Proteine aus dem Vorläuferprotein gp160 freisetzt.

Assembling und Reifung

  • Der virale Kern (gag- und pol-kodierte Proteine) wird im Zytoplasma zusammengesetzt; die (env-kodierten) Hüllproteine werden in die Wirtszellmembran eingelagert.
  • Die in die Membran der Wirtszelle eingelagerten Hüllproteine führen aufgrund noch nicht verstandener Mechanismen zur Ausknospung der Wirtszellmembran.
  • Dabei werden die neuen, fast fertigen Viren gebildet: Das zusammengesetzte Kapsid wird von seiner Hülle aus der Lipiddoppelschicht umschlossen.
  • Die neuen Viren werden nun abgeschnürt und ins Blut freigesetzt.
    • Die Wirtszelle geht bei der massenhaften Freisetzung neuer Viren durch durch Lyse zugrunde.
  • Sie sind zunächst noch nicht vollständig ausgereift, sondern werden erst jetzt durch enthaltene HIV-Protease fertig prozessiert.
  • Diese spaltet aus den bislang enthaltenen Vorläuferproteinen weitere HIV-Protease, sowie z.B. die virale Integrase und die Reverse Transkriptase, sowie die gag-Proteine (p7, p9, p17 und p24) heraus.
  • Das neu entstandene HI-Virus kann nun neue Zellen infizieren.

Systematik

Reich

  • Viren

Familie

Unterfamilie

  • Orthoretrovirinae

Gattung

Untergattung

  • Primate lentivirus group

Art

  • Humanes Immundefizienz-Virus

 

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