Nahrungsmittelinteraktionen

Definition

Bemerkungen

  • Wechselwirkungen zwischen Pharmaka und Nicht-Pharmaka, insbesondere bestimmten Nahrungsmitteln oder Ethanol, sind ein wichtiger Aspekt in der Betrachtung möglicher Wechselwirkungen. 
    • So gab es z.B. Todesfälle aufgrund schwerer Herzrhythmusstörungen infolge einer Interaktion des H1-Rezeptor-Antagonisten Terfenadin mit Grapefruitsaft.
      • Grapefruitsaft enthält Stoffe, die das Cytochrom-P450-Isoenzym CYP3A4 hemmen. Über dieses werden viele Arzneistoffe, z.B. auch Terfenadin metabolisiert. Zwischen den Applikationen der Einzeldosen wurde Terfenadin nun bei gleichzeitiger Einnahme von Grapefruitsaft nicht so stark wie sonst üblich abgebaut, so dass es zu einer Akkumulation des Wirkstoffs im Organismus kam. Diese hohen Plasmakonzentrationen führen bei Terfenadin zu einer Herzrhythmusstörung (Verlängerung der QT-Strecke im EKG mit dadurch ausgelöster sogenannter chaotischer Kammertachykardie), die lebensbedrohlich werden kann.

  • Die auftretenden Interaktionen zwischen Nahrungsmitteln und Arzneimitteln sind normalerweise pharmakokinetische Wechselwirkungen bei der Liberation, Resorption und (allerdings seltener) Metabolisierung
  • Grundsätzlich geht man davon aus, dass Wechselwirkungen bei der Resorption zwischen Arznei- und Nahrungsmitteln bis zu einem Einnahmeabstand von 2 h auftreten können.
    • Innerhalb dieses Zeitraums wird, bei normaler Magenmotilität, der gesamte Inhalt eines ansonsten nüchternen Magens in den Dünndarm überführt. Verantwortlich hierfür die die sogenannten "Housekeeper-Waves".
  • Die Angabe von 2 h gilt nur, wenn zunächst das Arzneimittel und dann die Nahrung aufgenommen wird!
    • Abhängig von der aufgenommenen Nahrung kann die Verweilzeit des Essensbreis im Magen stark variieren. Aus diesem Grund können 2 h Abstand zur Medikamenteneinnahme nach einer Mahlzeit nicht ausreichend sein, um mögliche Interaktionen zu umgehen.
  • Als Nahrung zählt in diesem Zusammenhang alles, was nicht Trinkwasser oder evtl. noch (kohlensäurearmes) Mineralwasser ist.
    • Bereits kohlenhydrathaltige Getränke wie Säfte, Cola, Milch etc. verändern die Peristaltik des Magens so, dass nicht mehr von einer Nüchterneinnahme gesprochen werden kann. Die Verweilzeit eingenommener Medikamente im Magen steigt an.
  • Im Extremfall kann ein unzureichender Abstand zwischen Arzneimitteleinnahme und Nahrungsaufnahme dazu führen, dass morgens ("30 min vor dem Frühstück") eingenommene magensaftresistente Arzneimittel den ganzen Tag im Magen liegen bleiben, da sie auf dem Essensbrei schwimmen und erst nachts in den Dünndarm gelangen.
    • Bei Einnahme mehrerer Arzneimittel über den Tag die nun alle erst nachts wirksam werden, kann es so zu Überdosierungen in der Nacht und unwirksamen Blutspiegeln über Tage kommen.
    • Die Angabe "30 min vor dem Frühstück" findet sich häufig in den Einnahmehinweisen der Arzneimittelhersteller. Sie stellt einen Kompromiss aus pharmakologischen und physiologischen Bedürfnissen (eher längerer Abstand) und Bequemlichkeitsfaktoren für den Patienten (eher gar kein Abstand) dar. Bei den meisten Patienten mit normaler Magenmotilität sollten 30 min ausreichen, um ein nüchtern eingenommenes Arzneimittel bis zur anschließenden Nahrungsaufnahme in den Dünndarm und damit an der Ort der Resorption zu befördern.
    • Das Problem "ewig" im Magen verbleibender Arzneimittel lässt sich durch galenische Modifizierungen umgehen. Magensaftresistente Tabletten, die im Magen bereits zu kleinen Pellets zerfallen, gelangen immer in den Dünndarm, mit oder ohne Speisebrei dabei. Die Resorption aus dem Dünndarm ist natürlich dennoch eine andere...
  • Bei bestimmten Arzneistoffen, z.B. Griseofulvin, nutzt man auftretende Wechselwirkungen mit gleichzeitig eingenommener Nahrung auch aus. So nimmt man Griseofulvin bevorzugt zu einer fettreichen Mahlzeit ein, da dies die Bioverfügbarkeit des ansonsten schwer resorbierbaren Arzneistoffs deutlich erhöht.

Beispiele

Ballaststoffe 

  • Ballaststoffe verlängern allgemein die Verweildauer von Arzneimitteln im Magen und verzögern so ihren Wirkungseintritt.
  • Ballaststoffe aus Hafer- und Weizenkleie, Pektin und Guar schränken die Resorption vieler Arzneistoffe ein, da sie über Flüssigkeitsbindungsvermögen auch gelösten Arzneistoff binden.
  • Aufgrund ihrer Eigenschaft das Volumen des Speisebreis zu erhöhen, sinkt die Konzentration des Arzneistoffs im Speisebrei. Der Konzentrationsgradient zu den Zellen der Darmwand ist weniger stark, es wird weniger Arzneistoff resorbiert.

Ethanol

Grapefruitsaft

  • Grapefruitsaft enthalt einige Inhaltstoffe, die hoch effektiv Enzyme des Cytochrom-P450-Systems in der Leber hemmen (z.B. CYP3A4).
  • Arzneistoffe, die über die gehemmten Isoenzyme abgebaut werden, zeigen daher erhöhte Plasmakonzentrationen und Eliminationshalbwertszeiten. Dies kann neben einer verstärkten Wirkung der betroffenen Arzneistoffe auch dazu führen, dass bei wiederholter Interaktion schließlich toxische Plasmakonzentrationen und schwere Nebenwirkungen auftreten.
    • Eines der bekanntesten Beispiele für diese Nahrungsmittelinteraktion dürften die oben bereits erwähnten Todesfälle aufgrund schwerer Herzrhythmusstörungen bei Terfenadin sein.

Milch

 

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