Rheumatoide Arthritis
Synonym
Definition
- Chronische, in Schüben verlaufende Entzündung der Gelenkinnenhaut (Synovialitis)
mit langfristiger Zerstörung des Gelenkknorpels und der gelenknahen
Knochen.
Bemerkungen
- Typisch ist eine Manifestation an mehreren Gelenken. Besonders betroffen
sind meist Hand- und Fingergrund.
- Bei etwa der Hälfte der Patienten findet man auch extraartikuläre
Veränderungen, von denen subkutane Ausstülpungen, die als
"Rheumaknoten" bezeichnet werden, besonders häufig sind. Andere
extraartikuläre Veränderungen können sein:
- Amyloidose, Anämie,
atlanto-axiale Subluxation, Bursitis, Fibrosen, Fingerkuppennekrosen,
Hautulzera, Karpaltunnelsyndrom, Perikarditis, Pleuraerguss, Pneumonitis,
Sehnenscheidenentzündungen, sensorische distale Polyneuropathie, Skleritis,
Sjögren-Syndrom und Splenomegalie.
- Eine Übersicht über die Organe, die von rheumatoider Arthritis betroffen
sein können bietet Abbildung 1.
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Abb. 1: Von rheumatoider Arthritis neben den
Gelenken potentiell
betroffene Organe |
Prävalenzrate
- ca. 1 % der Bevölkerung in Deutschland
Ursachen
- Die genauen Ursachen sind bislang nicht bekannt. Man vermutet eine
Autoimmunerkrankung mit genetischer Prädisposition.
- Diese genetische Komponente zeigt sich in der auffälligen Assoziation
bestimmter HLA-Typen. Etwa 70 % der Patienten mit rheumatoider Arthritis
sind HLA-DR4 positiv, während die Häufigkeit von HLA-DR4 in der nicht
erkrankten Bevölkerung nur bei ca. 30 % liegt.
- Man vermutet dass für den eigentlichen Ausbruch der Erkrankung ein
zusätzlicher Auslöser erforderlich ist. Hier vermutet man sowohl
bakterielle Antigene (z.B. Heat Shock Proteine aus Mykobakterien), als auch
virale Antigene (z.B. Epstein-Barr-Virus) und endogene Antikörper (z.B.
gegen Kollagen II). Auch Antigene gegen bestimmte Nahrungskomponenten (z.B.
Gluten, Lektine) werden als Auslöser diskutiert.
- Man vermutet derzeit, dass eines der eben besprochenen Antigene zunächst von
Makrophagen-ähnlichen Zellen der Synovia phagozytiert und im
endoplasmatischen Retikulum der Makrophagen teilweise abgebaut wird.
- Antigenfragmente werden nun mit HLA-II-Proteinen zusammen an die
Zelloberfläche transportiert und dort exponiert.
- T-Lymphozyten binden an den Komplex aus HLA-II und Antigenfragment,
wodurch sie stimuliert werden und zusammen mit den Makrophagen eine Reihe
von Zytokinen (z.B. TNF-α,
IL-1) ausschütten.
- Diese Mediatoren lösen schließlich über weitere Schritte die
Entzündung aus.
- B-Lymphozyten transformieren zu Plasmazellen und bilden spezielle
Autoantikörper, sogenannte "Rheumafaktoren".
- Die Rheumafaktoren bilden mit IgG Immunkomplexe, die zu einer Aktivierung
des Komplementsystems führen.
- Die längerfristig auftretende Zerstörung des Gelenkknorpels wird auf die
Freisetzung proteolytischer Enzyme und reaktiver Sauerstoffspezies
zurückgeführt. Auch die Proliferation der Synovialmembran, die als Panus
den Gelenkknorpel bedeckt, wird für diesen Prozess verantwortlich gemacht.
Neben dem Gelenkknorpel können beide Prozesse auch den gelenknahen Knochen
schädigen.
Diagnose
- Für die Diagnose "rheumatoide Arthritis" müssen gemäß den
ACR-Kriterien mindestens 4 der nachfolgenden 7 Symptome bzw. Befunde
vorliegen:
- Morgensteifigkeit
- Arthritis von drei oder mehr Gelenkarealen
- Arthritis von Gelenken der Hand
- Symmetrische Arthritis
- Rheumaknoten
- Positiver Nachweis von Rheumafaktor
- Ein positiver Nachweis von Rheumafaktor gelingt bei etwa 50 - 90 %
der Patienten mit rheumatoider Arthritis, 10 - 50 % der Patienten
mit Kollagenosen und ca. 10 % der Patienten mit Spondyloarthritiden.
- Zu beachten ist, dass er auch bei 1 - 5 % der Gesunden unter 60
Jahren und 5 - 30 % der Gesunden über 60 Jahren gelingt!
- Radiologische Veränderungen
Therapie
Basistherapie
Bemerkungen
- Bis in die 1990er Jahre hinein, wurde die medikamentöse Therapie mit den
sogenannten Basismedikamenten erst relativ spät im Verlauf der Erkrankung
begonnen. Heute setzt diese Therapie bereits unmittelbar nach
Diagnosestellung ein, um die Progression der Erkrankung effektiver zu
bekämpfen. In vielen Fällen lässt sich so nicht nur die Progression deutlich
verlangsamen, sondern sogar eine Remission erreichen.
