Migräne
Synonym
Definition
- Anfallartige, oft pulsierende Kopfschmerzen, die wiederholt und meist
einseitig auftreten (Hemikranie), in den frühen Morgenstunden beginnen und
Stunden bis Tage andauern können.
Bemerkungen
- Eine Migräne wird oft von vegetativen Symptomen (z.B. Übelkeit, Erbrechen),
Licht- u. Lärmscheu, visuellen Symptomen oder neurologischen Ausfällen
begleitet.
- Ca. 12 - 14 % (andere Quelle sogar 16 - 24 %) bei Frauen,
- Ca. 6 - 8 % bei Männern
Ursachen
- Die Ursache der Migräne ist nicht bekannt.
- In etwa 60 - 70% der Fälle lässt sich eine familiäre Belastung
nachweisen.
- Als auslösende Faktoren gelten z.B.:
- Psychische Belastung
- Klimaeinflüsse
- Genussmittel (v.a. Ethanol)
- Medikamente
- Tyramin-haltige Speisen (z.B. Schokolade, Hartkäse)
- Hormonelle Schwankungen (vor allem bei Menstruationsbeginn)
- Die höchste Inzidenz für das Auftreten
einer Migräne liegt zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr.
Formen
Migräne ohne Aura (Einfache Migräne)
- Bei der weitaus häufigsten einfachen Migräne nimmt der Kopfschmerz -
ohne vorherige Prodromalphase - langsam zu und hält im Mittel über etwa 18
h und maximal über etwa 72 h an.
- Der Kopfschmerz geht meist mit Übelkeit und Erbrechen
sowie Lichtscheu und Geräuschempfindlichkeit einher.
- Körperliche Tätigkeit verstärkt den Schmerz.
Migräne mit Aura (Klassische Migräne)
- Bei der selteneren klassischen Migräne kommt es vor dem Einsetzen der
Schmerzen zu einer schmerzfreien Prodromalphase (Aura), bei der neben
Schwindel und Parästhesien auch Augensymptome, z.B. in Form eines
Flimmerskotoms (Lichterscheinungen wie Flimmern, Funkensehen bei
gleichzeitiger Sehschwäche), auftreten können.
- Sprachstörungen und Paresen können ebenfalls auftreten, sind jedoch
selten.
- Die genaue Pathogenese ist noch nicht abschließend geklärt.
- Man vermutet derzeit, dass es zunächst zu einer Aktivierung von Neuronen
des Hirnstamms in den Raphé-Kernen, im Locus coeruleus und im
periaquäduktalen Grau.
- Diese führt zu einer neurovegetativ bedingten Vasokonstriktion
und -dilatation der Hirngefäße,
wahrscheinlich als Folge einer Störung des durch Serotonin
und die Katecholamine
Noradrenalin sowie Dopamin
gehaltenen Gleichgewichts der Gefäßregulation, auftritt.
- Die Freisetzung von Serotonin
aus Thrombozyten
oder meningealen Gefäßnerven führt nun zur Stimulation von 5-HT-Rezeptoren,
vor allem der Subtypen 5-HT1B und 5-HT1D, in
meningealen Gefäßendothelien und nachfolgend zur NO-Freisetzung.
- Ebenfalls freigesetzt werden:
- Substanz P (SP)
- Substanz P aktiviert über NK1-Rezeptoren die
NO-Synthese im Endothel und erhöht die Gefäßpermeabilität.
- Vasoaktivem Intestinalen Polypeptid (VIP)
- Calcitonin Gene-Related
Peptide (CGRP)
- Es kommt zu einer Vasodilatation,
die zur Stimulation vaskulärer Nozizeptoren des Nervus trigeminus führt.
Über afferente C-Fasern wird so im Cortex die Schmerzempfindung ausgelöst.
- Die Ausschüttung weiterer Entzündungsmediatoren
löst die neurogene perivaskuläre Entzündung
aus.
- Die Aura wird wahrscheinlich durch sogenannte "spreading
depression" hervorgerufen.
- Es handelt sich dabei um eine kurzfristige Erregung, die sich von
okzipital nach parietal und temporal wellenförmig ausbreitet,
gefolgt von einer anschließenden, länger andauernden Hemmung
kortikaler Neurone mit Minderdurchblutung der betroffenen Gebiete.
- Durch Erregung der Area postrema wird das Brechzentrum aktiviert und
Übelkeit sowie Erbrechen induziert.