- Die eingesetzten Substanzen werden als krankheitsmodifizierende Antirheumatika (Disease Modifying Antirheumatic
Drugs, DMARDs) bezeichnet.
Krankheitsmodifizierende Antirheumatika (Disease Modifying Antirheumatic
Drugs, DMARDs)
- Krankheitsmodifizierende Antirheumatika, englisch "Disease Modifying
Antirheumatic Drugs" (DMARDs), stellen die Basis der medikamentösen Therapie
bei rheumatoider Arthritis dar. Die Therapie mit ihnen sollte innerhalb der
ersten 6 Monate nach Diagnosestellung begonnen werden.
- Meist wird als Startsubstanz Methotrexat - in Kombination mit einem
niedrig dosierten Glukokortikoid - eingesetzt.
- Rechtzeitig eingesetzt lässt sich so eine Remission in 40 - 50 % der
Fälle erreichen.
- Die gleichzeitige Gabe des Glukokortikoids dient dazu,
bereits vor dem Einsetzen der Wirkung des Methotrexats
nach ca. 4 - 8
Wochen, eine immunsupprimierende Wirkung zu erreichen. Bei ausreichender
Wirkung des Methotrexats kann das Glukokortikoid abgesetzt werden.
- Bei nicht ausreichender Wirkung des Methotrexats
kann der Wirkstoff mit
anderen DMARDs kombiniert werden. Diese sind auch einzusetzen, wenn
Methotrexat
aufgrund unerwünschter Arzneimittelwirkungen nicht weiter eingesetzt werden
kann.
- Als wichtigster Kombinationspartner für Methotrexat ist Leflunomid zu
nennen. Die Kombination mit Methotrexat erreicht bei frühem Therapiebeginn
Remissionsraten von bis zu 80 %.
- Die Wirksamkeit von Leflunomid entspricht ungefähr der von Methotrexat.
- Sulfasalazin (SSZ) wird bei milden Verlaufsformen der rheumatoiden
Arthritis eingesetzt. Die Wirkung setzt nach 8 - 12 Wochen ein, der
Mechanismus ist noch unklar.
- Weitere DMARDs sind z.B. Azathioprin, Ciclosporin, Hydroxychloroquin und
d-Penicillamin.
- Eine kurze Übersicht wichtiger DMARDs mit einigen weiteren für die
Therapie interessanten Parametern gibt die folgende Tabelle:
4 - 8 Wochen |
7,5 - 20 mg pro Woche |
Hemmung der Purinsynthese |
Gastrointestinale Beschwerden, Leberschäden, Agranulozytose,
Fruchtschäden |
4 - 6 Wochen |
10 - 20 mg/d |
Hemmung der Pyrimidinsynthese |
Diarrhoe, Infektionen der Atemwege, Übelkeit, Kopfschmerzen,
Leberschäden |
4 - 12 Wochen |
500 - 2000 mg/d |
? |
Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schwindel, Agranulozytose |
3 - 6 Monate |
200 - 400 mg/d |
? |
Keratopathie, Retinopathie, Übelkeit, Erytheme,
Blutbildveränderungen |
4 - 8 Wochen |
3 - 5 mg/d pro kg Körpergewicht |
Blockade der Synthese von Interleukin-2 |
Nieren- und Leberfunktionsstörungen, Hypertonie, Übelkeit |
4 - 8 Wochen |
1,5 mg/d pro kg KG |
Hemmung der Purinsynthese |
Veränderungen des Blutbildes, erhöhtes Infektionsrisiko, Übelkeit,
Erbrechen, Diarrhoe, Gewichtsabnahme |
ca. 3 Monate |
600 - 750 mg/d |
Abbau pathologischer IgM-Globuline ("Rheumafaktoren") |
Exantheme, Knochenmarksdepression, Nierenschäden, gastrointestinale
Störungen |
Biologika
- Reicht eine Therapie mit den DMARDs nicht aus, so sollten Biologika wie
TNF-α-Blocker mit in die Therapie eingeführt werden.
- Als nicht ausreichend sollte eine Therapie dann bewertet werden, wenn
trotz Kombination von 2 DMARDs nach 6 Monaten noch immer eine Progression
beobachtet werden kann, oder wenn trotz Kombination von 2 DMARDs noch neue
Gelenkschäden auftreten.
- TNF-α-Blocker sind einsetzbar, weil TNF-α
u.a. die Produktion und Ausschüttung von Interleukin-1 und
Interleukin-6 reguliert. Seine Blockade hemmt somit die Neubildung zweier potenter
Zytokine und darüber indirekt deren Wirkung auf die Leukozytenmigration.
- Eingesetzt wird meist zunächst eine Kombination aus Methotrexat und
einem TNF-α-Blocker, z.B. Infliximab oder Adalimumab.
- Weitere Therapieoptionen sind z.B. Abatacept, Anakinra oder Etanercept.
Symptomatische Therapie
Prognose
- Rheumatoide Arthritis hat bei nicht ausreichender Therapie eine
Lebenszeitverringerung von etwa 5 - 10 Jahren zur Folge. Für die aktuell
durchgeführten neuen Therapieschemata fehlen bislang ausreichende
Langzeitdaten.
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