Verlauf
- Der (klasssische) akute Migräneanfall läuft meist in 3 Phasen ab:
-
Prodromalphase (Aura) (Dauer etwa 5 - 20 min, teilweise bis 60
min) mit Gesichtsfeldausfällen, Funkensehen durch eine überschießende
Vasokonstriktion nach Serotoninfreisetzung aus Thrombozyten
(fehlt bei atypischer Migräne)
-
nach Absinken des Serotoninspiegels und damit verbundener zu starker
Gefäßdilatation kommt es zu starker arterieller Pulsation und dem
pochenden Migränekopfschmerz sowie
-
zur Ödemphase durch Freisetzung von Histamin,
Bradykinin, Prostaglandin
E2 u.a. gefäßdilatierenden, entzündungserzeugenden Stoffen
mit dumpfem langandauerndem Schmerz; weiterhin können Übelkeit, Erbrechen
u. Schwindel auftreten.
- Bei der unkomplizierten Migräne ist die neurologische Untersuchung
unauffällig, evtl. unspezifische EEG-Veränderungen.
- Differentialdiagnostisch von der Migräne abzugrenzen sind andere
Kopfschmerzsyndrome wie:
- Clusterkopfschmerz
- Streng einseitige Kopfschmerzattacken von unerträglich bohrendem
und brennendem Charakter mit einer Dauer zwischen 30 Minuten und 3 -
4 Stunden.
- Spannungskopfschmerz
- Dumpfer, bilateraler Kopfschmerz mittlerer Intensität, der
häufig gut auf Antidepressiva vom Amitriptylin-Typ anspricht)
- Pharmaka-induzierte Kopfschmerz
- Dumpf-drückender, diffuser Dauerkopfschmerz, der unter Belastung
zunimmt.
Therapie
Prinzipien
- Den pathogenetischen Vorstellungen entsprechend wird bei der
medikamentösen Therapie der Migräne versucht, die Gefäßstörungen, den
Schmerz und die Entzündung sowie die Übelkeit und das Erbrechen
zu beeinflussen.
- Man unterscheidet dabei die Behandlung im akuten Anfall und die Behandlung
im symptomfreien Intervall (Migräneprophylaxe).
Therapie des akuten Anfalls
- Der Patient sollte zunächst von äußeren Reizen abgeschirmt werden
(abgedunkelter, geräuscharmer Raum).
- Die medikamentöse Therapie sollte der schwere des Anfalls angepasst
werden, um möglichst geringe Nebenwirkungen zu erhalten.
- Bei leichteren und kurzdauernden Attacken sind daher indiziert:
- Erst bei stärkeren und längerdauernden Attacken sollten zum Einsatz
kommen:
- Eventuell darüber hinaus:
Migräneprophylaxe
- Vor einer medikamentösen Prophylaxe sollte zunächst versucht werden,
anfallfördernde Faktoren weitgehend auszuschalten. Dies bedeutet u.a. den
weitgehenden Verzicht auf Ethanol,
keine zu großen Nahrungs- und Flüssigkeitsmengen am Abend sowei
ausreichend Schlaf.
- Eine medikamentöse Prophylaxe sollte erst ab mindestens zwei Anfällen
pro Monat unter Abwägung der Nebenwirkungen erwogen werden.
- Eine Beurteilung der Wirksamkeit der unten aufgeführten Substanzen wird
dadurch erschwert, dass bereits bei 30 - 40 % der Patienten eine deutliche
Besserung unter Placebo auftritt.
- Eingesetzt werden:
- Chlorpromazin, Glukokortikoide
und Lithium-Salze können in Ausnahmefällen ebenfalls eingesetzt werden.
- Aufgrund der teilweise erheblichen Nebenwirkungen sollte nach etwa 6 - 9
Monaten die medikamentöse Prophylaxe ausschleichend beendet werden, um zu
sehen, ob eine dauerhafte Besserung eingetreten ist. Zeigt sich in den
nächsten 2 - 3 Monaten eine Zunahme der Häufigkeit und Schwere der akuten
Migräneanfälle, so ist die medikamentöse Prophylaxe wieder aufzunehmen.
Vergleich mit dem Spannungskopfschmerz
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- Migräne ohne Aura (häufiger)
- Migräne mit Aura
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- 4 h bis 3 Tage, Status migraenosus länger
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- 30 min bis 7 Tage oder (chronisch) länger
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- Gelegentlich bis 8 mal pro Monat
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- Episodisch < 15, chronisch > 15 Kopfschmerztage pro Monat
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- Pulsierend, mäßig bis stark
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- Drückend-ziehend, leicht bis mäßig
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- Während des Schmerzes oft Übelkeit, Photophobie, Phonophobie
- Aura: Einseitige Sehstörung, Parästhesien, Paresen, meist < 1
h, dann Kopfschmerz
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- Keine Übelkeit, kein Erbrechen,
selten Photophobie, Phonophobie
- Zuweilen erhöhte Anspannung von Kopfmuskeln
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